Seenotretter verweigern Zustimmung zu Verhaltenskodex im Mittelmeer

Rom – Wichtige Hilfsorganisationen haben die Unterzeichnung des Verhaltenskodex für private Seenotretter auf dem Mittelmeer verweigert. Ärzte ohne Grenzen habe das Dokument nicht unterschrieben, erklärte Generaldirektor Gabriele Eminente bereits gestern nach einem Treffen im Innenministerium in Rom. Heute äußerte Ärzte ohne Grenzen massive Bedenken am Vorgehen der EU-Partner in der Migrationskrise.
Der in Abstimmung mit den Mitgliedsstaaten vom Innenministerium in Rom erarbeitete Verhaltenskodex schränke die ohnehin unzureichenden Hilfskapazitäten auf dem Mittelmeer weiter ein und könne im schlimmsten Fall dazu führen, dass mehr Menschen ertrinken, teilte die Hilfsorganisation heute mit. Sie forderte von den EU-Staaten, einen proaktiven Such- und Rettungsmechanismus einzurichten. Ärzte ohne Grenzen ist mit zwei Schiffen im Mittelmeer aktiv.
Der Verhaltenskodex sieht unter anderem vor, dass gerettete Migranten im Normalfall nicht mehr an andere Rettungsschiffe übergeben werden sollen. „Ein Hin- und Herpendeln aller Rettungsschiffe zwischen der Such- und Rettungszone und den Ausschiffungsorten ist jedoch ineffizient und wird dazu führen, dass weniger Schiffe in der Such- und Rettungszone präsent sind, sodass mehr Menschen ertrinken würden“, warnte Ärzte ohne Grenzen. Ein weiteres Problem sieht die Organisation in der Verpflichtung, künftig bewaffnete Polizisten auf Anfrage der Behörden an Bord zu lassen.
Ärzte ohne Grenzen kündigte an, die Aktionen im Mittelmeer fortzusetzen. „Wir werden weiter Such- und Rettungseinsätze unter der Koordination der Leitstelle für Seenotrettung in Rom (MRCC) und in Übereinstimmung mit allen relevanten internationalen Gesetzen sowie dem Seerecht durchführen”, sagte Florian Westphal, Geschäftsführer der deutschen Sektion des internationalen Netzwerkes.
Neben Ärzte ohne Grenzen hatte auch Jugend Rettet die Unterschrift verweigert. „Aufgrund unserer Prinzipien konnten wir nicht unterschreiben“, sagte Titus Molkenbur von der Organisation. Wie es jetzt weitergehe, sei unklar. „Wir werden aber weiter retten und uns auf das Seerecht beziehen.“ Zugestimmt hatten gestern von rund zehn im Mittelmeer aktiven Organisationen nur Save the Children, MOAS und Proactiva Open Arms.
Viele der anderen Seenotretter wie die deutsche Sea Eye oder Sea Watch seien bei dem Treffen nicht dabei gewesen. SOS Méditerranée erklärte, man könne nur zustimmen, wenn einige Passagen in dem Text geändert würden. Das italienische Innenministerium hatte erklärt, diejenigen, die dem Kodex nicht zugestimmt hätten, würden aus dem „Organisationssystem der Rettung auf Hoher See ausgeschlossen“. Was das genau bedeutet, blieb unklar.
Seit vergangener Woche verhandeln die NGO mit der Regierung in Rom über das Dokument. Italien ist von dem Flüchtlingszustrom besonders betroffen. Gestern war die Frist für die Unterzeichnung abgelaufen.
Das Engagement der privaten Helfer war in den vergangenen Monaten immer wieder kritisiert worden, weil Einsätze immer näher an der libyschen Küste stattfinden und ihr Engagement angeblich mehr Flüchtlinge anzieht und das Modell von Schleppern befördert. Eindeutige Belege gibt es dafür jedoch nicht. In diesem Jahr starben bereits rund 2.400 Migranten im Mittelmeer.
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