Politik

Urteil des Bundesarbeits­gerichts zur Pflege sorgt für Debatten

  • Freitag, 25. Juni 2021
/picture alliance, empics, Daniel Leal-Olivas
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Berlin – Nach dem Grundsatzurteil für eine bessere Bezahlung ausländischer Pflegekräfte in der häusli­chen 24-Stunden-Betreuung werden Rufe nach Neuregelungen laut.

Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sagte heute in Berlin, dies sei ein dringliches Thema für betroffene Familien und die Beschäftigten, die ihre Rechte auch umsetzen können sollten. Er sprach sich dafür aus, eine eigene gesetzliche Regelung zu Arbeitsschutz und Arbeitszeiten zu schaffen.

Dies sei in der Regierung bisher nicht konsensfähig gewesen, man könne im Lichte des Urteils aber ins Gespräch kommen. Dies sei ein Thema, mit dem sich die neue Regierung zügig befassen sollte.

Bundesarbeitsminister Hubertus Heil (SPD) nannte das Urteil „wegweisend und richtig“. Er sagte in der Sendung „Frühstart“ von RTL/ntv: „Egal ob Sie aus Bukarest oder aus Bottrop kommen: Wenn Sie arbei­ten, dann haben Sie einen anständigen Lohn verdient.“

Dies könne so nicht weitergehen. Nun müsse der Weg einer „Pflegebürgerversicherung“ gegangen wer­den, um „auch im Haushalt lebende pflegebedürftige Personen besser absichern und unterstützen zu können“.

Das Bundesarbeitsgericht hatte gestern ein Grundsatzurteil gefällt. Ausländischen Arbeitnehmern, die Senioren in ihren Wohnungen betreuen, stehe der gesetzliche Mindestlohn zu, urteilten die höchsten deutschen Arbeitsrichter (Az.: 5 AZR 505/20). Der Mindestlohn gelte auch für Bereitschaftszeiten, in denen die zumeist aus Osteuropa stammenden Frauen Betreuung auf Abruf leisteten.

Auch der Pflegebevollmächtigte der Bundesregierung sieht Handlungsbedarf. „Die 24-Stunden-Betreu­ung muss deshalb zu einem Megathema der Politik werden, mit dem Ziel, weder funktionierende Pflege­settings zu zerstören noch prekäre Arbeitsbedingungen und fragwürdige rechtliche Konstellationen zu tolerieren“, sagte Andreas Westerfellhaus den Zeitungen der Funke-Mediengruppe.

Der Bundesverband der Betreuungsdienste (BBD) begrüßte das Urteil. Die Duldung von Schwarz­arbeit und die Ausnutzung von Betreuungskräften, die 24 Stunden und 7 Tage die Woche bereitstehen, werde damit beendet. „Was für den Rettungsdienst, Pflegekräfte, Ärzte und andere Berufsgruppen mit Bereit­schaftsdiensten gilt, hat das Bundesarbeitsgericht nun richtigerweise auf die Living-in Kräfte übertra­gen.“

Dass zwischen 200.000 und 300.000 Familien die Leistungen der osteuropäischen 24-Stunden Betreu­ungskräfte in Anspruch nehmen, spiegele die Versorgungslücke in der Altenpflege, erklärte Geschäfts­führer Thomas Eisenreich. Jetzt sei die Politik gefragt, die Finanzierbarkeit ambulanter Pflege für alle Familien sicherzustellen.

Der Bundesverband privater Anbieter sozialer Dienste bezeichnete das Urteil als gerecht. „Während sich inländische Pflegeeinrichtungen selbstverständlich an das geltende Recht halten und wiederkehrend geprüft werden, suggerieren die Vermittlungsagenturen aus Osteuropa, Pflege rund um die Uhr zu Kosten deutlich unter dem Pflegemindestlohn anbieten zu können“, heißt es. Der Rechtsstaat müsse jetzt han­deln.

Für die Katholische Arbeitnehmer-Bewegung (KAB) Deutschlands schafft das Urteil für viele tausend aus dem Ausland entsandte Betreuungskräfte einen wichtigen Rechtsanspruch auf faire Entlohnung, wie der Bundesvorsitzende Andreas Luttmer-Bens­mann erklärte. Es schiebe endlich einen Riegel vor gegen die Ausbeutung von Hausangestellten aus Osteu­ropa.

kna/dpa

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