Bundesarbeitsgericht: Mindestlohn gilt auch für ausländische Pflegekräfte
Leipzig – Das Bundesarbeitsgericht in Leipzig hat ein Grundsatzurteil zur Beschäftigung ausländischer Pflegekräfte in Deutschland gefällt. Die höchsten deutschen Arbeitsrichter entschieden heute, dass nach Deutschland vermittelte ausländische Pflege- und Haushaltshilfen, die Senioren in ihren Wohnungen betreuen, Anspruch auf Mindestlohn haben. Das gelte auch für Bereitschaftszeiten (Az.: 5 AZR 505/20).
Geklagt hatte eine Frau aus Bulgarien, die von einem bulgarischen Unternehmen vermittelt wurde und nach eigenen Angaben rund um die Uhr für eine pflegebedürftige Seniorin in Berlin da war. Die Bulgarin wohnte ebenfalls in der Wohnung in der Seniorenanlage.
Die Bulgarin verklagte die in ihrem Heimatland ansässige Vermittlungsfirma auf Nachzahlungen nach dem deutschen Mindestlohngesetz für sieben Monate im Jahr 2015. Der Arbeitsvertrag sah eine Arbeitszeit von sechs Stunden täglich und 30 Stunden wöchentlich vor. In dem zwischen der Vermittlungsgesellschaft und der betreuten Dame geschlossenen Dienstleistungsvertrag war als „angedachter Einsatz“ angegeben: „24 Stunden Betreuung/Pflege“.
Insgesamt forderte die Haushaltshilfe Nachzahlungen in Höhe von 42.636 Euro brutto abzüglich gezahlter 6.680 Euro netto. Sie gab an, 24 Stunden täglich an sieben Tagen in der Woche gearbeitet zu haben beziehungsweise in ständiger Bereitschaft gewesen zu sein. Die Vermittlungsfirma wies das zurück. Selbst wenn die Klägerin aber weitergehende Dienste geleistet haben sollte, sei dies nicht mit ihrer Kenntnis erfolgt.
Das Arbeitsgericht Berlin hatte der Klage zuvor stattgegeben. Das Landesarbeitsgericht Berlin-Brandenburg sprach der Klägerin Mindestlohn für 21 Stunden pro Kalendertag in Höhe von 38.377 Euro brutto abzüglich der bereits gezahlten 6.680 Euro netto zu.
Experten gehen davon aus, dass in Deutschland zwischen 300.000 bis 600.000 ausländische Arbeitskräfte in der Versorgung betreuungsbedürftiger älterer Menschen im häuslichen Bereich tätig sind.
Es handelt sich dabei häufig um Frauen aus ost- und mitteleuropäischen EU-Mitgliedsstaaten, die überwiegend über Agenturen nach Deutschland vermittelt werden. Genaue Zahlen liegen nicht vor, auch weil in Privathaushalten ein großer Anteil an irregulärer Beschäftigung vermutet wird.
Die Gewerkschaft Verdi, die die Klägerin unterstützte, spricht von teilweise ausbeuterischen Zuständen. Auch der Bundesverband der Betreuungsdienste und das Deutsche Institut für Menschenrechte beklagen teils rechtlich unhaltbare Arbeitsbedingungen. Die Frauen verdienten wenig Geld, arbeiteten rund um die Uhr, hätten keine Urlaubsanspruch und oft auch keine Privatsphäre.
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