Politik

Verbotspläne für „Konversions­therapien“ verschärft

  • Mittwoch, 18. Dezember 2019
Männer halten sich an den Händen mit einem Armband mit Regenbogenmuster. /nito, Adobe.Stock.com
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Berlin – Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) hat seine Pläne für ein Verbot so­genannter „Konversionstherapien“ gegen Homosexualität verschärft. Im Kabinettsent­wurf, der heute beschlossen wurde, ist nun ein Verbot bei allen Minderjährigen bis 18 Jahre vorgesehen.

Ursprünglich war noch eine Ausnahme für Heranwachsende ange­dacht. Gerade in dieser Altersphase fänden aber die meisten Therapieversuche statt, hieß es zur Begründung der Verschärfung.

Strafen sollen auch drohen, wenn die Betroffenen zwar schon volljährig sind, aber zum Beispiel durch Zwang, Droh­ung oder Täuschung zu einer solchen „Behandlung“ verleitet oder nicht über die „Schäd­lichkeit der Behandlung“ aufgeklärt wurden, hieß es heute vom Bundesministerium für Gesundheit (BMG). Auch das öffentliche Bewerben, Anbieten und Vermitteln solcher Methoden soll künftig verboten sein.

Das Verbot soll dem Gesetzentwurf zufolge im Strafrecht verankert werden. Verstöße ge­gen das Verbot von Konversi­ons­behandlungen werden demnach mit einer Freiheitsstrafe von bis zu einem Jahr be­straft. Eine Missachtung des Verbots der Werbung, des Anbietens und Vermittelns kann mit einem Bußgeld von bis zu 30.000 Euro geahndet werden.

„Homosexualität ist keine Krankheit. Daher ist schon der Begriff Therapie irreführend“, sagte Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU). Durch Konversionstherapien entste­he oft schweres körperliches und seelisches Leid. „Diese angebliche Therapie macht krank und nicht gesund.“ Ein Verbot sei auch ein wichtiges gesellschaftliches Zeichen an alle, die mit ihrer Homosexualität haderten: „Es ist ok, so wie du bist.“

Unterstützung erhielt Spahn heute von der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK). „Der Gesetzentwurf ist ein wichtiges gesellschaftspolitisches Signal, die Diskriminierung und Stigmatisierung von Homosexualität und Transgeschlechtlichkeit nicht zu tolerieren“, erklärte BPtK-Präsident Dietrich Munz. Behandlungen von Homosexualität stellten einen erheblichen Verstoß gegen das psy­cho­therapeutische Berufsrecht dar. Die BPtK sprach sich sogar für ein Schutzalter bis 21 Jahre aus.

Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) plädierte heute für Nachbesserungen be­züg­lich der Schutzaltersgrenze, der nichtöffentlichen Werbung sowie bei den Ausnah­mere­gelungen hinsichtlich der Strafbarkeit. Für den LSVD ist zudem klar, dass es neben dem gesetzlichen Verbot für die effektive Ächtung ein Maßnahmenpaket brauche.

Die Bundes­ärzte­kammer (BÄK) hatte immer wieder betont, dass Homosexualität keine Erkrankung ist und keiner Heilung bedarf. Direkte und indirekte Diskriminierung und Stigmatisierung von Menschen aufgrund ihrer sexuellen Orientierung seien aller­dings häufige Ursachen für psychische und physische Erkrankungen, hatte der ehemalige BÄK-Präsident Frank Ulrich Montgomery bereits vor einigen Jahren eine Stellungnahme der 64. Generalversammlung des Weltärztebundes vom Oktober 2013 zusammengefasst.

Darin lehnten die Delegierten des Weltärztebundes sogenannte Reparations- bezie­hungs­weise Konversionstherapien strikt ab. Diese seien nicht nur unwirksam, sie könnten sich sogar negativ auf die Gesundheit auswirken.

Langer Prozess

Der BPtK zufolge ist dem heutigen heilberuflichen Konsens ein langer und schwieriger politischer Emanzipationsprozess insbesondere der frühen homosexuellen Emanzipa­ti­ons­bewegung vorausgegangen.

Erst das öffentliche Auftreten der Schwulen- und Lesbenbewegung gegen die Diskrimi­nie­rung ihrer sexuellen Orientierung habe dazu geführt, dass auch die Wissenschaft dies­be­züg­lich ihre pathologisierende Einstellung geändert habe. 1973 sei Homosexu­alität aus dem US-amerikanischen Handbuch der psychischen Störungen (DSM) gestrichen worden.

Danach dauerte es bis 1991, bis auch in der WHO-Klassifikation (ICD-10) Homosexualität nicht mehr als psychische Störung aufgeführt wurde. Transsexualität wurde laut BPtK so­gar erst in der im Mai 2019 verabschiedeten ICD-11 von der Liste der psychischen Erkran­kungen genommen.

„Aus Sicht der deutschen Psychotherapeutenschaft ist es bedrückend, dass diese Katego­risierungen mit dazu beitragen, dass homosexuelle und transgeschlechtliche Menschen diskriminiert, stigmatisiert und Gewalt ausgesetzt waren und weiterhin sind“, erklärte Munz.

Das Gesetz soll nach Angaben des Bundesgesundheitsministeriums voraussichtlich Mitte nächsten Jahres in Kraft treten. Im Bundesrat sei keine Zustimmung notwendig, hieß es aus dem Ministerium.

dpa/kna/may

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