Versorgung von Frakturen im Alter braucht neue Konzepte

Berlin – Die Zahl älterer Menschen steigt stetig – dies verändert auch die Anforderungen an die Prävention, Behandlung und Rehabilitation von Frakturen im Alter. Darauf weisen Experten der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) in einer neuen Ausgabe ihres „Weißbuches Alterstraumatologie und Orthogeriatrie“ hin. Die erste Ausgabe des Weißbuches war 2018 erschienen.
Im Jahr 2019 wurden laut Weißbuch etwa 431.000 Personen über 65 Jahre aufgrund einer Fraktur am Oberarm, Unterarm, den Wirbelkörpern, dem Becken und der Hüfte behandelt. Hüftfrakturen führten mit 39 Prozent am häufigsten zu einer stationären Behandlung.
Dies entspricht rund 168.000 Behandlungen. „Wir erwarten in zehn Jahren sicherlich rund 250.000 hüftgelenksnahe Femurfrakturen in Deutschland“, umriss Ulrich Liener, Leiter der DGU-Sektion Alterstraumatologie und Leiter der Klinik für Orthopädie und Unfallchirurgie Marienhospital Stuttgart, die Herausforderung.
Gleichzeitig werde sich die Zahl der Kliniken voraussichtlich deutlich vermindern. „Wir werden also deutlich mehr Patienten in deutlich weniger Einrichtungen versorgen müssen“, so der Experte. Wichtige Konzepte dafür seien unter anderem, die Telemedizin auszubauen – zum Beispiel im Rahmen der Traumanetzwerke, die ein gestuftes Vorgehen bei der Versorgung ermöglichen. Nötig sei außerdem eine bessere und breitere Prävention von osteoporosebedingten Frakturen.
Viele ältere Patienten, die in der Klinik wegen einer Fraktur behandelt werden, haben zahlreiche weitere Erkrankungen und nehmen zum Teil sehr viele Medikamente ein. Darauf wies Rainer Wirth bei der Vorstellung des Weißbuches hin. Er ist Präsident der Deutschen Gesellschaft für Geriatrie (DGG) und Direktor der Klinik für Altersmedizin und Frührehabilitation des Marien Hospitals Herne – Universitätsklinikum der Ruhr-Universität Bochum.
Dies sei ein wichtiger Grund dafür, dass ältere Patienten mit Frakturen nach Möglichkeit stets von einem interdisziplinären Team betreut werden sollten, dem an zentraler Stelle auch Geriater angehören. Dies werde in den rund 130 alterstraumatologischen Zentren in Deutschland in strukturierter Weise praktiziert.
„Die Ergebnisse des PROFinD2- Konsortiums, das Daten von mehr als 50.000 Patienten untersucht hat, zeigen, dass sich die 30-Tage-Mortalität um 20 Prozent reduziert, wenn Patienten von interdisziplinärren Teams alterstraumatologisch betreut werden“, heißt es dazu in dem Weißbuch – die Studie dazu ist 2020 im Deutschen Ärzteblatt erschienen (DOI: 10.3238/arztebl.2020.0053).
Bei der Vorstellung des Buches forderten die Experten daher, diese Kosten bei der Vergütung der Kliniken adäquat abzubilden, um eine möglichst hochwertige Versorgung der Patienten zu ermöglichen.
Ein solches orthogeriatrisches Co-Management ist aber nicht nur bei der Versorgung von Traumata bei älteren Menschen sinnvoll, sondern sehr häufig auch bei elektiven Eingriffen wegen Hüft- oder Knieendoprothesen.
Darauf wies Dieter Wirtz hin, Past-Präsident der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Unfallchirurgie (DGOU) und der Deutschen Gesellschaft für Orthopädie und Orthopädische Chirurgie (DGOOC) sowie Direktor der Klinik und Poliklinik für Orthopädie und Unfallchirurgie am Universitätsklinikum Bonn.
„Entscheidend für die erfolgreiche Behandlung der orthogeriatrischen Patienten ist – analog in der Behandlung der alterstraumatologischen Patienten – das Vorhandensein eines interdisziplinären Teams, das in der Lage ist, sowohl die orthopädische Erkrankung therapeutisch (konservativ und operativ) als auch die geriatrische Multimorbidität und damit bedingte erhöhte Vulnerabilität zu adressieren“, heißt es dazu in dem Weißbuch.
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