Vertragsärzte blicken pessimistisch auf Gesetzgebung

Berlin – Die Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) blickt pessimistisch auf die aktuellen gesundheitspolitischen Vorhaben der Bundesregierung. Es gebe noch eine „leise Hoffnung“, dass in dieser Legislaturperiode die Entbudgetierung für Hausärztinnen und Hausärzte komme, erklärte Stefan Hofmeister, stellvertretender KBV-Vorsitzender.
Neben vielen „schädlichen Dingen“ für die Versorgung – dazu zählt er die geplanten Primärversorgungszentren, die Gesundheitskioske oder auch die Gesundheitsregionen – gebe es in dem Gesundheitsversorgungsstärkungsgesetz (GVSG) aber auch wichtige, wenn auch kleine Bausteine. Dazu gehöre die Bagatellgrenze bei Regressen. Mit der Grenze von 300 Euro würden rund 70 Prozent der Regresse in der ambulanten Versorgung wegfallen.
Für den KBV-Vorstandsvorsitzenden Andreas Gassen ist es fraglich, ob „überhaupt noch Gesetze über die Rampe gehen“. Damit spielte er auf alle Gesetzesvorhaben des Bundesgesundheitsministeriums an – dazu gehören auch die Krankenhausreform, das GVSG sowie die vier Gesetze, die heute vom Kabinett beschlossen wurden.
Medizin gehört nicht in das Sozialgesetzbuch
Deutliche Kritik äußerten die drei Vorstände am „Gesunden-Herz-Gesetz“, das am vergangenen Montag in einer nicht öffentlichen Fachanhörung beraten worden ist.
„Man kann Medizin nicht ins Sozialgesetzbuch V schreiben“, sagte Vorstandsmitglied Sibylle Steiner, die für die KBV an der Anhörung teilgenommen hatte. Mit dem Gesetz würden die Grundsätze der hiesigen Gesundheitspolitik und Selbstverwaltung aus den Angeln gehoben, besonders bei den Themen Methoden, Evidenz und Wirtschaftlichkeit.
Mit dem heutigen Kabinettsbeschluss des Gesundheits-Digitalagentur-Gesetzes (GDAG) sei die KBV allerdings zufrieden: „Hier wird erstmals die Benutzerfreundlichkeit von digitalen Anwendungen in das Sozialgesetzbuch V aufgenommen", so Steiner. „Wir hoffen, dass mit den Änderungen, die im Gesetz vorgesehen sind, sich die Digitalisierung im Gesundheitswesen weg vom Feldweg hin zu einer Bundesstraße entwickelt.“ Bis zu einer Datenautobahn brauche es aber noch mehr Zeit.
Steiner kritisierte allerdings, dass weiterhin Sanktionen für diejenigen bestehen, die über ihre PVS-Systeme die Telematikinfrastruktur vorhalten müssten. Die niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte seien abhängig vom reibungslosen Funktionieren der TI und den PVS-Systemen und müssten dennoch weiterhin Sanktionen fürchten.
Insgesamt wünscht sich die KBV „mehr Ruhe, die nötige Sorgfalt und mehr Dialog mit den Betroffenen“ für die Arbeit an Gesetzen. „Dabei kann mit Dialog nicht gemeint sein, dass man zu einem Termin gebeten wird und der Minister rezitiert dort nur“, so Hofmeister.
Wahltarifmodell für eine bessere Patientensteuerung
Eine sinnvolle Patientensteuerung ist nach Ansicht der KBV für die künftige Sicherstellung der Gesundheitsversorgung zwingend notwendig. Für Gassen ist dafür ein Wahltarifmodell der Krankenkassen sinnvoll. Gerade für die ältere Bevölkerungsgruppe, die komplexe Erkrankungen und kontinuierliche Betreuung benötigen, sei dies interessant. „Wir wollen allerdings kein Primärarztmodell verpflichtend, sondern ein Angebot für alle GKV-Patienten.“
Denn wenn es stimme, dass ein Steuerungsmodell wie die hausarztzentrierte Versorgung für alle Beteiligten Vorteile bringe, warum solle man dann nicht auch die Gebietsärzte mit einbeziehen. Bei einer spezifischen chronischen Erkrankung könne und müsse zum Teil auch ein Gebietsarzt der erste Ansprechpartner sein.
Hofmeister sieht hierbei auch weniger eine inhaltliche Diskussion, wer der richtige Ansprechpartner ist. Es sei die Aufgabe der Versicherungen zu kalkulieren, wie dieser Wahltarif am besten funktioniert und rechnet. „Man muss einfach sagen, wenn der Patient bereit ist, sich im System steuern zu lassen, dann gibt es die Rückerstattung", erklärte Hofmeister.
Ende des Sommers werden auch die jährlichen Honorarverhandlungen zwischen KBV und GKV-Spitzenverband stattfinden – in diesem Jahr unter neuen Vorzeichen: „Letztes Jahr haben wir im Bewertungsausschuss beschlossen, dass die Tarifsteigerungen bei den Medizinischen Fachangestellten nicht erst nach zwei Jahren in die Berechnungen integriert werden, sondern nach dem aktuellen Tarifvertrag", sagte Gassen.
Personalkosten seien der Treiber der Kosten in der Arztpraxis, zudem würden viele Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter immer mehr von Krankenhäusern abgeworben. „Das zwingt die Praxen, wenn sie noch Mitarbeiterinnen haben wollen, die Gehälter deutlich schneller deutlich höher zu heben.“
Allerdings könne die Tarifsteigerung von rund sieben Prozent nicht eins zu eins angerechnet werden. „Die Kostenleistung bei der ärztlichen Leistung macht nur 45 Prozent aus. Und davon sind die Gehälter der Helferinnen rund die Hälfte. Daher wäre die Forderung zum Orientierungswert nur ein Viertel.“
Tarifsteigerungen im stationären Bereich müssen bei Honorarverhandlungen Thema sein
Weitere Kostentreiber seien die Inflation oder auch die Strompreise. Noch mehr allerdings die Tarifabschlüsse für Ärztinnen und Ärzte, die der Marburger Bund in Kliniken in den vergangenen Monaten durchgesetzt habe. Dies bleibe ein Diskussionspunkt auch für die Niedergelassenen und ständiger Dissens mit den Kassen, die das kalkulatorische Arztgehalt nicht anerkennen würden.
Hier will die KBV bei den Verhandlungen mit dem GKV-Spitzenverband ähnliche Honorarsteigerungen erreichen. Die Krankenkassen lehnen aber diese Argumentation ab. „Es macht wenig Sinn, nun 20 Prozent zu fordern, denn es gibt keinen Mechanismus im Gesetz, der solche eine Forderung begründen würde“, so Gassen. Er geht davon aus, dass auch in diesem Jahr der Honorarabschluss vom Schiedsamt festgelegt wird.
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