Honorarrunde: Auftaktgespräche lassen schwierige Verhandlungen erahnen

Berlin – Der Auftakt um die Honorare der niedergelassenen Vertragsärzte für das kommende Jahr ist gemacht. Kassenärztliche Bundesvereinigung (KBV) und GKV-Spitzenverband tauschten heute am Sitz der Kassen in Berlin im Bewertungsausschuss ihre Positionen zur Anpassung des Orientierungswertes (OW) aus. Danach ging man wieder auseinander.
Der Sitzung vorausgegangen waren bereits zahlreiche vorbereitende Treffen auf der Arbeitsebene von KBV und GKV-Spitzenverband. Mit welchen Vorstellungen KBV und GKV-Spitzenverband in die Gespräche gegangen sind, wollten beide Seiten heute auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes allerdings nicht offen auf den Tisch legen.
„Bitte haben Sie Verständnis dafür, dass wir uns zu den Honorarverhandlungen, deren erste Runde heute bei uns im Haus stattfand, inhaltlich nicht äußern“, sagte ein Sprecher des GKV-Spitzenverbands. Man werde „im Rahmen laufender Verhandlungen noch nicht über Details berichten“, sagte ein KBV-Sprecher.
Die Spitze der KBV zeigte sich heute aber „enttäuscht“ und deutete schwierige Gespräche an. Wie der KBV- Vorstandsvorsitzende Andreas Gassen und die Vorstände Stephan Hofmeister und Sibylle Steiner betonten, ziehe es sich „wie ein roter Faden“ durch, dass die Kassenseite die ärztliche Leistung im Rahmen der Anhebung des Orientierungswertes überhaupt nicht berücksichtigen wolle.
Der GKV-Spitzenverband verweise auf die hohen finanziellen Belastungen, die ihr durch Krankenhausreform und andere gesetzgeberische Maßnahmen aufgebürdet würden, hieß es. „Doch das kann und darf nicht das Problem der Praxen sein“, so die KBV-Vorstände. Es scheine aber „immerhin“ eine Annäherung bei den technischen Leistungen zu geben, worunter unter anderem die Personalkosten der medizinischen Fachangestellten fielen.
Vom GKV-Spitzenverband hieß es, die Herausforderung zu einer gütlichen Einigung zu kommen sei groß, denn die Interessen lägen „weit auseinander“, wie der Sprecher der Kassenseite sagte. Auf der einen Seite stünden die gestiegenen Kosten für den Praxisbetrieb und das Interesse der Ärzteschaft an höheren Einkommen, auf der anderen Seite seien die Versicherten, deren Beitragszahlungen die ärztlichen Honorare finanzierten. „Steigende Arzthonorare führen bei bereits in diesem Jahr gestiegenen Krankenkassenbeiträgen erneut zu höheren Kosten für Versicherte und ihre Arbeitgeber.“
Nächste Woche zweite Runde
Die Finanzierungsverhandlungen sollen in der nächsten Woche fortgesetzt werden. Der Rahmen dafür ist – anders als bei Tarifverhandlungen – einem gesetzlich engen Korsett unterworfen. Im entsprechenden Paragrafen des Sozialgesetzbuches V (SGB V) ist geregelt, welche Faktoren für die Anpassung des OW berücksichtigt werden können.
Die Verhandlungen werden von den Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) mit Argusaugen beobachtet. Aus Sicht der KV Rheinland-Pfalz muss die Steigerung des Orientierungswerts „endlich die tatsächliche Ausgabenentwicklung in den Praxen abbilden“. Die steigenden Personalkosten, die Mieten inklusive Nebenkosten und Dienstleistungen, beispielsweise zur Wartung und Hygiene müssten dabei „vollständig berücksichtigt werden“, hieß es.
Ein Ergebnis unter acht Prozent Steigerung des Orientierungswerts bezeichnete der stellvertretende KV-RLP-Vorstandsvorsitzende, Andreas Bartels, als „nicht hinnehmbar“. Dies würde nach den Jahren 2023 und 2024, in denen es nur zu marginalen und nicht am Bedarf orientierten Honorarsteigerungen gekommen sei, zu einer weiteren eklatanten wirtschaftlichen Verschlechterung in den Praxen führen.
„Die Kosten sind für die Arztpraxen massiv gestiegen, die Honorare in den vergangenen Jahren hingegen nicht“, betonte auch der Vorstandsvorsitzende der KV Baden-Württemberg (KVBW), Karsten Braun. Die Gehälter für die Medizinischen Fachangestellten, Raumkosten und vieles mehr hätten sich „stark erhöht“. Die Konsequenzen seien, dass sich die wirtschaftliche Situation verschlechtere.
Das habe „fatale Konsequenzen für die Versorgung“. Schon heute bestehe ein wesentliches Problem in der Versorgung darin, dass es immer weniger junge Ärztinnen und Ärzte gebe, die in eine Praxis einsteigen oder sie übernehmen wollten.
„Wir suchen händeringend nach Ärztinnen und Ärzten, die das unternehmerische Risiko übernehmen und andere Ärzte anstellen“, sagte er. Die Zahl der Mitglieder, die als Angestellte tätig seien, habe sich in den vergangenen Jahren stark erhöht. Aber dafür brauche es auf der anderen Seite auch Ärzte, die die Funktion als Unternehmer und Arbeitgeber übernähmen. „Gerade diese Konstellation bringt Risiken mit sich, die viele Ärzte nicht übernehmen möchten.“
Das Risiko, bei angestellten Ärzten Verluste zu schreiben, sei einfach zu hoch. Braun weiter: „Das Problem zieht weitere Kreise. Denn auch die Kommunen klagen darüber, dass sie beispielsweise kommunale Versorgungszentren nicht kostendeckend betreiben können.“
Braun erinnert daran, welchen Stellenwert die ambulant tätigen Ärzte und Psychotherapeuten für die Versorgung haben. „Wir reden hier über das Rückgrat der medizinischen Versorgung in Deutschland. Über 90 Prozent aller medizinischen Behandlungen finden in einer Praxis statt. Hier wird die große Masse behandelt.“ Er warnt daher davor, die Praxen wirtschaftlich ausbluten zu lassen. „Wir brauchen dringend auch finanziell attraktive Rahmenbedingungen.“
Der Vorstandsvorsitzende der KV Nordrhein, Frank Bergmann, sieht die Politik gefordert. Die gesetzlichen Rahmenbedingungen müssten so angepasst werden, dass Ärzte und Psychotherapeuten, die täglich die Versicherten behandelten, sich auf eine adäquate, die Kostenstrukturen krisenfest abbildende Finanzierung verlassen können und nicht ins Hintertreffen gegenüber den Krankenhäusern gerieten.
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