Ärzteschaft

Vertragsärzte in NRW gehen mit Stufenkonzept gegen die Omikron-Welle vor

  • Mittwoch, 2. Februar 2022
/picture alliance, Christian Charisius
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Dortmund – Die Vertragsärzte in Nordrhein-Westfalen (NRW) bereiten sich auf die Omikron-Welle der Coronaviruspandemie vor. Die Kassenärztlichen Vereinigungen Westfalen-Lippe (KVWL) und Nordrhein (KVNO) haben zusammen mit dem NRW-Gesundheitsministerium ein mehrstufiges Konzept entwickelt, mit dem sie die ambulante Patientenversorgung während dieser Phase der Pandemie sicherstellen wol­len. Geplant sind unter anderem ein Monitoring der Regelversorgung, ein Praxisausfallmanagement und zusätzliche Infektsprechstunden.

„Es gibt in der Politik die Sorge, wie denn bei der ansteigenden Omikron-Welle die flächendeckende Ver­sorgung in den Praxen und in den Notdienstpraxen gewährleistet und die Sicherstellung der ambu­lan­ten Versorgung fortgeführt werden kann“, sagte Dirk Spelmeyer in der jüngsten Sitzung der Vertreter­ver­samm­lung (VV) der KVWL, die pandemiebedingt als Videokonferenz über das Internet ausgerichtet wor­den war. „Wir hatten daher viele Diskussionen mit dem Landesgesundheitsministerium und haben ihm zusammen mit der KVNO ein Stufenmodell vorgestellt“, berichtete der Vorstandsvorsitzende der KVWL.

Inzwischen hat das Ministerium dem Modell zugestimmt und seine Unterstützung zugesagt. Demnach soll in diesem Monat, in dem der Höhepunkt der Omikron-Welle und damit eine große Zahl an Infizierten und Erkrankten erwartet wird, die Sicherstellung der ambulanten Versorgung in drei Stufen gewährleis­tet werden. Ziel ist es, eine zusätzliche Belastung von Krankenhäusern und ihrer Ambulanzen zu verhin­dern.

In der ersten Stufe sind ein Monitoring der Regelversorgung und ein Praxisausfallmanagement geplant. „Sollte es aufgrund von Infektionen beim Personal zu Praxisschließungen kommen, müssen wir einen Überblick haben, welche Praxen vom Netz gehen“, führte Spelmeyer aus. „Die betroffenen Praxen sollen ihre Ausfälle an die jeweilige Bezirksstelle melden und die Bezirksstellen melden das dann an uns, so dass wir wissen, wer noch in der Fläche tätig ist und wer nicht.“ Praxen, die ausfallen, sollen vor Ort eine Vertretung organisieren.

Monitoring von Notdienstpraxen nach dem Ampelsystem

Für die Notdienstpraxen ist nach Angaben des KVWL-Chefs ein Monitoring nach dem Ampelsystem ge­plant. Dabei bedeute „Grün“, dass alles in Ordnung ist, „Gelb“, dass Personalmangel herrscht, und „Rot“ steht für die Schließung. Die Vertretung soll durch die Ärztinnen und Ärzte selbst organisiert werden, gegebenenfalls auch durch die zuständigen Bezirksstellen und die gemeinsame Arztrufzentrale (ARZ) von KVWL und KVNO.

Die Vertretung von ausfallenden medizinischen Fachangestellten (MFA) in den Notdienstpraxen soll durch die Notdienstkoordinatorinnen organisiert werden. Spelmeyer geht davon aus, dass sich das Ampelsystem „gut durchführen lassen“ wird.

Die zweite Stufe des Sicherstellungskonzepts sieht zunächst eine Ausweitung des ambulanten Versor­gungsangebots vor. Demnach sollen Praxen, die an dieser Ausweitung teilnehmen wollen, mittwoch­nachmittags und samstags „Coronainfektsprechstunden“ anbieten. „Wir werden keine Bedarfsprüfung machen und auch nicht die Versorgungslage prüfen“, sagte der KVWL-Chef. Die Teilnahme an der Aus­weitung der Versorgung sei freiwillig.

Mehr als 100 Praxen wollen Versorgung ausweiten

Inzwischen haben sich mehr als 100 Praxen in Westfalen-Lippe dazu bereit erklärt, zusätzliche Infekt­sprechstunden anzubieten – Tendenz steigend. „Das ist ein großartiges Zeichen aus der Ärzteschaft“, freute sich Volker Schrage.

„Wie schnell und entschlossen die Kolleginnen und Kollegen und die Medizinischen Fachangestellten einmal mehr agieren, macht uns stolz. Genau diesen Zusammenhalt werden wir im Kampf gegen die Pandemie weiter benötigen“, so der stellvertretende Vorstandsvorsit­zender der KVWL.

Die Sprechstunden sollen sich über mindestens vier Zeitstunden erstrecken und mit 600 Euro vergütet werden. Abgerechnet werden sollen sie pauschal über eine eigene Abrechnungskennziffer. Nach Ein­schät­zung Spelmeyers wird die Vergütung der zusätzlichen Sprechstunden „schmerzhaft“ sein, „weil wir sie aus unserem Budget nehmen müssen“.

Zusätzliches Geld von den Krankenkassen gebe es nicht. „Die Vergütung wird aber keine spürbaren Aus­wirkungen auf die Regelleistungsvolumina haben.“ Das Beneh­men mit den Krankenkassen über eine entsprechende Änderung des Honorarverteilungs­maßstabs (HVM) sei trotz der Kürze der Zeit bereits hergestellt worden.

Der KVWL-Chef appellierte eindringlich an die Mitglieder der VV, der geplanten HVM-Änderung zuzu­stimmen. „Wenn wir nicht Flagge zeigen und es nicht schaffen, unseren Standpunkt zu vertreten, wird das Impfen nur der erste Prozess sein, den man uns wegnimmt“, ist er mit Blick auf die geplanten und bereits bestehenden Impfangebote durch Apotheker, Zahn- und Tierärzte überzeugt. Mit einer Zustimmung kön­ne die KVWL hingegen „Flagge zeigen“: „Wir können nicht nur impfen, wir können auch die Sicherstellung gewährleisten.“ Die VV folgte seinem Appell und verabschiedete die HVM-Änderung.

Pool- und Privatärzte sollen Vertragsärzte vertreten

Die zweite Stufe des Sicherstellungskonzepts sieht darüber hinaus die Akquise von Pool- und Privatärzt­en für eine Vertretung in Vertragsarztpraxen und im Notdienst vor. Ärzte aus dem Portal für Impfärzte sollen für diese Vertretung hingegen nicht vermittelt werden, um den Fort­schritt der Impfkampagne nicht zu gefährden. Außerdem soll die ARZ mit einem ärztlichen Hintergrund­dienst besetzt werden, „um Kontakte in den Praxen und den Notdienstpraxen zu verringern“, erläuterte Spelmeyer.

Die dritte Stufe des Konzepts sei auf Wunsch der KVNO aufgenommen worden. Sie sieht die Prüfung und Planung weiterer Maßnahmen zur Entlastung der Krankenhäuser durch das NRW-Gesundheitsministe­rium vor. „Wir sind der Auffassung, dass uns das nicht weiterbringt“, betonte der KVWL-Chef.

ts

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