Medizin

Videostörungen könnten Vertrauen in Telemedizin beeinträchtigen

  • Mittwoch, 3. Dezember 2025
/insta_photos, stock.adobe.com
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New York/Ithaca – Wenn das Bild während eines Videotelefonats einfriert oder der Ton Aussetzer hat, ist das nicht nur lästig – es könnte im medizinischen Kontext auch das Vertrauen der erteilten Ratschläge senken. Das legt zumindest die Studie einer US-Forschungsgruppe nahe, deren Ergebnisse in Nature (2025; DOI: 10.1038/s41586-025-09823-0) veröffentlicht wurden.

Spätestens seit der Coronapandemie haben Videokonferenzen in unterschiedlichsten Bereichen das persönliche Gespräch ersetzt, auch im medizinischen Rahmen wird diese Form der digitalen Kommunikation immer wichtiger. Verbindungsprobleme können allerdings zu einer ganzen Reihe von Störungen solcher Telefonate führen, darunter eingefrorene Bilder sowie verzerrter oder verzögerter Ton.

Melanie Brucks (Columbia University), Jacqueline Rifkin (Cornell University) und Jeff Johnson (University of Missouri-Kansas City) haben nun in mehreren Experimenten untersucht, wie sich derartige Störungen – Glitches genannt – auswirken.

Telehealth-Webinar: Vertrauen sinkt

2 der Experimente beschäftigten sich mit Videotelefonaten im medizinischen Kontext: Im 1. nahmen 287 Probandinnen und Probanden (Durchschnittsalter 24,41 Jahre; 206 Frauen, 74 Männer, 8 ohne Angabe) in 2 Gruppen an einem simulierten Live-Telegesundheits-Webinar teil. Darin wurde über die Vorteile von Sonnenschutz aufgeklärt und dazu aufgerufen, diesen regelmäßig zu nutzen. Die eine Gruppe sah das Webinar störungsfrei, bei der anderen fror das Bild 4-mal kurz ein. Auf YouTube lässt sich nachsehen, wie die Bildeinfrierungen aussahen.

Im Anschluss gaben die Teilnehmenden auf einer Skala von 1 (überhaupt nicht vertrauenswürdig) bis 7 (sehr vertrauenswürdig) an, wie sehr sie den Ratschlägen der Gesundheitsfachkraft vertrauen – mit messbaren Unterschieden: So lag der Vertrauenswert in der Kontrollgruppe bei 5,05 (SD = 1,12), während er in der Gruppe mit Bildstörungen auf 4,76 (SD = 1,25) sank; der Unterschied war statistisch signifikant (p = 0,040) – obwohl der Informationsgehalt in beiden Versionen gleich war.

Aufzeichnung: Weniger Bereitschaft zur Zusammenarbeit

Im zweiten gesundheitsbezogenen Experiment schauten sich 497 Personen, aufgeteilt in 2 Gruppen, eine aufgezeichnete medizinische Beratung an. Die Teilnehmenden (Durchschnittsalter 40,71 Jahre; 275 Frauen, 215 Männer, 7 ohne Angabe) wurden darüber informiert, dass sie die Aufzeichnung eines Gesprächs zwischen einem Gesundheitsfachmann und einer potenziellen neuen Kundin oder einem potenziellen neuen Kunden sehen würden, deren oder dessen Perspektive sie einnehmen würden.

Auch hier beinhaltete das Video der einen Gruppe Bildeinfrierungen. Im Anschluss wurden die Teilnehmenden gefragt, ob sie mit dieser Gesundheitsfachkraft arbeiten wollen würden. Dies bejahten 77 % in der Gruppe mit dem störungsfreien Video, aber nur 61 % in der Gruppe mit den Glitches.

In diesem Experiment untersuchten die Forschenden auch die Hypothese, dass Störungen, weil sie die Illusion des persönlichen Kontakts brechen, ein Gefühl des Unbehagens auslösen und folglich die Kommunikationsergebnisse beeinträchtigen. Dazu gaben die Teilnehmenden wieder auf einer Skala von 1 bis 7 an, wie irritierend, unheimlich oder seltsam sie das Video erlebten.

Hier zeigte sich, dass sich die Teilnehmenden mit dem gestörten Video unbehaglicher fühlten (M = 2,89, SD = 1,59) als die Teilnehmenden, die das störungsfreie Video gesehen hatten (M = 2,06, SD = 1,29) – für die Forschenden ein erster Hinweis darauf, dass jenes Unbehagen eine zentrale Rolle für die Entscheidung der Probandinnen und Probanden spielen könnte bei der Frage, ob sie mit der Gesundheitsfachkraft weiterarbeiten wollen oder ihr vertrauen.

Weitere digitale Kontexte betroffen

In weiteren Experimenten untersuchten die Forschenden die Auswirkungen von Glitches in digitalen Vorstellungsgesprächen, Onlinegerichtsverhandlungen oder finanziellen Beratungsgesprächen – mit ähnlichen Ergebnissen. So führten Störungen in Bild oder Ton etwa dazu, dass Kandidatinnen oder Kandidaten in simulierten Bewerbungsgesprächen seltener für eine Einstellung empfohlen wurden, während Glitches in simulierten Bewährungsanhörungen die Chancen der Antragstellenden senkten.

Mit Blick auf den Effekt von Bild- und Tonhängern stellt das Forschungstrio fest: „Dieser abrupte Wechsel löst Unbehagen aus, das sich auf unsere Urteilsfähigkeit überträgt.“ Beispielsweise verringere eine Störung und das damit verbundene Gefühl des Unbehagens das Vertrauen in Telemedizinerinnen und Telemediziner und die Bereitschaft, Bewerber einzustellen. „Somit schafft die größte Stärke von Videoanrufen – die Illusion einer persönlichen Interaktion – auch eine Schwachstelle: Wenn Störungen die Illusion zerstören, leiden zwischenmenschliche Urteile darunter“, schreiben sie.

Für die Praxis der Telemedizin legen die Ergebnisse nahe, dass stabile technische Infrastruktur weit mehr ist als eine Komfortfrage: Verbindungsprobleme können die Wirksamkeit und Akzeptanz medizinischer Beratung unmittelbar beeinflussen.

Unabhängig davon warnen die Forschenden, dass digitale Kommunikation zwar als Segen für Zugänglichkeit gesehen werde, unbeabsichtigt aber Ungleichheit fördern könnte: „Da benachteiligte Gruppen oft über schlechtere Internetverbindungen verfügen, sind sie anfälliger für Störungen und erleben dadurch schlechtere Bedingungen in wichtigen Bereichen wie Gesundheit, Karriere, Justiz und soziale Kontakte.“

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