„Viele benötigen Unterstützung, um sich im Gesundheitswesen zurechtzufinden“
Berlin – Seit heute können sich die Menschen in Deutschland auf einem neuen Gesundheitsportal der Bundesregierung rund ums Thema Gesundheit informieren. Maßgeblich beteiligt war das Institut für Qualität und Wirtschaftlichkeit im Gesundheitswesen (IQWiG). Das Deutsche Ärzteblatt sprach mit Klaus Koch, Leiter des Ressorts Gesundheitsinformation.

5 Fragen an Klaus Koch, Leiter des Ressorts Gesundheitsinformation beim IQWiG
Deutsches Ärzteblatt: Machen die vielen Falschmeldungen in Zeiten der Coronapandemie deutlich wie sehr ein nationales Gesundheitsportal fehlt?
Klaus Koch: Ja und nein. Ja, weil Corona zeigt, dass die große Mehrheit der Menschen sehr wohl ein Interesse an aktuellen, verlässlichen und verständlichen Informationen hat. Und dass es im Internet dazu zentrale und hochwertige Angebote geben sollte.
Nein, weil auch Corona zeigt, dass die Informationen auch auf einem nationalen Gesundheitsportal natürlich nur so gut sein können, wie die wissenschaftlichen Grundlagen. Und bei Corona fehlt eine gute Koordinierung und Priorisierung der Gesundheitsforschung. Diese Kritik gibt es seit Jahren, Corona hat auch hier den Finger in die Wunde gelegt.
DÄ: Wie bewerten Sie das aktuelle Projekt eines Nationalen Gesundheitsportals?
Koch: Endlich geht es los! Deutschland holt hier etwas nach, was für ein Gesundheitswesen unserer Größe und Anspruchs eine Selbstverständlichkeit sein sollte. Was diese Woche startet, ist noch kein fertiges und vollständiges Portal. Das muss in den nächsten Jahren erst noch ausgebaut werden. Ich finde es aber richtig, jetzt mit einer Version 1.0 zu starten – und diese dann laufend auszubauen.
DÄ: Hätte man das etablierte Portal gesundheitsinformation.de dazu „ernennen“ können?
Koch: Die Frage haben wir selbst mit „nein“ beantwortet, als wir 2018 unser Konzept für ein nationales Gesundheitsportal veröffentlicht haben. Gesundheitsinformation.de bietet Informationen zu einem umfassenden Themenkatalog von Gesundheitsfragen.
Das ist wichtig, aber die Menschen haben auch darüber hinaus gehende Fragen, etwa zum Leistungskatalog der Krankenkassen, zu Behandlungsfehlern oder zu Anträgen. Viele Menschen benötigen Unterstützung, um sich im Gesundheitswesen zurechtzufinden.
Deshalb ist es sinnvoll, die besten bestehenden Angebote im Portal so miteinander zu verbinden, dass sich die Stärken ergänzen. Dann ist das Portal mehr als die Summe seiner Partner.
DÄ: Welche Rolle spielt das IQWiG bei der Entwicklung des NG?
Koch: Wir unterstützen den Aufbau seit langem. So hatte uns das Bundesgesundheitsministerium 2017 beauftragt, ein Konzept für ein nationales Gesundheitsportal zu erstellen. Dieses Konzept haben wir im September 2018 veröffentlicht. Aktuell stellen wir für das Portal angepasste Fassungen eines Teils unserer Texte für etwa 150 Krankheiten zur Verfügung. Für vertiefende Informationen verlinkt das Portal auf uns.
Zudem sind wir Mitglied in einer Gruppe deutschsprachiger Internetangebote (unter dem Dach des „Deutschen Netzwerks evidenzbasierte Medizin“), die gemeinsam Anforderungen an gute Qualität definiert und als „Gute Praxis Gesundheitsinformation“ veröffentlicht hat. Diese Standards sind jetzt auch Grundlage für das nationale Gesundheitsportal.
DÄ: Welche Aspekte müssten Ihrer Ansicht nach bei der nun schrittweise erfolgenden Umsetzung besonders im Fokus stehen? Beispielsweise hinsichtlich der Zielgruppen?
Koch: In der Tat: Die Zielgruppen. Die größte Schwierigkeit ist da die Unterschiedlichkeit: Es gibt tausende von Gesundheitsfragen. Und die Ansprüche der Menschen an Breite und Tiefe einer Information sind sehr unterschiedlich.
Wir haben also viele Gruppen, mit eigenen Fragen und Ansprüchen. Darauf sollten wir uns so gut wie möglich einstellen, indem das Portal regelmäßig die Informationsbedürfnisse verschiedener Gruppe erhebt und darauf reagiert.
Und es gibt ja auch etwa ein Drittel der Menschen in Deutschland, die das Internet kaum oder gar nicht für Gesundheitsfragen nutzen, sondern lieber nach wie vor mit Ärzten sprechen oder andere Beratungsangebote nutzen. Das Portal sollte auch die Berater der Gruppen unterstützen, die es selbst nicht erreicht.
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