Viele Preprintstudien zu COVID-19 laut Cochrane von minderer Qualität

Freiburg – Cochrane Deutschland kritisiert die Qualität vieler Studien zur Coronapandemie, die im Augenblick auf Preprintservern veröffentlicht werden. Grundsätzlich ist das Vorveröffentlichen von wichtigen wissenschaftlichen Ergebnissen aber sinnvoll, so die Vereinigung.
„In der Tat sehen wir zur Zeit aus aller Welt eine große Anzahl von Studien zu COVID-19 mit teils erheblichen methodischen Limitationen, beispielsweise ohne Vergleichsgruppen oder mit sehr geringen Teilnehmerzahlen, die auf die Schnelle als Preprint ohne Peer Review veröffentlicht werden“, sagte Jörg Meerpohl, Direktor von Cochrane Deutschland und Direktor des Instituts für Evidenz in der Medizin am Universitätsklinikum Freiburg.
Solche Studien würden dann gelegentlich in sozialen und sonstigen Medien, teils auch durch Wissenschaftler selbst, als wichtige wissenschaftliche Ergebnisse dargestellt, die Entscheidungen in der Gesundheitsversorgung einzelner Patienten oder auch politische Entscheidungen auf Systemebene begründen sollen.
„Dies ist äußerst problematisch, da die Berichterstattung oft die Unsicherheit nicht ausreichend berücksichtigt, die wir in Bezug auf viele Fragen im Zusammenhang mit COVID-19 leider noch immer haben“, so Meerpohl.
In den vergangenen Wochen hat ein öffentlich ausgetragener Streit um die Berichterstattung der BILD über eine Studie zu COVID-19 hohe Wellen geschlagen. Dabei ging es um eine bereits Ende April in Form eines Preprints veröffentlichte Studie eines Forscherteams um den Berliner Virologen Christian Drosten über die Viruslast verschiedener Altersgruppen bei COVID-19.
Die BILD stellt die Ergebnisse und Schlussfolgerungen als „grob falsch“ dar, wurde anschließend aber ihrerseits von einer breiten Front von Wissenschaftlern und Medien scharf kritisiert.
Der Preprint Ansatz ist laut Cochrane deutlich älter als COVID-19. Er kann die Geschwindigkeit erhöhen, mit der Forschungsergebnisse der wissenschaftlichen Welt zugänglich gemacht und verbreitet werden. Gleichzeitig ermöglichten Preprints kritisches Feedback von anderen Forschungsgruppen zum Entwurf der Studie, ehe diese den formalen Begutachtungsprozess einer Fachzeitschrift durchläuft, der mitunter einige Monate dauern könne.
„Im Idealfall steht am Ende eine finale Publikation in einer Fachzeitschrift, die durch Diskussion und Anpassung durch die Autoren in der vorgeschalteten Preprint-Phase bestmöglich Studienergebnisse berichtet und somit verlässliche Evidenz zur untersuchten Fragestellung liefert“, hieß es aus der Cochrane-Vereinigung. „Wir alle – Wissenschaftler, Medien, Öffentlichkeit, Politik – müssen lernen, mit dieser neuen Form der Vorab-Veröffentlichung von Ergebnissen angemessen umzugehen“, plädierte Meerpohl.
Er wies daraufhin, dass auch eine reguläre Veröffentlichung mit Peer Review in einem angesehenen Fachjournal keine absolute Garantie für vertrauenswürdige Forschungsergebnisse sei. Das zeigten zum Beispiel zwei Studien zur Behandlung von COVID-19, die kürzlich von Lancet und dem New England Journal of Medicine zurückgezogen worden seien.
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