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Viele Tote durch fehlende Impfungen und Folgen von Mangelernährung im Jemen

  • Dienstag, 11. Dezember 2018
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New York/Köln – Das UN-Kinderhilfswerk Unicef hat heute mit einem neuen Bericht auf die verzweifelte Lage der Kinder im Jemen aufmerksam gemacht. Fehlende Impfungen und die Folgen von Mangelernährung seien maßgeblich für die Vielzahl an Todesfällen verantwortlich. Alle zehn Minuten stirbt im Jemen ein Kind aus vermeidbaren Gründen, hieß es.

Schätzungsweise sieben Millionen Kinder im Jemen befänden sich derzeit am Rande einer Hungersnot, berichtet Unicef. 1,8 Millionen Kinder unter fünf Jahren seien akut mangelernährt, bei 400.000 von ihnen sei dies lebensbedrohlich. Bei rechtzeitiger Behandlung könnten sich diese Kinder aber schnell erholen. In diesem Jahr seien 230.000 Kinder mit therapeutischer Nahrung behandelt worden.

Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks sind 22 Millionen Menschen im Jemen auf humanitäre Hilfe angewiesen, die Hälfte davon Kinder. Acht Millionen Kinder und ebenso viele Erwachsene hätten keinen verlässlichen Zugang zu Trinkwasser, sanitären Anlagen und ausreichender Hygiene.

„Im Jemen zahlen die Kinder den höchsten Preis für die Unfähigkeit der Erwachsenen, Frieden zu schaffen und die gewaltigen Probleme des Landes zu lösen“, erklärte Georg Graf Waldersee, Vorsitzender von Unicef Deutschland. Seine Organisation beklagt in dem Bericht „schwere Kinderrechtsverletzungen“.

Durch Angriffe seien fast 2.600 Kinder getötet und mehr als 4.100 verletzt worden. Rund 2.700 Jungen seien als Kindersoldaten rekrutiert worden. Zudem seien 325 Fälle von Angriffen auf Schulen oder Zweckentfremdung von Schulen für militärische Zwecke gezählt worden, bei Krankenhäusern sei dies 134 Mal gezählt worden.

Nur die Hälfte der Gesundheitseinrichtungen im Jemen sei noch funktionsfähig. Es fehle an Personal, Ausstattung und Medikamenten. Die Impfraten seien „dramatisch gesunken“, es gebe Ausbrüche von Krankheiten wie Masern und Diphtherie. Das medizinische Personal habe teils seit Monaten keinen Lohn erhalten. Dasselbe gelte für die Lehrer. Hinzu komme der Wertverlust der jemenitischen Währung. Viele Familien könnten sich keine Grundnahrungsmittel mehr leisten.

Die wirtschaftliche Not führe auch zu einem Anstieg von Kinderehen, heißt es in dem Bericht. Denn die „Eltern versuchen, ihre Töchter zu versorgen und vor Übergriffen zu schützen“. Zwei Drittel der Mädchen würden inzwischen vor ihrem 18. Geburtstag verheiratet – 2016 seien es noch 52 Prozent gewesen. Die Zahl der Kinder, die nicht zur Schule gehen, sei von 1,5 Millionen vor Beginn des Konflikts auf zwei Millionen angestiegen.

„Die Zukunft einer ganzen Generation jemenitischer Kinder und Jugendlicher steht auf dem Spiel“, beklagt Unicef. Erfolge sieht die Organisation beim Kampf gegen die Cholera, etwa durch Impfungen: Die Epidemie sei eingedämmt worden, die Zahl der Cholera-Fälle sei auf ein Zehntel des vergangenen Jahres reduziert worden. Seit dem Ausbruch der Durchfallerkrankung im April 2017 bis Ende September 2018 waren laut Unicef mehr als 1,2 Millionen Cholera-Verdachtsfälle gemeldet worden. 2.500 Menschen seien daran gestorben, unter ihnen viele Kinder.

„Alles Leid der Millionen Kinder im Jemen ist vollständig von Menschen gemacht“, beklagte Gert Cappelaere, Unicef-Regionaldirektor für den Mittleren Osten und Nordafrika, der sich vor Ort ein Bild von der Lage gemacht hat. Er forderte die Konfliktparteien auf, „bedingungslos“ humanitäre Hilfe zu ermöglichen.

Wie die Vereinten Nationen gestern erklärten, sind im kommenden Jahr vier Milliarden Dollar (3,5 Milliarden Euro) notwendig, um die humanitäre Krise zu lindern. Damit sollen rund 20 Millionen Menschen versorgt werden, wie UN-Nothilfekoordinator Mark Lowcock in New York sagte. Das entspricht rund 70 Prozent der Bevölkerung des Bürgerkriegslandes.

Eine Geberkonferenz ist am 26. Februar in Genf geplant. Jahr für Jahr steige der Hilfsbedarf für den Jemen um eine Milliarde Dollar, beklagte Lowcock. 2017 benötigten die Vereinten Nationen noch zwei Milliarden Dollar, in diesem Jahr dann drei Milliarden Dollar.

Im Jemen herrscht seit 2014 ein Krieg zwischen den von Saudi-Arabien und anderen arabischen Staaten unterstützten Truppen des Präsidenten Abd Rabbo Mansur Hadi und den Huthi-Rebellen, hinter denen der Iran steht. Nach UN-Angaben wurden bereits mehr als 10.000 Menschen getötet, unter ihnen tausende Zivilisten. In dem Land herrscht laut der UNO die schlimmste humanitäre Krise weltweit. Millionen Kinder leiden an Hunger und Krankheiten.

afp

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