Ärzteschaft

Virchowbund: Proteste gegen Spargesetz notwendig

  • Freitag, 14. Oktober 2022
Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes, auf der Bundeshauptversammlung. /Virchowbund
Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes, auf der Bundeshauptversammlung. /Virchowbund

Berlin – Die ärztlichen Proteste gegen das GKV-Finanzstabilisierungsgesetz seien nicht nur unbedingt not­wen­dig, sondern auch offenbar zumindest teilweise erfolgreich. Das sagte heute Dirk Heinrich, Bundesvorsitzender des Virchowbundes, im Rahmen der Bundeshauptversammlung des Verbandes.

Heinrich verwies diesbezüglich auf laufende politische Verhandlungen. In seinem Lagebericht betonte er, die infrage stehende Neupatientenregelung habe sehr wohl die erwünschte Wirkung erzielt – anderweitige Be­hauptungen aus dem Bundesgesundheitsministerium (BMG) oder seitens der Krankenkassen seien unbelegt. Die geplante Streichung der Neupatientenregelung sei sachlich unbegründet, sozial ungerecht und „politisch verhängnisvoll“.

Erstmals wolle ein Gesundheitsminister aktiv „in den Topf“ der niedergelassenen Ärztinnen und Ärzte greifen. Heinrich kritisierte dies als „eine neue Unart“ – zumal man sich bislang politisch davor drücke, die Einnahme­seite der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) zu reformieren.

Generell sei die aktuelle Gesundheitspolitik von einem Reformstau gekennzeichnet. So seien beispielsweise – beides Inhalte des Koalitionsvertrages – weder von der versprochenen Stärkung der ambulanten Versorgung noch von der Entbudgetierung im hausärztlichen Bereich etwas zu sehen.

Bundesärztekammerpräsident Klaus Reinhardt betonte in seinem Grußwort, es sei trotz „bewegter Zeiten“ wich­tig, langfristige Problemstellungen in den Blick zu nehmen. Dazu gehöre insbesondere, die Freiberuflichkeit der Ärzte zu verteidigen.

Diese werde unter anderem durch eine herrschende „bürokratische Misstrauenskultur“ sowie politisch initiierte Kompetenzverlagerungen – hier verwies er beispielhaft auf die Apotheken – zunehmend „angegriffen“. Eine „weitere Flanke“, von der aus die Freiberuflichkeit bedroht werde, stelle die Kommerzialisierung im Gesund­heitswesen dar, so Reinhardt.

Genau diese Thematik bildete das Schwerpunktthema der vom Virchowbund organisierten Podiumsdiskussion sowie des beschlossenen Leitantrages. In diesem heißt es, das „Paradigma von Wettbewerb, Kosteneinsparun­gen und Effizienzsteigerungen“ bewirke den „Verlust der ärztlichen Freiberuflichkeit und eine Deprofessiona­lisierung des Arztberufes“ durch den immer stärker werdenden Druck von Kapitalinteressen, deren Einfluss auf das Versorgungsgeschehen und damit auf das ärztliche Handeln.

Deshalb müssten Versorgungseinrichtungen kapitalgetriebener Investoren in einen regulativen Rahmen hin­sichtlich Versorgungsverantwortung und der Autonomie ärztlicher Entscheidungen überführt werden. Auch sei Transparenz über die Eignerstruktur, die jeweils wirtschaftlich Berechtigten und die letztendlichen Nutznießer von Gewinnen notwendig.

Generell sei Eigeneinrichtungen durch Kassenärztliche Vereinigungen, genossen­schaftlichen oder gemeinnüt­zi­gen Strukturen im Gesundheitswesen immer der Vorzug zu geben. Zugleich müssten körperschaftliche Struk­turen mit Elementen der Selbstverwaltung und der Rechtsaufsicht auch auf den stationären Bereich ausge­weitet werden, so eine weitere Forderung.

Im Rahmen der Podiumsdiskussion mit politischen Vertretern verschiedener Parteien des Bundestages betonte Heinrich, man werde die Politik „zu Lösungen zwingen“ und bei den drängenden Fragestellungen bezüglich der Zukunftsfähigkeit des Versorgungssystems „dranbleiben“. Dies betreffe neben den Risiken für die Freiberuflich­keit und den Aspekten der Weiterentwicklung der Ambulantisierung auch die Frage nach dem Umgang mit In­vestoren.

Andreas Philippi (SPD), Mitglied im Gesundheitsausschuss, betonte, auch in investorengeführten Einrichtungen müsse die ärztliche „Herrschaft über die Therapie“ gesichert bleiben, alles andere sei „Betrug am System“. Zu­dem müssten gleichberechtigte Lebensbedingungen auch bei einer Einbindung solcher Akteure in die Versor­gung gewahrt bleiben.

Ein „großes Dilemma“ bestehe bei investorengeführten MVZ insbesondere bei der Transparenz, beklagte Armin Grau (Grüne), Mitglied im Gesundheitsausschuss. Man brauche zeitnah ein Strukturregister mit klarer Benen­nung des Letzteigentümers – auf dieser Basis könne man dann bundesweite Analysen zu „Rosinenpickerei“ bei der Leistungserbringung durchführen. Sollten sich dann belastbare Hinweise zu bestimmten Leistungsauswei­tungen oder -einschränkungen ergeben, werde man gesetzgeberisch handeln.

aha

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