Vogelgrippe bei Nerzen: Welche Gefahr besteht jetzt für den Menschen?

Greifswald – Das hochpathogene aviäre Influenzavirus (HPAI), auch bekannt als Vogelgrippe, scheint seine Ausbreitung in Wildvögeln und Zuchtgeflügel immer weiter zu verbessern. Das führte zur bislang größten Epidemie in Europa, die bis heute andauert und aktuell Tiere in 37 Ländern betrifft. In Geflügelfarmen starben 50 Millionen Vögel oder mussten gekeult werden (2022; DOI: 10.2903/j.efsa.2023.7786).
Bei einem HPAI-Ausbruch auf einer Nerzfarm in Spanien kam es vermutlich zur ersten Übertragung zwischen Säugetieren. Dennoch stehe man zu diesem Zeitpunkt nicht kurz vor einer H5-Pandemie, betonte Martin Beer, Leiter des Institut für Virusdiagnostik am Friedrich-Loeffler-Institut bei einer Online-Pressekonferenz.
„Das Virus verbreitet sich wie nie zuvor und verbessert sich zunehmend in Vöglen, es handelt sich um eine Panzootie.“ Dennoch müsse man die Situation verfolgen, da die weitere Entwicklung des Virus sehr schwierig einzuschätzen sei, warnte Beer. Das Virus ändere sich schneller, als man es charakterisieren könne.
Der HPAI-Ausbruch auf einer Nerzfarm mit mehr als 50.000 Tieren in der Region Galicien im Nordwesten Spaniens im Oktober 2022 werde derzeit noch untersucht, berichtete Ursula Höfle vom National Game and Wildlife Research Institute (CSIC-UCLM-JCCM) an der University of Castilla-La Mancha in Spanien. Bisherige Analysen deuten darauf hin, dass sich die Nerze bei Wildvögeln und speziell Möwen infiziert haben könnten, so Höfle.
Es gebe auch Hinweise für eine Transmission von Nerz zu Nerz. „Genomische Daten unterstützen diese Vermutung“, sagte die spanische Veterinärmedizinerin.
Denn sie konnten eine Mutation eines Teils der viralen Polymerase (PB2-Protein) nachweisen, der die Proteaseaktivität der Viren in Säugetierzellen erhöhen kann und somit die Übertragung erleichtere, begründete die Höfle.
„Zum jetzigen Zeitpunkt sieht es so aus, dass es sich um ein isoliertes Ereignis handelt und sich die Nerz zu Nerz Transmission de novo auf der Tierfarm entwickelt hat“, ergänzte Höfle. Das H5N1-Virus hat aber auch bereits andere Säugetiere infiziert. Über Ausbrüche bei Robben im kaspischen Meer in Russland wurde berichtet sowie bei Seelöwen in Peru.
Daten zum Urspung und Transmission lägen noch keine vor, sagte Höfle. Sie geht davon aus, dass es sich auch hier um einzelne Ereignisse handelt. Die Beweise für eine Übertragung von Vögel auf Säugetiere oder von Säugetiere auf Säugetiere würden aber immer mehr.
Tiere könnten beispielsweise durch die Aufnahme von Wildvogelkot oder das Erbeuten von infizierten Tieren an der Vogelgrippe erkranken, erklärte die Virologin des Veterinärmedizinischen Forschungsinstituts Harbin in China, Hualan Chen, dem Magazin Nature.
H5N1-Infektionen beim Menschen bleiben Einzelfälle
Obwohl HPAI sehr spezifisch für Vögel ist, wurden mehrere Spillover-Ereignisse bei Säugetieren dokumentiert. In seltenen Fällen wurde das Virus auch auf den Menschen übertragen, was auf das zoonotische Potenzial der Seuche hinweist.
Ian Brown, Direktor der britischen Tiergesundheitsbehörde Animal and Plant Health Agency (APHA) in Weybridge betonte bei der Online-Pressekonferenz, dass Überläufer in Menschen weiterhin äußerst seltene Vorkommnisse seien. Der Zeitpunkt, sich über das zoonitische Potenzial von H5N1 Gedanken zu machen, ist laut Brown noch nicht gekommen. Generell gebe aber jedes Virus, das sich in anderen Populationen ausbreite, Anlass zur Sorge.
Etwas besortger über die aktuellen Ereignisse und den Ausbruch auf der spanischen Pelzfarm äußerte sich Tom Peacock, Virologe am Imperial College in London, in einem Beitrag von Science: „Das ist unglaublich besorgniserregend.“ Für ihn sei dies „ein klarer Mechanismus, wie eine H5-Pandemie starten“ könnte. Chen ordnete die Ausbreitung unter Säugetieren als ein größeres Risiko für die öffentliche Gesundheit ein.
Beer geht indes davon aus, dass H5-Viren beim Menschen aufgrund ihrer angeboreren Immunität und dem Mx-Protein, das Influenza-Viren gezielt bekämpft, einer zu großen Hürde gegenüber stehen. Bei Nerzen sei diese Immunität hingegen nicht so stark ausgereift, weshalb das Virus diese Tiere vermutlich leichter infizieren könne, erklärte Beer. Anders sind die Voraussetzungen in Schweinen. Diese hätten ein Mx, dass dem der Menschen deutlich ähnlicher sei.
„Ein an Schweine angepasstes H5-High-Pass-Virus wäre also sehr besorgniserregend, viel besorgniserregender als die Infektion von Nerzen“, so Beers Fazit.
Impfstrategien gegen die Vogelgrippe bereits im Einsatz
Einige Länder impfen schon seit einiger Zeit, jedoch mit unterschiedlichem Erfolg. Eine Impfung würde nur in Kombination mit einer guten Überwachung funktionieren und regelmäßig aktualisierten Impfstoffen, erklärte Brown. Bei einer Hühnerfarm mit 100.000 Tieren wäre es zudem eine Herausforderung, alle Tiere zu impfen, ohne eines auszulassen.
Tiere in großer Zahl unter suboptimalen Bedingungen zu halten, stellt ein generelles Problem für die Verbreitung von Tierseuchen dar. Dort sieht Beer ein ständiges Risiko, das beobachtet werden muss.
Wenn möglich, sollte es so weit wie möglich reduziert und kontrolliert werden. Einige Länder in Europa verbieten diese Massentierhaltung von Nerzen bereits. Denn sie stellen eine Gefahr nicht nur für Grippeviren dar, sagte Brown.
H5N1-Ausbreitung eine Gefahr für die Biodiversität
Deutlich größer als die Gefahr für den Menschen ordnete Höfle allerdings die Gefahr des H5N1-Virus für die Biodiversität ein.
Wissenschaftler halten eine Ausbreitung der derzeit kursierenden Vogelgrippe bis auf die letzten bisher noch nie betroffenen Kontinente Antarktis und Australien für möglich. Es gebe die Sorge, dass das Virus schon so weit in den Süden Südamerikas vorgedrungen sei, dass es auch die Artenvielfalt der Antarktis bedrohe, sagte auch der Virologe Brown.
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