Vorermittlungen und neue Massenproteste gegen Brasiliens Staatschef Bolsonaro

São Paulo – Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro gerät in der Coronakrise zunehmend unter Druck. Aus Protest gegen das Krisenmanagement des rechtsextremen Staatschefs gingen vorgestern erneut zehntausende Menschen auf die Straße.
„Bolsonaro Völkermörder“ und „Ja zu Impfungen“ war auf den Transparenten der Demonstranten in São Paulo zu lesen. Wegen eines mutmaßlichen Korruptionsfalls im Zusammenhang mit einer Impfstoffbestellung leitete die Staatsanwaltschaft Vorermittlungen gegen Bolsonaro ein.
Die Gegner des Präsidenten versammelten sich in mehreren Bundesstaaten zu Kundgebungen. „Es wurden schon mehr als 500.000 Menschen ermordet von dieser Regierung", sagte die in Rio de Janeiro demonstrierende Ärztin Patricia de Lima Mendes mit Blick auf die bereits rund 522.000 Coronatoten in Brasilien. Dies sei die Folge einer „trügerischen Politik“ voller „Lügen“.
Es waren bereits die dritten Massenproteste gegen Bolsonaro seit Ende Mai. Dem Protestaufruf der Opposition folgten vorgestern auch tausende Menschen in anderen Städten, darunter die Hauptstadt Brasília sowie Belém, Recife, Porto Alegre und Maceió, wie auf Bildern brasilianischer Medien zu sehen war.
Bolsonaro wird vorgeworfen, die Coronapandemie massiv verschlimmert zu haben, indem er die Gefahren des Virus immer wieder herunterspielte und den Nutzen von Coronaimpfungen infrage stellte.
„Die Menschen sind vom Protest im Internet zum Protest auf der Straße übergegangen“, sagte die Demonstrantin Ana Claudia Lima in São Paulo. Der jüngste Vorstoß der Opposition für ein Amtsenthebungsverfahren und die Korruptionsvorwürfe rund um die Impfstoffverträge hätten dazu beigetragen.
Viele der linksgerichteten Demonstranten schwenkten die brasilianische Fahne, die sonst eher auf Kundgebungen von Bolsonaro-Anhängern zu sehen ist. Das Nationalsymbol dürfe nicht den Rechten überlassen werden, sagte die Studentin Barbara Guimaraes. „Es gehört uns allen.“
Neue Nahrung erhält die massive Kritik am Präsidenten durch die am vergangenen Freitag eingeleiteten Vorermittlungen zu seiner Rolle in einem mutmaßlichen Korruptionsfall. Bolsonaro soll laut der Klage von drei Senatoren über ein „gigantisches Korruptionssystem“ im Gesundheitsministerium informiert gewesen sein, aber nichts dagegen unternommen haben. Es geht um Korruption im Zusammenhang mit einem Vertrag über den in Indien hergestellten Coronaimpfstoff Covaxin im Wert von umgerechnet rund 250 Millionen Euro.
Ein Strafverfahren gegen Bolsonaro vor dem Obersten Gerichtshof könnte zu seiner Amtsenthebung führen. Voraussetzung dafür wäre aber eine Anklageerhebung durch den Generalstaatsanwalt Augusto Aras, einen Bolsonaro-Verbündeten.
Dass es am Ende zu einem Verfahren gegen Bolsonaro kommt, ist auch deshalb sehr unwahrscheinlich, da dafür die Zustimmung des Parlaments nötig wäre, in dem der Präsident über eine breite Mehrheit verfügt. Versuche seiner Gegner, ein Amtsenthebungsverfahren gegen Bolsonaro einzuleiten, sind bislang am Widerstand seiner Verbündeten im Kongress gescheitert.
Am vergangenen Mittwoch hatten dutzende oppositionelle Abgeordnete einen neuen Versuch gestartet und im Parlament eine Liste mit weiteren Korruptionsvorwürfen vorgelegt, um Ermittlungen gegen den Präsidenten zu erreichen.
Die nächste Präsidentschaftswahl in Brasilien soll kommendes Jahr stattfinden. In jüngsten Umfragen liegt Bolsonaro weit hinter seinem linksgerichteten Herausforderer, dem Ex-Präsidenten Luiz Inácio Lula da Silva.
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