Politik

Vorwurf der Bereicherung gegen Apotheker bei Krebsinfusionen

  • Donnerstag, 20. Juli 2023
/picture alliance, Rolf Vennenbernd
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Berlin – Schwere Vorwürfe gegen Apotheker: Laut einer gemeinsamen Recherche mehrerer Medien bereichern sich einige Apotheker durch hohe Aufschläge bei der Herstellung von Krebsinfusionen, wobei es um mehrere hundert Millionen Euro im Jahr gehen soll.

Dies berichteten heute NDR, WDR, Süddeutsche Zeitung und das ARD-Magazin „Monitor“, die für ihre Recher­chen interne Preislisten von Großhändlern über mehrere Jahre ausgewertet haben. Bundesgesundheits­minis­ter Karl Lauterbach (SPD) sagte zu, sich um das Problem zu kümmern.

Im Zentrum der Vorwürfe stehen die rund 300 Apotheker, die in Deutschland die Sondererlaubnis haben, selbst Krebsinfusionen zuzubereiten – etwa für Chemotherapie- und Antikörperinfusionen. Den Recherchen zufolge können diese Zytostatika-Apotheker mit einer einzigen Infusion bis zu 1.000 Euro extra verdienen – zusätzlich zur eigentlichen Herstellungspauschale der Krankenkassen von rund 100 Euro, die den Aufwand für die Zubereitung der Infusion abgelten soll.

Die vier Medien haben nach eigenen Angaben die Ausgaben der Krankenkassen für Krebsinfusionen mit den tatsächlichen Einkaufspreisen auf den Preislisten der Großhändler verglichen. Ergebnis: Allein bei den fünf umsatzstärksten Generikawirkstoffen hätten die Krankenkassen zuletzt pro Jahr bis zu eine halbe Milliarde Euro einsparen können. Diese bis zu 500 Millionen Euro landeten Jahr für Jahr bei den rund 300 Apothekern mit der Sondererlaubnis.

Während bei mehr als 90 Prozent aller Medikamente die Festpreisregelung gilt, dürfen Apotheker ihre Ein­kaufspreise für Krebsmedikamente zur Herstellung von Infusionen mit den Pharmaherstellern und Groß­händ­lern frei verhandeln. Den Recherchen zufolge kaufen die Apotheker die Mittel zu einem relativ niedrigen Ein­kaufspreis im Großhandel – geben die zubereiteten Mittel dann aber zu einem sehr viel höheren Preis ab, wofür die Krankenkassen aufkommen müssen.

Der AOK-Bundesverband versicherte den Medien auf Anfrage, die echten Einkaufspreise nicht gekannt zu haben. Die für die Versorgung zuständige AOK-Geschäftsführerin Sabine Richard hält die in den Preislisten sichtbaren Einkaufsvorteile für Apotheker für „beitragsrelevant“, wie sie gegenüber den Medien sagte. Sie könnten zu Erleichterungen bei allen Beitragszahlern führen und „den Druck von weiteren Beitragserhöhun­gen wegnehmen“.

Bundesgesundheitsminister Lauterbach erklärte als Reaktion auf die Recherchen, dies sei „auf jeden Fall etwas, was wir auch regulatorisch angehen müssen“. Die hohen Gewinne seien „kein haltbarer Zustand“. Lauterbach bezweifelt die Unkenntnis der Krankenkassen.

Der Vorsitzende der Arzneimittelkommission der Deutschen Ärzteschaft, Wolf-Dieter Ludwig, erklärte die enormen Verdienstmöglichkeiten der Zytostatika-Apotheker für „absolut ungerechtfertigt“. Dieses Geld könnte man in eine bessere schmerzmedizinische Versorgung von Krebspatienten investieren, sagte er dem Recher­cheverbund. Es sei ein „Versäumnis, dass man in diesem Bereich diese enormen Gewinne weiterhin erlaubt und dort nicht schärfer durchgreift“.

Die FDP-Gesundheitsexpertin Christine Aschenberg-Dugnus warnte vor einer „Vorverurteilung“ von Apothe­kern – fügte aber zugleich hinzu: „Sollten sich die Vorwürfe erhärten, wäre ein solches Verhalten absolut unanständig und inakzeptabel.“

Der Deutsche Apothekerverband (DAV) verlautbarte, die kolportierten Preise seien „nicht bekannt und wir können sie nicht kommentieren“. Auch das errechnete Einsparpotential lasse sich „nicht nachvollziehen“.

afp

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