Politik

Votum des Bundesrats zur Teillegalisierung von Cannabis weiter ungewiss

  • Mittwoch, 20. März 2024
/picture alliance, Wolfgang Kumm
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Berlin – Bei der umstrittenen Teillegalisierung von Cannabis zeichnen sich für die Abstimmung im Bundesrat übermorgen noch keine klaren Mehrheiten ab. Mehrere Länder legten sich zunächst nicht öffent­lich fest, ob sie das vom Bundestag beschlossene Gesetz aufhalten und in den Vermittlungsausschuss schi­cken wollen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will dies abwenden, um eine befürchtete völlige Blockade des Vorhabens in einem Vermittlungsverfahren zu vermeiden. Der CSU-Landesgruppenchef im Bundestag, Alexander Dobrindt, hatte zuletzt deutlich gemacht, auf einen Stopp des ganzen Gesetzes hinwirken zu wollen.

Dobrindt sagte in Berlin, wenn es im Vermittlungsausschuss lande, „werden wir nicht daran mitarbeiten, dieses Gesetz in irgendeiner Form zu verändern, sondern es bleibt bei unserer grundsätzlichen Ablehnung.“ Er fügte hinzu: „Es wäre wünschenswert, wenn dieses Gesetz nie wieder aus dem Vermittlungsausschuss herauskäme.“

Lauterbach hatte vorgestern erklärt, er wolle die gesamte Woche über dafür kämpfen, dass es eine Anrufung des Vermittlungsausschusses nicht gebe. Angesichts von Aussagen unionsgeführter Länder, die Befassung dort zu verzögern oder zu sabotieren, würde das Gesetz dann letztlich sterben. Das Gesetz ist nicht zustim­mungs­bedürftig, der Bundesrat könnte aber den Vermittlungsausschuss mit dem Bundestag anrufen und das Verfah­ren abbremsen.

Die rheinland-pfälzische Ministerpräsidentin Malu Dreyer (SPD) geht nicht vom Scheitern des Gesetzes aus. Ihr Land werde den Vermittlungsausschuss nicht anrufen, sagte sie in Mainz. Das SPD-regierte Saarland will sich hingegen dafür aussprechen, wie Regierungssprecher Julian Lange auf Nachfrage sagte. Thüringen wird wohl nicht für den Vermittlungsausschuss stimmen, sondern sich vermutlich in dieser Frage enthalten, wie Umweltminister Bernhard Stengele (Grüne) sagte.

Sachsen-Anhalt tendiert dazu, das Gesetz in den Vermittlungsausschuss zu schicken. Alle drei Koalitionspart­ner würden aktuell noch Handlungsbedarf sehen, sagte Ministerpräsident Reiner Haseloff (CDU) in Magde­burg.

Das Gesetz sei so nicht umsetzbar, betonte der Regierungschef, der ein Bündnis mit SPD und FDP führt. Der Vermittlungsausschuss müsse sich mindestens mit Fristen und Altfällen befassen. Wie sich Sachsen-Anhalt letztlich verhalten wird, will die Landesregierung erst kurzfristig übermorgen entscheiden. Bis dahin würden noch Gespräche geführt.

Die sächsische Koalition aus CDU, Grünen und SPD bleibt in der Frage zerstritten. Gesundheitsministerin Petra Köpping (SPD) kündigte an, dass ihre Partei gegen die Anrufung des Vermittlungsausschusses sei.

Denn die CDU habe eine grundsätzlich andere Meinung und wolle das ganze Gesetz nicht. Die Nichtzustim­mung bedeute, dass sich Sachsen im Bundesrat enthalte. Lauterbach habe ihr versprochen, drei Punkte in die Protokollerklärung aufzunehmen: die Verbesserung der Prävention, die Verringerung der Mengen und eine Ausweitung des Abstands zu Kitas und Schulen.

Letzteres ist in der Protokollerklärung, die dem Deutschen Ärzteblatt vorliegt, bisher allerdings nicht erwähnt. Stattdessen wird vor allem mehr Geld für Prävention in Aussicht gestellt. Das Ministerium will sich demnach zum Beispiel „dafür ein­setzen“, dass für das Haushaltsjahr 2025 Mittel in Höhe von sechs Millionen Euro für die Cannabisprävention fortgeschrieben werden. Die Protokollnotiz soll nach Informationen des Deutschen Ärzteblatt aber nur dann zum Tragen kommen, wenn der Bundesrat den Vermittlungsausschuss nicht anruft.

Die Grünen-Gesundheitspolitikerin Kirsten Kappert-Gonther zeigte sich optimistisch, dass das Gesetz im Bundesrat nicht aufgehalten wird und zum 1. April kommt. „Wir sind in sehr konstruktiven Gesprächen mit den Ländern und haben die große Hoffnung, dass der Vermittlungsausschuss nicht angerufen werden muss“, sagte sie. Eine Anrufung des Vermittlungsausschusses würde den Blockierern in die Hände spielen.

„Ich hoffe sehr, dass das Cannabisgesetz den Bundesrat am Freitag unbeschadet passiert und damit die Ent­kriminalisierung zum 1. April endlich Wirklichkeit wird.“ Es könne nicht alle Probleme lösen, sei aber der über­fällige Paradigmenwechsel für mehr Kinder- und Jugendschutz.

Kappert-Gonther betonte auch: „Klar ist aber auch, dass die Amnestieregel integraler Bestandteil dieses Ge­setzes ist. Denn was künftig nicht mehr illegal ist, kann und darf natürlich nicht dazu führen, dass dafür Men­schen inhaftiert werden.“

Lauterbach hat sich ebenfalls vorsichtig optimistisch gezeigt, dass das gesetz die letzte Hürde im Bundesrat nehmen kann. „Ich gehe davon aus, dass wir das am Freitag schaffen werden“, sagte er. „Wir werden allerdings hier wirklich für jede einzelne Enthaltung oder Zustimmung kämpfen, so dass ich zuversichtlich bleibe, dass wir am Vermittlungsausschuss noch vorbeikommen.“

Lauterbach betonte: „Ich kämpfe dafür, dass das Gesetz tatsächlich beschlossen wird. Da kommt es auf jedes einzelne Bundesland an.“ Er stehe dazu in direktem Austausch mit den Ministerpräsidentinnen und Minister­präsidenten und habe jetzt eine Protokollerklärung für den Bundesrat vorbereitet, in der viele Bedenken der Länder aufgegriffen worden seien.

Nach dem vom Bundestag beschlossenen Gesetz sollen der Anbau der Droge und der Besitz bestimmter Men­gen mit zahlreichen Vorgaben für Volljährige zum Eigenkonsum vom 1. April an erlaubt sein. Bedenken sind aus den Ländern unter anderem auch gegen eine geplante Amnestie für Altfälle laut geworden, die nach dem neuen Recht nicht mehr strafbar wären. Befürchtet wird eine Überlastung der Justiz durch dadurch an­fallende Fallprüfungen.

An der Teillegalisierung von Cannabis kam in den vergangenen Monaten immer wieder Protest aus der Ärzte­schaft. Die wendet sich in weiten Teilen gegen das Vorhaben und rief den Bundesrat auf, das Gesetz noch auf­zuhalten.

„Ich sehe es als meine Pflicht an, heute nochmals vor einer Freigabe von Cannabis zu warnen, damit ich auch in Zukunft guten Gewissens meinen Kindern, Enkeln sowie Patientinnen und Patienten in die Augen schauen kann“, sagte heute Erik Bodendieck, Suchtmediziner, Präsident der Sächsischen Landesärztekammer und Co-Vorsitzender des Ausschusses Sucht und Drogen der Bundesärztekammer.

Er betonte, alle medizinischen Einwände seien bisher ignoriert worden und würden weiterhin durch die Be­fürworter im Gesund­heitsausschuss des Bundestags und im Bundesgesundheitsministerium wider besseren Wissens ignoriert. „Aber das scheint, auch mit Blick auf die konstruktiven Anmerkungen der Polizeigewerk­schaft, politisches Kalkül zu sein“, so Bodendieck, der heute nochmals auf die Gefahren hinwies.

Bodendieck betonte, Cannabis berge eine Vielzahl von wissenschaftlich nachweisbaren gesundheitlichen Risiken – nicht nur für Erwachsene, sondern vor allem auch für Jugendliche. Der Konsum von Cannabis könne zu Angststörungen, Depressionen, bipolare Störungen und Panikattacken führen.

Es bestehe drüber hinaus ein erhöhtes Risiko für Psychosen, insbesondere für Menschen mit psychischer Vor­belastung. Für Jugendliche und junge Erwachsene besonders gravierend seien kognitive Beeinträchtigungen wie Aufmerksamkeits- und Konzentrationsstörungen, die auch die Lernfähigkeit beeinträchtigen.

Aktuelle Erhebungen zeigten auch eine psychische Abhängigkeit von Cannabis. Bei Entzug könnten körperli­che Entzugssymptome wie Antriebsmangel, Unruhe und Schlafstörungen auftreten. „Cannabis ist damit auch eine Einstiegsdroge“, sagte Bodendieck.

Weitere Folgen der Freigabe sind aus seiner Sicht steigende Unfallzahlen durch fahren unter Cannabisein­fluss sowie der Konsum von Cannabis zusammen mit Alkohol, Nikotin und weiteren Drogen. „Diese Entwick­lung wird nicht nur unserer solidarisches Gesundheitssystem sondern auch Familien und Freunde von Be­troffenen extrem belasten“, mahnt er.

Bodendieck prognostiziert im Ergebnis auch eine steigende Inanspruchnahme medizinischer Leistungen, wie zum Beispiel von Notfallaufnahmen, Suchtpraxen, Suchtkliniken und der Sucht­be­ratung.

dpa/may/bee

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