Politik

Lauterbach warnt vor Scheitern von Cannabis-Gesetz, Union weist Vorwürfe zurück

  • Dienstag, 19. März 2024
/auremar, stock.adobe.com
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Augsburg – Vor der geplanten Bundesratsabstimmung über das Gesetz zur Teillegalisierung von Cannabis verschärft sich der Ton zwischen der Union und Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD).

Der Minister sagte gestern Abend in der ARD, das Gesetz stehe „auf Messers Schneide“ und würde durch eine Ablehnung in der Länderkammer „auf die lange Bank“ geschoben. Der Vorsitzende des Vermittlungsaus­schusses von Bundestag und Bundesrat wies indes den Vorwurf einer Blockadehaltung scharf zurück.

„Ihre Unterstellung, dass ich aus parteitaktischen Erwägungen meine Pflichten als Ausschussvorsitzender ver­letzen würde, ist haltlos, falsch und unangemessen“, schrieb der CDU-Bundestagsabgeordnete Hendrik Hop­penstedt in einem Brief an Lauterbach.

Hoppenstedt, der derzeit turnusgemäß den Ausschussvorsitz innehat, betonte, dass er seine Pflichten „selbst­ver­ständlich“ unabhängig von seiner persönlichen Auffassung zu den beratenen Gesetzen wahrnehme.

Er verwies darauf, dass Mecklenburg-Vorpommerns SPD-Ministerpräsidentin Manuela Schwesig ordnungs­ge­mäß wieder ab Ende Mai dem Gremium vorsitzt. Wann der Ausschuss tage, legten beide Vorsitzenden im Ein­vernehmen fest. Bei einer Ausschusssitzung würden dann alle Gesetze besprochen, die derzeit im Vermitt­lungsausschuss liegen.

Der Bundestag hatte im Februar das umstrittene Gesetz von Lauterbach zur teilweisen Freigabe von Cannabis zum Eigenkonsum nach hitziger Debatte verabschiedet. Die Mehrheit der Ampelfraktionen und die Linke stimmten für das Gesetz, Union und AfD dagegen. Am kommenden Freitag steht das Gesetz nun im Bundesrat zur Abstimmung.

Unionsgeführte Bundesländer kündigten im Vorfeld an, das Gesetz abzulehnen und damit in den Vermitt­lungs­ausschuss zu verweisen. Dort könnte noch über Änderungen verhandelt werden. Sachsens Ministerprä­sident Michael Kretschmer (CDU) schrieb am Wochenende auf X, sein Ziel sei es, dass das Gesetz „niemals wieder“ aus dem Vermittlungsausschuss herauskomme.

Da das Gesetz in der Länderkammer aber formal nicht zustimmungspflichtig ist, könnte der Bundestag ein Vermittlungsergebnis zu einem späteren Zeitpunkt mit einfacher Mehrheit wieder überstimmen.

Lauterbach sagte gestern Abend in der ARD-Sendung „Hart aber fair“, er werde „die ganze Woche dafür käm­pfen“, dass das Gesetz vom Bundesrat verabschiedet wird. Sollte das Gesetz „auf die lange Bank“ geschoben werden, sei das „eine große Gefahr“, so Lauterbach. „Das wollen wir abwenden“.

Am Wochenende schrieb Lauterbach bei X, dass das Gesetz nicht mehr aus dem Vermittlungsausschuss raus­komme, wenn es der Bundesrat ablehne. „Mit Tricks“ würde dann ein Gesetz gestoppt, für das 400 Bundestags­abgeordnete gestimmt hatten.

Lauterbach rief die rot-grünen Landesregierungen zur Zustimmung auf. „Jedes von SPD und Grünen mitre­gier­te Land muss wissen, dass das Cannabis-Gesetz am nächsten Freitag stirbt, wenn man den Vermittlungsaus­schuss anruft.“

Ausschusschef Hoppenstedt betonte jedoch in seinem Schreiben an Lauterbach, dass eine Komplettblockade durch den Bundesrat nicht möglich sei. Ein Scheitern würde voraussetzen, dass der Vermittlungsausschuss in dieser Legislaturperiode nicht mehr tage. „Dies wäre allein schon aufgrund der bisher noch nicht abgeschlos­senen Verfahren und der Dauer der Legislaturperiode wohl als verfassungswidrig einzustufen“, so Hoppen­stedt.

Lauterbach betonte bei X, dass er Hoppenstedt „gar nichts unterstellt“ habe. „Aber, bei allem Respekt, die Ver­handlungs- und Verzögerungstaktik bestimmt ja nicht er. Das machen Herr Merz, Herr Söder, Herr Kretschmer“, schrieb Lauterbach mit Blick auf die Vorsitzenden von CDU und CSU sowie den sächsischen Ministerpräsi­den­ten.

Zuvor belegte auch die SPD-Rechtspolitikerin Carmen Wegge die Union mit schweren Vorwürfen. „Ich finde das, um ehrlich zu sein, ziemlich erschreckend – so verhalten sich keine Demokraten“, sagte Wegge der Augs­burger Allgemeinen. Sie warf der Union vor, den Vermittlungsausschuss rein taktisch anzurufen, und die Le­galisierung durch Verfahrenstricks aufhalten zu wollen. „Das wäre ein einmaliger Vorgang.“

Dem geplanten Gesetz zufolge sollen Konsum und Besitz von bis zu 25 Gramm Cannabis für Erwachsene erlaubt werden. Im Eigenanbau zu Hause sind bis zu 50 Gramm sowie drei Pflanzen erlaubt, sofern die Rauschmittel vor dem Zugriff durch Minderjährige geschützt werden.

Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (BVKJ) forderte, das Cannabisgesetz zu stoppen. „Die Ampel­koalition will mit dem Kopf durch die Wand. Sie sieht die berechtigten Einwände von Ärzten und Juristen nicht“, sagte Verbandspräsident Michael Hubmann heute den Zeitungen der Funke Mediengruppe. „Die Bun­desregierung sollte das Gesetz zurückziehen.“

Er bekräftigte Warnungen vor den negativen Folgen der Legalisierung für den Jugendschutz. Man sehe schon bei Alkohol und Nikotin, dass das in der Lebensrealität nicht gelingt, sagte Hubmann. Der Konsum sei prob­lemlos an den gesetzlichen Regeln vorbei möglich. „Schutz und Kontrolle werden nicht leichter, wenn mit der Cannabislegalisierung jetzt eine dritte Substanz dazu kommt.“

afp/dpa

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