Wahlprogramm: FDP will Gesundheitssystem umbauen

Berlin – Die FDP will das Gesundheitssystem in Deutschland umbauen: Die Budgetierung im Gesundheitswesen soll abgeschafft und die Durchlässigkeit zwischen gesetzlicher (GKV) und privater (PKV) Krankenversicherung soll erhöht werden, geht aus dem Wahlprogramm hervor, das der 68. Bundesparteitag der Freien Demokraten am Sonntag verabschiedet hat. Auf rund fünf Seiten befassten sich die Delegierten darin mit dem diversen Themen aus dem Gesundheitswesen.
Die Budgetierung habe zu einer „Unterfinanzierung“ der medizinischen Versorgung sowie zu einem „Ausbluten der gesundheitlichen Versorgung“ in ländlichen Regionen und sozialen Brennpunkten geführt, heißt es in dem Papier. Die FDP schlägt vor, dass die Versicherten künftig die Wahl zwischen verschiedenen Tarifen und Selbstbeteiligungen haben. „Wir wollen, dass die Bürgerinnen und Bürger über ihre Behandlung mitentscheiden können und Leistungen und Kosten transparent werden“, schreibt die Partei in ihrem Wahlprogramm. Damit die Kosten für Gesundheit „niemanden überlasten“, seien „klare Härtefall- und Überforderungsregelungen“ vorgesehen.
FDP für mehr Wettbewerb
Die Wahlfreiheit der Bürger soll in einer umgebauten Versicherungslandschaft zum Tragen kommen. Die FDP will PKV und GKV nicht abschaffen, aber an den Rahmenbedingungen feilen und die Systeme annähern. Demnach sollen alle Bürger „frei und unabhängig vom Einkommen“ zwischen PKV und GKV wählen können. Ein Wechsel zwischen den Systemen soll einfacher als bisher ermöglicht werden.
Die PKV wird zudem verpflichtet, jeden Antragsteller im Basistarif zu versichern. Altersrückstellungen sollen bei einem Wechsel innerhalb der PKV-Landschaft mitgenommen werden können. Die GKV soll zugleich mehr Selbstständigkeit bei Tarifoptionen erhalten. Darüber hinaus ist vorgesehen, dass die Krankenkassen stärker untereinander in den Wettbewerb treten, in dem ihre Vertragsmöglichkeiten erweitert werden. Der FDP zufolge sollen zum Beispiel Qualitätsverträge zwischen Kliniken und Kassen nicht auf wenige Leistungen beschränkt bleiben.
Ausdrücklich machen sich die Freien Demokraten für die ambulante ärztliche Versorgung stark. Die niedergelassenen Haus- und Fachärzte seien die Basis der flächendeckenden und hochwertigen ambulanten ärztlichen Versorgung, heißt es im Programm. Auch müsse die Niederlassung wieder an Attraktivität gewinnen. Mit welchen konkreten Maßnahmen das erreicht werden soll, ist allerdings nicht erwähnt.
Anreizsystem, um Investitonsstau aufzulösen
Einen Vorschlag macht die Partei hingegen dazu, wie der Investitionsstau der Bundesländer bei der Finanzierung der Krankenhäuser abgebaut werden könnte. Sie plädiert für ein Anreizsystem, bei dem die Länder, die ihren Investitionsverpflichtungen nachkommen, vom Bund einen Zuschuss erhalten. Zudem müsse es zu einer „sinnvollen Profil- und Zentrenbildung“ bei den Krankenhäusern kommen. Dabei solle die Notfallversorgung flächendeckend erhalten bleiben. Auch spricht sich die FDP dafür aus, ökonomische Fehlanreize im System der Fallpauschalen zu beseitigen und Ergebnisqualität besser zu vergüten. Details sind in dem Wahlprogramm nicht genannt.
Absichtserklärungen ohne nähere Angaben macht die FDP auch bei den Themen Bürokratie und Pflege. Ein Lösungsansatz für den Bürokratieabbau sei „unter anderem die verstärkte Nutzung von IT- und Assistenzsystemen“, heißt es. In der Pflege müssten sich die große Verantwortung, körperliche und psychische Belastung in der Vergütung widerspiegeln. Eine generalisierte Einheitsausbildung lehnt die FDP dem Programm nach ab.
Palliativmedizin und Hospizwesen will die FDP ausbauen. Dabei sollte ihren Vorstellungen zufolge neben der Neueinrichtung von Hospizen vor allem die Palliativversorgung in Kliniken, Alten- und Pflegeheimen sowie im häuslichen Umfeld erweitert werden. Die Partei schlägt in dem Programm insbesondere für Pflegeheime einen Palliativaufschlag vor, um zur besseren Personal- und Finanzierungssituation in den Hospizen aufzuschließen. Ausgebaut werden soll auch die spezialisierte ambulante Palliativversorgung (SAPV). Bei der Frage der Sterbehilfe fordert die FDP eine bundeseinheitliche Regulierung, unter welchen Umständen die ärztliche Assistenz bei der Selbsttötung sanktionsfrei ist.
Freigabe von Cannabis
Den Einzug ins Wahlprogramm hat auch das Thema Cannabis geschafft, das in den vergangenen Wochen eine erhöhte Aufmerksamkeit genoss. Hintergrund ist, dass der Bundestag jüngst beschlossen hatte, die Einnahme für schwerstkranke Patienten als letzte Therapieoption auf Kassenkosten zu ermöglichen. Die FDP fordert in ihrem Programm aber mehr als eine Abgabe nur an Kranke. Die Partei fordert eine „kontrollierte Freigabe von Cannabis“. Schätzungen zufolge konsumierten rund vier Millionen Menschen in Deutschland Cannabis. Damit würden unzählige Menschen kriminalisiert und immense Ressourcen bei der Polizei gebunden, die etwa bei der Verfolgung von Einbrüchen besser eingesetzt wären.
„Wir setzen uns dafür ein, den Besitz und Konsum für volljährige Personen zu erlauben“, steht in dem Wahlprogramm. Nur mit einem kontrollierten Verkauf in lizenzierten Geschäften könne die Qualität kontrolliert und so die Weitergabe von verunreinigten Substanzen verhindert sowie der Jugendschutz gewährleistet werden. „Wenn Cannabis dabei ähnlich wie Zigaretten besteuert wird, können jährlich bis zu einer Milliarde Euro zusätzlich eingenommen werden. Dieses zusätzliche Geld soll für Prävention, Suchtbehandlung und Beratung eingesetzt werden“, so die FDP.
Gegen Versandverbot für rezeptpflichtige Medikamente
Die Partei will zudem den in- und ausländischen Versandhandel mit rezeptpflichtigen Arzneimitteln in Deutschland nicht verbieten. Aber sie verlangt einen Ausgleich mit ortsgebundenen Apotheken. Wie der Parteitag beschloss, wollen sich die Liberalen zur Stärkung der Apotheken vor Ort dafür einsetzen, dass besondere Leistungen wie individuelle Beratung abgerechnet werden können. Auch ein Sicherstellungszuschlag für Apotheken an abgelegenen Standorten sollte möglich sein sowie angemessene Honorare für Notdienste. Durch eine Entscheidung des Europäischen Gerichtshofes (EuGH) vom Oktober vergangenen Jahres, wonach sich ausländische Apotheken nicht an die in Deutschland geltende Preisbindung halten müssen, ist eine Wettbewerbsverzerrung zulasten der deutschen Vor-Ort-Apotheke entstanden. Deutsche Apotheken machen kaum Umsätze durch den Versandhandel mit verschreibungspflichtigen Arzneien.
Die deutschen Apotheker fordern hingegen ein Verbot des Versandhandels mit rezeptpflichtigen Medikamenten. Sie warnen, durch Versandhandelskonkurrenten drohe ein Apothekensterben auf dem Land. Die Union teilt die Bedenken, die SPD sieht den Versandhandel jedoch gerade für ländliche Regionen als Vorteil. Auf ein Verbot konnte sich die große Koalition daher nicht einigen.
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