Was die Gesellschaft unter dem Begriff Risiko versteht

Basel – Risikokonzepte in der Gesellschaft sind gleichermaßen positiv wie negativ konnotiert. Vor allem Ältere und Frauen verbinden das Wort Risiko jedoch stärker mit Bedrohung als Jüngere und Männer.
Risiken interessieren nicht nur Naturwissenschaftler und Mediziner in klinischen Studien, sondern sind auch in der Allgemeinbevölkerung relevant, zum Beispiel wenn es um Arbeit, Finanzen oder Gesundheit geht.
Wie der Begriff „Risiko“ in einer Gesellschaft wahrgenommen wird, analysierten Psychologen der Universität Basel anhand von Assoziationen aus einer repräsentativen Stichprobe von 1.205 Personen, in der Männer und Frauen sowie verschiedene Altersgruppen aus dem deutschsprachigen Raum gleichermaßen vertreten waren (Science 2022; DOI: 10.1126/sciadv.abm1883).
In der Arbeit wurde eine neuartige Methode verwendet, die mit Wortassoziationen und algorithmischen Verfahren die Bedeutung von Risiko für verschiedene Gruppen und Einzelpersonen ableitete. Dabei wurden Teilnehmende aufgefordert, 5 Wörter zu nennen, die sie mit dem Begriff Risiko assoziierten und im 2. Schritt jeweils 5 weitere Wörter, die sie mit den 5 zuerst genannten Assoziationen verbanden.
Mithilfe eines Algorithmus wurden insgesamt 36.100 Assoziationen ausgewertet und daraus ein semantisches Netzwerk des Begriffs Risiko generiert, um Einblicke in allgemeine und individuelle Unterschiede zu erhalten.
Am meisten wurde das semantischer Cluster „Bedrohung“ (88 %) (Gefahr, Unfall, Verlust etc.) mit dem Begriff Risiko in Verbindung gebracht, was auf gleicher Höhe mit „Glück“ (88 %) (z.B. Profit, Spiel, Abenteuer) rangierte. Weitere Assoziationen waren Investitionen (78 %), Aktivität (47 %) und Analyse (42 %).
„In bisherigen Untersuchungen wurden meist die negativen Komponenten von Risiko betrachtet und dabei vernachlässigt, dass durchaus auch positive Bewertungen damit verbunden sind“, betonte Dirk Wulff von der Fakultät für Psychologie der Universität Basel.
Ein Abgleich dieser Ergebnisse aus dem deutschsprachigen Raum mit anderen Sprachen (Niederländisch und Englisch) ergab, dass im Niederländischen Risiko eher mit Bedrohung und im Englischen stärker mit Vermögen in Verbindung gebracht wurde.
Zum Großteil wurden jedoch ähnliche Kernbegriffe zum Thema Risiko über alle 3 Sprachen identifiziert. Im Niederländischen zählten die meisten Antworten zur Komponente Bedrohung (48,6 %), gefolgt von Aktivität (23,1 %), Glück (15,6 %), Finanzen (10,4 %) und Analyse (2,3 %). In englischer Sprache waren die Antworten vornehmlich gewichtet auf Komponenten, wie Glück (37,9%), gefolgt von Bedrohung (29,6%), Finanzen (14,8%), Analyse (9,5%) und Aktivität (8,2%).
Unterschiedliche Assoziationen wurden auch zwischen demografischen Gruppen festgestellt, wobei ältere und weibliche Befragte negativere Konnotationen aufweisen und bestimmte Arten von Aktivitäten (z. B. Freizeitaktivitäten) häufiger erwähnen als jüngere Erwachsene bzw. Männer, heben die Wissenschaftler hervor.
Die Umfrageergebnisse deuten auf individuelle sowie Alters und Geschlechtsspezifische Unterschiede hin, wobei Risikokonzepte facettenreich wahrgenommen werden und positive sowie negativen Komponenten enthalten.
„Unsere Untersuchung hat ein neues Fundament geschaffen zu der Frage, wie Menschen über Risiko nachdenken. Dies könnte wichtig sein, um besser zu verstehen, wie verschiedene gesellschaftliche Gruppen Risiken interpretieren und die gesellschaftliche Polarisierung durch bessere Risikokommunikationsstrategien zu bekämpfen“, schlussfolgerte Wulff.
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