Welt-Aids-Tag: Prävention nach wie vor wichtig

Berlin/Hamburg/Saarbrücken – Im Vorfeld des Welt-Aids-Tages am 1. Dezember haben verschiedene Organisationen, Verbände und Institutionen auf die weiterhin große Bedeutung der Prävention hingewiesen. „Auch wenn die Zahl der HIV-Neuinfektionen sinkt, dürfen wir bei der Aufklärung und Prävention nicht nachlassen“, erklärte Frank Ulrich Montgomery, Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), heute.
Maßnahmen wie die Zulassung von HIV-Selbsttests seien daher „richtig und wichtig“, sagte er. Allerdings böten solche Selbsttests lediglich eine erste Orientierung. „Die Testergebnisse sind für Laien schwer zu interpretieren und zudem nicht zu 100 Prozent zuverlässig.“ Gerade bei einem Positiv-Test sei es daher ratsam, sich an einen Arzt zu wenden und das Ergebnis im Labor überprüfen zu lassen.
Der BÄK-Präsident wies in diesem Zusammenhang auf die nach wie vor bestehenden Ängste und Vorurteile im Zusammenhang mit HIV/Aids hin: „Obwohl die Diagnose HIV-positiv längst kein Todesurteil mehr ist, haftet ihr noch immer ein Stigma an“, sagte er. Die Angst vor Diskriminierung setze eine Schweigespirale in Gang. Dadurch verschwinde das Thema Aids aus der öffentlichen Wahrnehmung. „Wir müssen offen und vorurteilsfrei über diese Krankheit reden. Die Betroffenen dürfen mit ihrem Schicksal nicht allein gelassen werden“, so Montgomery.
PrEP als Satzungsleistung
Die DAK-Gesundheit kündigte unterdessen heute an, zukünftig die Kosten für die medikamentöse HIV-Prophylaxe (PrEP) als Satzungsleistung zu übernehmen. Ziel der Therapie ist es, eine Infektion zu verhindern. „Allen Aufklärungskampagnen zum Trotz wird die Zahl der HIV-Neuinfektionen in Deutschland nicht wesentlich kleiner. Deshalb müssen wir neue Schutzmethoden fördern“, erklärte Andreas Storm, Vorstandsvorsitzender der DAK-Gesundheit.
Ihm zufolge kann PrEP bei regelmäßiger Einnahme der verordneten Medikamente das Ansteckungsrisiko fast vollständig ausschalten. Dabei hemmen die Wirkstoffe Tenofovir und Emtricitabin ein spezielles Enzym des HI-Virus und verhindern somit, dass es sich im menschlichen Körper fortpflanzt. Laut DAK-Gesundheit haben Studien einen Schutzeffekt von 96 Prozent ergeben.
800 Euro versus 20.000 Euro
„Der Einzelne wird vor einer HIV-Infektion bewahrt und unsere Versichertengemeinschaft vor den damit verbundenen Folgekosten“, betonte der Verwaltungsratsvorsitzende der DAK-Gesundheit, Dieter Schröder. Pro Jahr koste die medikamentöse HIV-Prophylaxe 800 Euro, eine HIV-Therapie hingegen meist im Schnitt 20.000 Euro.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn hatte zuletzt angestoßen, dass die HIV-Präexpositionsprophylaxe in den Leistungskatalog der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) aufgenommen wird. Dies soll für Menschen mit einem erhöhten Infektionsrisiko gelten. Diese hätten dann einen gesetzlichen Anspruch auf ärztliche Beratung, Untersuchung und Arzneimittel zur Präexpositionsprophylaxe.
Kordula Schulz-Asche und Ottmar von Holtz von den Grünen im Bundestag warnten heute vor „gewaltigen Herausforderungen“, bis die Epidemie besiegt ist. Wichtige Erfolge in der Prävention und Behandlung von HIV und Aids dürften darüber nicht hinwegtäuschen. Vor allem in Entwicklungsländern sei HIV oft ein Problem der ärmeren Bevölkerung – zum einen, weil Aufklärung sie nicht erreicht und sie keinen Zugang zu Kondomen und anderen Präventionsmitteln haben, zum anderen, weil es noch keine flächendeckende Behandlung im ländlichen Raum gebe.
Sie haben deshalb gefordert, dass Deutschland mit gutem Beispiel voran geht und die finanziellen Zusagen für den Globalen Fonds zur Bekämpfung von Aids, Tuberkulose und Malaria (GFATM) für die Wiederauffüllungskonferenz Ende 2019 frühzeitig öffentlich macht. Durch eine frühe Bekanntgabe würden andere Länder ermutigt, es Deutschland gleichzutun. Der GFATM sei ein wichtiges Finanzierungsinstrument für Präventions- und Behandlungsprogramme und nur wenn der Fonds über ausreichende Finanzmittel verfüge, könne es gelingen, die verheerendsten Epidemien unter Kontrolle zu bringen, so die Politiker.
Ärzte ohne Grenzen warnte, die Bekämpfung von Aids werde oft als Erfolgsgeschichte dargestellt. Das sei aber ein falscher Eindruck. Viele Menschen erhielten keine Behandlung oder könnten die Medikamente nicht bezahlen. Ärzte ohne Grenzen forderte mehr politisches Engagement und mehr Geld für den Einsatz gegen Aids. Trotz neuer Forschung, Medikamente und Diagnosen seien im vergangenen Jahr etwa eine Million Menschen an HIV gestorben, davon 100.000 Kinder. Rund 90 Prozent von ihnen lebten in Ländern Subsahara-Afrikas, nur die Hälfte habe im vergangenen Jahr Medikamente bekommen. Vor allem in armen Ländern fehlten kindgerechte Medikamente.
Kinder nicht vergessen
Der Bundesverband Kinderhospiz mahnte heute weltweit eine bessere Versorgung von HIV-infizierten Kindern an. Während in Deutschland Aids kein Todesurteil mehr sei, werde jedes zweite der weltweit 1,8 Millionen infizierten Kinder nicht angemessen therapiert, erklärte der Verband. „Mit den nötigen Medikamenten könnten sie gut leben und alt werden", erklärte Sabine Kraft, Geschäftsführerin des Bundesverbands Kinderhospiz. Ohne diese Versorgung drohe den Mädchen und Jungen unnötiges Leid und ein unnötiger Tod.
Der Lesben- und Schwulenverband (LSVD) Deutschlands forderte eine Stärkung der HIV-Prävention. Voraussetzung dafür sei, dass die Betroffenen „ein angst- und diskriminierungsfreies Leben führen können“. Zudem müsse die soziale Situation von Menschen mit HIV und Aids verbessert werden. Es sei für sie nicht möglich, neben der staatlichen Alterssicherung oder der Riester-Rente eine private Alterssicherung zu erreichen, da private Versicherungen solche Verträge ablehnten. Es drohe eine Abwärtsspirale in die Verarmung.
Jeder Vierte hatte ungeschützten Sex
Der Verband der Privaten Krankenversicherung (PKV) hat zum Welt-Aids-Tag eine Befragung zum Sexualleben beim Insa-Institut in Auftrag gegeben. Ergebnis: Mehr als jeder Vierte (26 Prozent) hatte schon einmal ungeschützten Sex mit einer Zufallsbekanntschaft. „Das ist ein alarmierendes Ergebnis“, sagte der PKV-Vorsitzende Uwe Laue. Es zeige, dass die Aufklärungsarbeit kein bisschen nachlassen dürfe. Berichte über neuentwickelte Medikamente für HIV-Infizierte und Aids-Kranke hätten wohl „zu einer Art neuer Nachlässigkeit“ im Umgang mit der Infektion geführt. Trotz aller medizinischen Fortschritte sei Aids aber nach wie vor eine unheilbare Krankheit, sagte er.
Nach einem jüngst vorgestellten Bericht des Robert-Koch-Instituts (RKI) ist die Zahl der Neuinfektionen mit HIV bundesweit leicht rückläufig. Sie lag 2017 bei rund 2.700 nach jeweils etwa 2.900 in den Jahren 2014 bis 2016. Bei Heterosexuellen wird aber laut RKI in den vergangenen Jahren ein langsamer Anstieg der Neuinfektionen gesehen: Ihnen fehle es oft an einem Bewusstsein für ein HIV-Risiko. Insgesamt lebten Ende 2017 rund 86.000 Menschen im Land mit HIV, geschätzt 11.400 wussten nichts von ihrer Infektion.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: