WHO-Jahrestagung berät über Kampf gegen Pandemien und Reformen

Genf – Reformen zur Stärkung der Weltgesundheitsorganisation (WHO), eine faire Verteilung der Impfstoffe sowie ein internationales Pandemieabkommen, um durch stärkere Zusammenarbeit besser für künftige Gesundheitskrisen gewappnet zu sein: Mit einem ehrgeizigen Programm hat gestern die WHO-Jahrestagung begonnen. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) mahnte, Lehren aus vergangenen Fehlern zu ziehen.
„Diese Pandemie ist noch nicht bewältigt; und sie wird auch nicht die letzte sein“, sagte Merkel. „Auf die nächste sollten wir möglichst gut vorbereitet sein.“ Die Welt müsse deshalb in die Lage versetzt werden, auf pandemische Bedrohungen möglichst rasch reagieren zu können.
Sie griff dabei Vorschläge von WHO-Arbeitsgruppen zur Coronakrise auf und unterstützte unter anderem die Einrichtung eines Globalen Gesundheitsrates, der die Einhaltung der Gesundheitsvorschriften in den Mitgliedstaaten überprüfen könnte.
Noch bis zum 1. Juni wollen die WHO-Mitglieder zudem über eine Reform der Organisation beraten, um ihre Schlagkraft bei künftigen Gesundheitskrisen zu erhöhen. Merkel unterstützte die Forderung. Die Coronapandemie habe vor Augen geführt, wie wichtig internationale Zusammenarbeit sei. „Die WHO sollte deshalb weiter eine Führungsrolle bei der globalen Gesundheitsvorsorge übernehmen“, sagte sie. Dafür müsse die Organisation finanziell und personell nachhaltig unterstützt werden.
Zu Beginn der Jahresversammlung rief UN-Generalsekretär António Guterres die internationale Gemeinschaft auf, der weltweiten Coronakrise mit derselben Strategie wie in einem Krieg zu begegnen. „Wir sind im Krieg mit einem Virus“, sagte Guterres. Die Welt brauche „die Logik und die Dringlichkeit einer Kriegswirtschaft“, um dafür zu sorgen, dass alle Länder gleichen Zugang zu den „Waffen“ im Kampf gegen die Pandemie erhalten.
Auch WHO-Generalsekretär Tedros Adhanom Ghebreyesus forderte energische Maßnahmen, um die Coronapandemie einzudämmen und sich auf künftige Bedrohungen besser vorzubereiten. Er wies darauf hin, dass allein in der ersten Stunde der Jahrestagung weltweit 1.000 Menschen an COVID-19 gestorben seien – und mehr als 3,4 Millionen seit Beginn der Pandemie. Jetzt sei nicht die Zeit für schrittweise Verbesserungen, sondern für kühne Ideen und Führung, um neue Wege zu gehen.
Wie Merkel setzte sich auch der französische Präsident Emmanuel Macron für eine deutliche Stärkung der WHO ein. Die WHO müsse das Herz, der Kompass unseres globalen Gesundheitskonzeptes sein.
Mehrere von der WHO in Auftrag gegebene Expertenberichte fordern weitreichende Reformen der Warn- und Präventionssysteme. Demnach sollte die WHO im Krisenfall auch vor Ort ermitteln können, ohne auf grünes Licht der betroffenen Länder zu warten – wie dies etwa bei China der Fall war. Eine Reihe von Ländern dringt zudem auf einen neuen internationalen Vertrag, um Alleingänge und Rangeleien bei Pandemien künftig zu vermeiden.
In einem Resolutionsentwurf bleibt von den ehrgeizigen Forderungen allerdings nur wenig übrig: Er schlägt lediglich ein Pilotprojekt zur freiwilligen Zusammenarbeit sowie die Einrichtung einer Arbeitsgruppe vor, um für die kommende Jahrestagung konkrete Reformvorschläge auszuarbeiten.
Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) rief dazu auf, die Weltgesundheitsorganisation (WHO) finanziell zu stärken. Mit der derzeitigen Ausstattung könne die WHO die Erwartungen nicht erfüllen, darunter den Schutz der Welt vor neuen Pandemien, sagte Spahn in einer Videobotschaft, die heute bei der WHO-Jahrestagung gezeigt wurde. Neben den niedrigen Mitgliedsbeiträgen, die die 194 Länder seit Jahren nicht erhöht haben, fehle auch Geld in Sondertöpfen, etwa für Noteinsätze. „Das ist inakzeptabel“, sagte Spahn.
Deutschland ist in der Pandemie zum größten Geldgeber der WHO geworden, mit rund 900 Millionen Euro für das Zweijahresbudget 2020/2021. Zweitgrößter Geldgeber ist die Stiftung von Bill und Melinda Gates. Chinas Beitrag für den Zeitraum beträgt nach Angaben der WHO-Budget-Analysten umgerechnet knapp 150 Millionen Euro. 2018/19 waren die USA größter Zahler, aber der frühere US-Präsident Donald Trump hatte die Zuwendungen deutlich zurückgefahren.
Spahn kritisierte zudem, dass vielerorts der politische Wille fehle, Vorschläge zur Verbesserung der WHO umzusetzen, die nach früheren Krisen gemacht wurden. „Wir können es uns nicht leisten, dass das noch einmal passiert“, sagte Spahn. Niemand dürfe nach der Coronapandemie zur Tagesordnung übergehen.
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