WIdO: Rabattverträge nicht für Lieferengpässe verantwortlich

Berlin – Lieferengpässe von Arzneimitteln beschäftigen derzeit vermehrt Ärzte und Apotheker. Als Grund werden dafür auch Rabattverträge der Krankenkassen genannt. Das Wissenschaftliche Institut der AOK (WIdO) stellte sich dem Argument heute mit eigenen Zahlen entgegen.
Demnach seien Anfang September 99,3 Prozent der Arzneimittel, die zu Lasten der gesetzlichen Krankenversicherung verordnet werden, lieferbar gewesen, teilt das WIdO mit. 461 Arzneimittel waren vorübergehend nicht verfügbar. Unter den 9.000 Arzneimitteln, für die es einen AOK-Rabattvertrag gibt, lag der Anteil der lieferbaren Präparate demnach sogar bei 99,7 Prozent.
„Dennoch scheint das Gerücht von umfangreichen Lieferengpässen bei Arzneimitteln in Deutschland und von den dafür verantwortlichen Rabattverträgen durch ständiges Wiederholen die öffentliche Meinung zu beeinflussen“, sagte der stellvertretende WIdO-Geschäftsführer Helmut Schröder.
Er betonte, Lieferengpässe seien keine Versorgungsengpässe. Im Fall von temporären Lieferschwierigkeiten stünden in der Regel in der ambulanten Versorgung genügend Alternativen anderer Hersteller zur Verfügung, so Schröder.
Um die immer wieder behaupteten Versorgungsengpässe empirisch überprüfen zu können, fordern die Versorgungsforscher des WIdO eine verpflichtende Meldung von Lieferengpässen – vom Hersteller über den Großhandel bis zur Apotheke.
Schröder: „Es ist nicht einzusehen, dass wir heute den Weg unserer Paketsendungen online mitverfolgen können, dies aber bei der ungleich wichtigeren Arzneimittelversorgung in Deutschland nicht gelingen soll.“
Der Geschäftsführer verwies zudem darauf, dass Pharmaunternehmen zumeist global agierende, börsennotierte Unternehmen seien. Der deutsche Markt hingegen habe nur einen Anteil von rund vier Prozent am weltweiten Arzneimittelumsatz.
Daher spiele die Versorgung in Deutschland nur eine geringe Rolle am globalen Markt. „Die Rabattverträge für global auftretende Lieferengpässe verantwortlich zu machen, ist abwegig", so Schröder.
Der Bundesverband der pharmazeutischen Industrie (BPI) wies die Aussagen zurück. „Wir haben nicht nur Daten, die eine versorgungskritische Marktkonzentration beweisen, sondern es gibt auch zahlreiche Patienten, Apotheker und Hersteller, die tagtäglich von Schwierigkeiten aufgrund von Rabattverträgen berichten“, sagt BPI-Hauptgeschäftsführer Kai Joachimsen.
Wer wie die AOK das Problem negiere und stattdessen zusätzliche Meldepflichten fordere, sei auf dem Holzweg. Gravierende Lieferschwierigkeiten entstünden nicht, weil sie nicht gemeldet werden, sondern weil die Lieferverantwortung aufgrund von Exklusivverträgen nur auf einer oder wenigen Herstellerschultern laste.
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