Tuberkulose im Jahr 2040: Infektionen durch multiresistente Erreger nehmen weiter zu

Köln/Atlanta – Die Inzidenz multiresistenter Tuberkulosefälle in Russland, Südafrika, Indien und den Philippinen könnte bis 2040 weiter zunehmen. Inbesondere für Russland fällt die Prognose von Forschern um Aditya Sharma von der US-Gesundheitsbehörde Centers for Disease Control and Prevention (CDC) schlecht aus. Die Ergebnisse ihrer Modelrechnung haben die US-Forscher aus Atlanta in Lancet Infectious Diseases veröffentlicht (2017; doi: 10.1016/S1473-3099(17)30247-5). In Deutschland sei die Situation durch die Behandlung der Patienten in hochspezialisierten Zentren unter Kontrolle, teilt die Deutsche Gesellschaft für Infektiologie (DGI) mit. Im weltweiten Kampf gegen multiresistente Tuberkulose-Erreger brauche es jedoch dringend Kampagnen, fordert die Fachgesellschaft.

Nach wie vor ist die Tuberkulose eine der zehn häufigsten Todesursachen weltweit. Alarmiert vom Anstieg multiresistenter Tuberkulosefälle (MDR-TB) und solcher, die selbst gegen Medikamente resistent sind, die gegen MDR-TB angewendet werden (extensively drug-resistant, XDR), entwickelten Forscher um Sharma ein mathematisches Modell, um Fallzahlen bis 2040 in vier besonders betroffenen Ländern zu berechnen: Russland, Südafrika, Indien und den Philippinen. Sie prognostizieren einen deutlichen Inzidenzanstieg multiresistenter Tuberkulosefälle für alle vier Regionen, insbesondere für Russland. Hier könnte in 20 Jahren fast ein Drittel aller Tuberkulose-Erkrankten von MDR-TB betroffen sein. Auf den Philippinen wären es etwa 12,4 Prozent, in Indien 8,9 Prozent und in Südafrika 5,7 Prozent. Der Anteil der XDR-Fälle unter den MDR-TB Erkrankten würde bei allen vier Ländern etwa zwischen 8,5 und neun Prozent liegen.
Während in der Vergangenheit sich vor allem bei jenen Patienten Resistenzen entwickelten, die wegen einer Tuberkulose schon behandelt worden waren, werden die multiresistenten Erreger heute bereits bei Neuinfektionen übertragen.
Neuerkrankungen in Europa vor allem im Osten
Mit 125 Erkrankungen an MDR-TB im Jahr 2015 ist die Lage hierzulande derzeit nicht dramatisch, wenngleich auch in Deutschland die Fallzahlen zunehmen. Die Mehrheit der Betroffenen ist nicht in Deutschland geboren. Dennoch: Auch in Europa zeige sich eine bedrohliche Entwicklung, sagt Jan Rybniker, Facharzt für Innere Medizin und Infektiologie am Universitätsklinikum Köln. Laut der Weltgesundheitsorganisation hätten sich hier zwischen 2009 und 2015 die MDR-TB-Fälle unter den Neuinfizierten mehr als verdoppelt. „Die Infektionserkrankung rückt damit näher an uns heran: Ein Drittel aller Fälle wurde aus Europa, überwiegend aus Osteuropa, gemeldet.“ 2015 gab es in Russland 42.000 MDR-TB-Neuinfektionen, in der Ukraine 12.000, in den EU-Anrainerstataaten Weißrussland und Moldawien 1.990 beziehungsweise 1.700.
Weil die Tuberkulose nicht immer einfach zu diagnostizieren ist, bietet die DGI zusammen mit dem Deutschen Zentrum für Infektionsforschung (DZIF) Fortbildungen für Haus- und Fachärzte an. Die Behandlung der Erkrankung sollte jedoch stets in spezialisierten Zentren erfolgen, so die Fachgesellschaft. „Im Fall der Tuberkulose mussten wir erleben, dass weniger als zwei Jahre nach der Zulassung der einzigen neuen Medikamente, die seit mehr als 45 Jahren zur Therapie der TB entwickelt wurden, es bereits 2015 den ersten Fall eines Patienten gab, bei dem die Tuberkulose-Erreger auch gegen die neuen Medikamente resistent waren“, erklärt Christoph Lange, Leiter der Klinischen Infektiologie am Forschungszentrum Borstel.
An der Medizinischen Klinik des Forschungszentrums Borstel, dem Klinischen TB-Zentrum im DZIF, wurden seit Beginn 2015 mehr als 60 Patienten mit multiresistenter und extensiv-resistenter Tuberkulose stationär behandelt. In Deutschland seien selbst für diese Patienten die Heilungsaussichten exzellent, so der Experte. Weltweit können aber nur weniger als 50 Prozent der Patienten mit einer MDR-TB erfolgreich behandelt werden.
Die WHO hat sich vorgenommen, die Tuberkulose bis 2035 deutlich einzudämmen und die Infektion in Niedriginzidenzländern wie Deutschland gänzlich auszurotten. Dies sei zwar ein wichtiges Ziel – eine Initiative zur Kontrolle der multiresistenten Tuberkulose sei angesichts der Entwicklung der Fallzahlen jedoch absolut vordringlich, so die Fachgesellschaft.
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