Wie Städte psychische Krankheiten fördern

Berlin – Psychiatrische Erkrankungen, wie etwa Schizophrenie, treten häufiger in städtischen als in ländlichen Regionen auf. Ein kausaler Zusammenhang lässt sich daraus nicht unmittelbar ableiten, geben die Forscher um Oliver Grübner vom Robert-Koch-Institut zu bedenken. In einer Übersichtsarbeit, die im Deutschen Ärzteblatt erschienen ist, hat der Epidemiologe gemeinsam mit Experten aus Berlin, Potsdam und Boston mit Blick auf das Risiko für psychische Erkrankungen die Unterschiede zwischen Stadt und Land analysiert (Dtsch Arztebl Int 2017; 114(8):121-7).
Leben in der Stadt ist Trend. Mehr als die Hälfte der Weltbevölkerung hat ihren Wohnsitz in Städten. Hier leben weit mehr Menschen auf einem Quadratkilometer als auf dem Land. Verkehrslärm und eine hohe Umweltverschmutzung gehören zu den urbanen Risikofaktoren, die für viele Menschen mit Stress einhergehen und somit auch die Gesundheit beeinträchtigen. Gleichzeitig profitieren Städter von einem besseren Zugang zu diversen Angeboten, wie etwa Gesundheitsversorgung, Arbeitsmarkt und Bildungseinrichtungen.
Das Risiko für einige psychiatrischen Erkrankungen, wie zum Beispiel Angst, psychotische, affektive oder Suchterkrankungen, ist in Städten generell höher, schlussfolgern die Forscher um Grübner und Michael Rapp von der Universität Potsdam auf der Grundlage ihrer Literaturrecherche. Dies zeigen Studien aus Lateinamerika, Asien, China und Deutschland. In einer dänischen Studie aus dem Jahr 2001 war das Risiko, an einer schizophrenen Psychose zu erkranken, mehr als doppelt so hoch für Personen, die ihre ersten 15 Lebensjahre in einer Großstadt gelebt hatten, im Vergleich zu jenen, die in ländlichen Gebieten aufgewachsen waren.
Ursachen für erhöhte Psychoseraten in der Stadt
Das erhöhte Schizophrenierisiko bestätigen auch andere epidemiologische Studien. Dabei steht die urbane Dosis in direkter Relation zur Schizophrenie: Je mehr Zeit man als Kind in einem städtischen Umfeld verbracht hat, desto höher sei das Risiko für eine schizophrene Psychose im Erwachsenenalter. Ein zweiter Mechanismus resultiere in dem beobachteten erhöhten Risiko, schreiben die Autoren: Mehr Menschen mit gesundheitlichen Problemen würden Städte als Wohnort auswählen. Zudem spiele soziale Ausgrenzung und Diskriminierung eine entscheidende Rolle. Denn die Psychoserate steigt, wenn Menschen einer Minderheit angehören und wenn in der Nachbarschaft weniger Menschen gleicher Herkunft leben (ethnische Dichte).
In Berlin untersuchte die Forschergruppe um Rapp, wie sich Armut- und Minderheitenstatus auf Stadtteilebene auf die psychische Belastung auswirkt. Dabei stellte sich heraus, dass die Armut in der Nachbarschaft unabhängig von der individuellen Armut Einfluss nahm. Nahm die Zahl der Einwohner, die arbeitslos und von Sozialhilfe abhängig waren, im Bezirk um zehn Prozent zu, ging das mit einem deutlichen Anstieg psychischer Belastungen einher (siehe Bild).
Im Gegensatz zur Schizophrenie kamen depressive Störungen häufiger in der ländlichen Bevölkerung vor – zumindest in China und Vietnam. In China leidet die ländliche Bevölkerung im Vergleich zur Stadtbevölkerung auch eher an Alkoholabhängigkeit.
Lösungskonzepte sehen die Autoren etwa in einer gesundheitsfördernden Stadtplanung. Inwiefern Straßenbäume, verkehrsberuhigte Zonen und Grünflächen die psychische Gesundheit verbessern, müsse noch besser untersucht werden.
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