Wissenschaftler halten Olympische Spiele im Sommer für problematisch

London – 100 Tage vor dem Start der Olympischen Spiele in Japan bleiben laut Wissenschaftlern „ernsthafte Fragen über die Sicherheit“. Die Pläne für die Spiele sollten daher dringend überdacht werden, fordern Experten im British Medical Journal (BMJ 2021; DOI: 10.1136/bmj.n962).
Kazuki Shimizu von der London School of Economics and Political Science und seine Kollegen argumentieren in dem Editorial, dass der Verlauf der Coronapandemie sehr ungewiss sei und dass internationale Massenveranstaltungen wie Tokio 2020 „immer noch weder sicher noch geschützt sind“.
Sie berichten, dass Japan im Gegensatz zu anderen Ländern im asiatisch-pazifischen Raum die Übertragung von COVID-19 noch nicht eingedämmt habe. „Selbst Mitarbeiter des Gesundheitswesens und andere Hochrisikogruppen werden vor Tokio 2020 keinen Zugang zu Impfstoffen haben, ganz zu schweigen von der allgemeinen Bevölkerung“, schreiben sie.
Um die Athleten angemessen vor COVID-19 zu schützen, „muss Japan eine klare Strategie entwickeln und umsetzen, um die Übertragung in der Bevölkerung innerhalb seiner Grenzen zu eliminieren, wie es Australien vor dem Australian Open Tennisturnier getan hat“, fordern sie.
Sie weisen außerdem darauf hin, dass offiziell sehr wenig über die Paralympischen Spiele gesagt worden sei und darüber, wie die Gesundheit und die Rechte von Menschen mit Behinderungen während internationaler Wettkämpfe zu schützen seien.
Auch in Japan wird eine Absage der Olympischen Sommerspiele in Tokio diskutiert. Der Generalsekretär der regierenden Liberaldemokratischen Partei (LDP) sagte gestern, die Spiele müssten „ohne Zögern“ abgesagt werden, sollte die Infektionslage zu ernst sein. Der für die Coronaimpfungen zuständige Minister Taro Kono versicherte dagegen, das Sportereignis werde in einer „machbaren“ Weise stattfinden, womöglich vollständig ohne Zuschauer vor Ort.
Olympia-Verantwortliche und Organisatoren pochen offenbar auf die Ausrichtung der Spiele. Umfragen zufolge sind die meisten Japaner aber für eine Verschiebung oder Absage des Sportereignisses. Die Zustimmung für Olympische Spiele diesen Sommer liegt bei unter 30 Prozent. Auch Mediziner warnen vor der Veranstaltung.
Zuletzt breitete sich das Coronavirus wieder stärker in Japan aus. Als zweite Stadt sagte vorgestern das westjapanische Ehime den öffentlichen Olympia-Fackellauf ab. Die Coronaimpfkampagne in Japan kommt derweil nur schleppend voran. 1,1 Millionen der 126 Millionen Einwohner Japans haben bisher eine erste Impfung erhalten.
„Wir müssen die Spiele in diesem Sommer überdenken und stattdessen international zusammenarbeiten, um eine Reihe von globalen und nationalen Bedingungen zu vereinbaren, unter denen internationale Multisportveranstaltungen in den kommenden Jahren stattfinden können. Diese Bedingungen müssen sowohl die olympischen als auch die paralympischen Werte verkörpern und sich an internationale Prinzipien der öffentlichen Gesundheit halten“, lautet das Fazit der Wissenschaftler im BMJ.
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