Politik

Zahl von Kindeswohl­gefährdungen leicht gesunken

  • Donnerstag, 11. August 2022
/vovan, stock.adobe.com
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Wiesbaden – Die Zahl von Kindeswohlgefährdungen ist nach ihrem Höchststand im ersten Corona­jahr 2020 im zweiten Jahr der Pandemie leicht gesunken. Wie das Statistische Bundesamt heute in Wiesbaden mitteilte, stellten die Jugendämter in Deutschland im vergangenen Jahr bei über 59.900 Kindern und Jugend­lichen eine Gefährdung durch Vernachlässigung, psychische, körperliche oder sexuelle Gewalt fest.

Das waren demnach rund 600 Fälle oder ein Prozent weniger als im Vorjahr. Gleichzeitig stiegen aber die Fälle, in denen die Behörden nach Prüfung des Verdachts zwar keine Kindeswohlge­fährdung, aber einen Hilfebedarf feststellten, um knapp zwei Prozent oder 1.100 Fälle.

Insgesamt meldeten die Jugendämter im vergangenen Jahr fast 67.700 Fälle von Hilfebedarf. Im zweiten Coronajahr erreichten die Kindeswohlgefährdungen den Statistikern zufolge damit den zweithöchsten Wert seit Einführung der Statistik im Jahr 2012 und die Hilfebedarfsfälle einen neuen Höchststand.

Bis zu ihrem Höchststand 2020 stiegen die Kindeswohlgefährdungen demnach um 58 Prozent. Ob das Jahr tatsächlich langfristig einen Wendepunkt markiert, ist laut Statistikamt jedoch derzeit nicht absehbar. So könnte sich zum Beispiel der zunehmende Verzicht auf Schul- und Kitaschließungen im zweiten Coronajahr 2021 positiv auf den Kinderschutz ausgewirkt haben.

Andererseits trugen vermutlich auch pandemiebedingte Zusatzbelastungen von Familien – etwa durch be­grenzte Freizeitmöglichkeiten und Distanzlernen – zum anhaltend hohen Niveau der Zahlen bei. Nicht aus­zuschließen ist den Statistikern zufolge jedenfalls, dass das Dunkelfeld durch die allgemeinen Einschränkun­gen wuchs und ein Teil der Kinderschutzfälle unerkannt blieb.

Etwa jedes zweite der rund 59.900 von einer Kindeswohlgefährdung betroffenen Kinder war den Angaben zufolge jünger als acht Jahre, jedes vierte sogar jünger als vier Jahre. Während Jungen bis zum Alter von elf Jahren etwas häufiger betroffen waren, galt dies für Mädchen ab dem zwölften Lebensjahr.

42 Prozent der Minderjährigen wuchsen bei alleinerziehenden Müttern oder Vätern auf, 38 Prozent bei beiden Eltern gemeinsam, elf Prozent bei einem Elternteil in neuer Partnerschaft. Die Hälfte der betroffenen Jungen und Mädchen nahm der Behörde zufolge zum Zeitpunkt der Gefährdungseinschätzung bereits eine Leistung der Kinder- und Jugendhilfe in Anspruch.

In 45 Prozent aller Fälle von Kindeswohlgefährdung hatten das Amt Anzeichen von Vernachlässigung festge­stellt. Bei 18 Prozent gab es Hinweise auf psychische Misshandlungen. In 13 Prozent wurden Indizien für kör­perliche Misshandlungen und in weiteren vier Prozent Anzeichen für sexuelle Gewalt gefunden. In jedem fünften Fall – 21 Prozent – lagen zudem mehrere Arten von Vernachlässigung oder Gewalt vor.

Mit 28 Prozent die meisten der rund 197.800 Gefährdungseinschätzungen wurden demnach von Polizei oder Justizbehörden angeregt. Ein Viertel der Hinweise kam von Verwandten, Bekannten oder Nachbarn. Danach folgten Einrichtungen der Kinder- und Jugendhilfe mit 13 Prozent. Jeweils etwa ein Zehntel der Hinweise gaben die Schulen und die Familien selbst, also die betroffenen Kinder oder deren Eltern.

Eine Kindeswohlgefährdung liegt demnach vor, wenn eine erhebliche Schädigung des körperlichen, geistigen oder seelischen Wohls eines Kinds droht oder bereits eintrat. In Verdachtsfällen sind die Jugendämter zum Einschreiten verpflichtet.

dpa

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