Ärzteschaft

Zu wenig Zeit für Psychotherapie in der Psychiatrie

  • Mittwoch, 12. November 2025
/Khunatorn, stock.adobe.com
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Berlin – In der Erwachsenenpsychiatrie erhalten Patienten im Schnitt nur die Hälfte der vorgesehenen Einzelpsychotherapie pro Woche, nämlich 25 Minuten statt 50 Minuten. Das zeigt eine Auswertung der Bundespsychotherapeutenkammer (BPtK) zur Personalausstattung und zum Leistungsgeschehen in der Psychiatrie.

Die Analyse aus öffentlich verfügbaren Routinedaten zeigt demnach auch, dass auch in der Kinder- und Jugendpsychiatrie mit durchschnittlich 90 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche die mindestens vorgesehenen 100 Minuten Einzeltherapie nicht erreicht werden.

„Psychotherapie ist ein zentrales und unverzichtbares Behandlungsmittel bei psychischen Erkrankungen und muss in der stationären Versorgung deutlich intensiver sein“, sagte BPtK-Präsidentin Andrea Benecke. 25 Minuten Einzelpsychotherapie pro Woche bleibe weit hinter der ambulanten Versorgung und dem Ziel der PPP-(Personalausstattung Psychiatrie und Psychosomatik)-Richtlinie zurück.

Die Gründe, weshalb Psychotherapie in so geringem Umfang bei den Patienten ankommt, sind aus Sicht der BPtK vor allem eine starke Leistungsverdichtung und ein gestiegener bürokratischer Aufwand in den Kliniken seit Verabschiedung der Psychiatrie-Personalverordnung (Psych-PV) vor über dreißig Jahren.

Die Vorgaben der Psych-PV seien nahezu unverändert in die PPP-Richtlinie übernommen worden, die seit dem 1. Januar 2020 verbindliche Mindestanforderungen an die Personalausstattung in stationären psychiatrischen und psychosomatischen Krankenhäusern festlegt, hieß es.

Dabei seien die Vorgaben für die psychotherapeutischen Berufsgruppen zwar so erhöht worden, dass rein rechnerisch 50 Minuten möglich sein sollten. Nicht berücksichtigt worden sind der BPtK zufolge aber die deutlich kürzeren Verweildauern und höheren Fallzahlen.

Das führe dazu, dass der Teil der Arbeitszeit, der für Aufnahmen und Entlassungen und die damit verbundenen organisatorischen Aufgaben aufgewendet werden muss, im Verhältnis zur eigentlichen Behandlungszeit deutlich gestiegen si. Hinzu kämen erhöhte Anforderungen an Dokumentation und Qualitätssicherung.

Entsprechend fordert die Kammer, die Mindestvorgaben für die Personalausstattung mit Psychotherapeuten so zu erhöhen, dass der im Vergleich zur Psych-PV gestiegene Aufwand für administrative Tätigkeiten einschließlich Dokumentation ausgeglichen wird.

Darüber hinaus müsse der bürokratische Aufwand in den psychiatrischen Kliniken weiter reduziert werden, damit das klinische Personal mehr Zeit für die Patientenversorgung habe. Des Weiteren müsse die Digitalisierung in den psychiatrischen Kliniken dringend vorangetrieben werden.  

Ausgewertet hat die BPtK nach eigenen Angaben die Daten zur Personalausstattung von 896 erwachsenenpsychiatrischen und 302 kinder- und jugendpsychiatrischen Fachabteilungen. Zudem wurden die Leistungsdaten von fast 700.000 vollstationären Fällen in der Erwachsenenpsychiatrie und mehr als 23.000 Fällen in der Kinder- und Jugendpsychiatrie analysiert.

PB

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