Hitzige Debatte im Bundestag zum Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche

Berlin – Es ist spät an diesem Donnertagabend im Bundestag, aber die Reihen der Parlamentarier sind gut gefüllt, die Spitzenpolitiker der sechs Fraktionen sind zum Teil auch noch um 21 Uhr auf ihren Plätzen im Plenum. Die Debatte um den Paragrafen 219a Strafgesetzbuch, dem Werbeverbot für Schwangerschaftsabbrüche, war für 38 Minuten angesetzt, am Ende wurden es 58 Minuten hitzige Debatte mit vielen Zwischenrufen.
Zur Diskussion standen drei Anträge von Grünen und Linken, die jeweils die Streichung des Paragrafen 219a forderten. Die FDP bemüht sich um eine Vermittlung und sieht eine Konkretisierung im Strafrecht vor. Die SPD hatte sich in den vergangenen Tagen unterschiedlich positioniert, doch beide Redner machen an diesem Abend deutlich: „Die SPD-Bundestagsfraktion steht für die Streichung des Paragrafen 219a“, erklärte Eva Högel. Union und AfD sind klar gegen eine gesetzliche Neuregelung und wollen den Paragrafen in der jetzigen Form erhalten.
Um hier Rechtssicherheit für Ärztinnen und Ärzte sowie die Informationsfreiheit für Patientinnen zu wahren, fordern die Grünen eine Streichung des Paragrafen. „Der Titel des Gesetzes ist bereits irreführend“, erklärte Ulle Schauws, Gleichstellungspolitikerin bei den Grünen. Als erste Rednerin des Abends führte sie aus, dass die Berufsordnung der Ärzte bereits regelt, dass es keine anpreisende Werbung für medizinische Leistungen geben dürfe. „Wir brauchen hier keinen Strafrechtsparagrafen.“
Die Zahl der Anzeigen gegen Ärztinnen und Ärzte steigt deutlich an. „Abtreibungsgegnerinnen und -gegner gehen gezielt gegen Ärztinnen und Ärzte vor, die online über Schwangerschaftsabbrüche informieren und zeigen diese an.“ Sie stellte auch klar, dass mit der Streichung von 219a alle Regelungen des Paragrafen 218, der den Schwangerschaftsabbruch unter bestimmten Voraussetzungen erlaubt, nicht berührt sind. „Liebe Frauen von der Union, die Aufhebung berührt den Gesamtkompromiss des Paragrafen 218 nicht“, so Schwaus.
Schutzfunktion angeführt
Die Redner von CDU, CSU und AfD sehen das allerdings anders. Alle drei Parteien sehen die Rechte des ungeborenen Kindes gefährdet, wenn das Werbeverbot aus dem Strafrecht fällt. „Auch der 219a hat eine weitere Schutzfunktion des ungeborenen Lebens. Schwangere sollen sich nur in den dafür vorgesehenen Beratungsstellen informieren“, sagte Stephan Harbarth von der CDU. „Plakate oder Anzeigen in Zeitschriften oder im Internet sind da keine Hilfe.“
Elisabeth Winkelmeier-Becker verglich mögliche Werbung für Abbrüche mit denen heutiger Schönheitskliniken. „In der Rubrik Bewertungen könnten Patientinnen schreiben: Ich war rundum zufrieden und gebe fünf Sterne“, sagte die CDU-Politikerin. Mariana Harder-Kühnel von der AfD warb für die „Willkommenskultur des Lebens“, anstatt das Werbeverbot zu lockern. Ebenso wie Harbarth vor ihr, zitiert sie ausführlich aus dem Urteil des Bundesverfassungsgerichtes zu Paragraf 218: „Das Grundgesetz verpflichtet den Staat, menschliches Leben, auch das ungeborene, zu schützen.“
Dazu zählt für den CDU-Abgeordneten Harbarth auch, dass die Beratung „dem Schutz des ungeborenen Lebens dient“. So schlussfolgert er: „Deshalb würde die Zulassung von Werbung das derzeitige Beratungsmodell infrage stellen. Genau das wollen wir nicht.“ Dafür erntete er Applaus bei AfD sowie der Unionsfraktion.
Die AfD warf Linken und Grünen „Fehlinformationen“ in ihren Anträgen vor. „Sie wollen den Bürgern weismachen, dass die bloße Information über Schwangerschaftsabbrüche durch Ärzte nach Paragraf 219a strafbar ist“, so Harder-Kühnel. „Dabei ist die ausdrückliche Information und Beratung von Schwangeren in Paragraf 218 ausdrücklich vorgeschrieben.“
Auch die CSU-Politikerin Silke Launert, die Schlussrednerin an dem Abend, sieht die Schutzrechte des Staates für das ungeborene Leben vor denen der Frau. „Wir haben im Moment eine Gesellschaft, in der man die Werbung für Tabak verbieten, aber die Werbung für den Abbruch einer Schwangerschaft legalisieren will“, so Launert weiter. Dafür erntete sie heftige Zwischenrufe von Grünen und den Linken.
Eingriff in die Berufsfreiheit
Die Befürworter erklärten in der Debatte, dass das Werbeverbot auch in die Berufsfreiheit von Ärztinnen und Ärzten eingreift. „Ich persönlich bin der Auffassung, diese Entscheidung des Amtsgerichtes in Gießen greift auch in die Berufsfreiheit der Ärztinnen und Ärzte nach Artikel 12 Absatz 1 Grundgesetz ein, denn sie sind nicht mehr in der Lage, objektiv zu informieren“, sagte Eva Högel, Rechtspolitikerin von der SPD. Sie warb dafür, eine fraktionsübergreifende Lösung in der Diskussion zu finden.
Diesen Kompromiss bot die FDP-Fraktion an. So sieht Stephan Thomae den Zwiespalt zwischen gewachsenem Informationsbedürfnis und Respekt vor dem Schutzkonzept des Lebens. „Es kann auch nur eine Sache der Landesärztekammern und Sache des Standesrechtes der Ärzte sein. Auch wir als Gesetzgeber müssen uns dazu verhalten und überlegen, wie wir zu dieser Werteentscheidung stehen.“ Daher schlage seine Fraktion vor, dass es für Ärzte nicht erlaubt sein soll, „in grob anstößiger Weise für Schwangerschaftsabbrüche oder strafbare Abbrüche zu werden.“
Beratungen im Rechts- und Familienausschuss
Für die Linke liegt die Krux in den Formulierungen: „Werbung und Information werden durch aktuelle Rechtsprechung gleichgesetzt. Ärztinnen und Ärzte dürfen zwar Abtreibungen vornehmen – unter bestimmten Umständen –, aber sie dürfen nicht darüber informieren“, sagte Cornelia Möhring, Frauenpolitische Sprecherin der Linken-Bundestagsfraktion. „Zugespitzt heißt das: Wir erwarten von diesen Ärztinnen und Ärzten, dass sie es heimlich tun. Das ist doch völlig absurd.“
Bereits in der kommenden Woche wollen sich die Fraktionen erneut zu Beratungen treffen. Die drei vorgelegten Gesetzesentwürfe werden nun vom Rechtsausschuss, dem Gesundheitsausschuss sowie dem Familienausschuss beraten.
Der Initiative, den Paragrafen 219a zu streichen, haben sich inzwischen mehrere Ärzteverbände angeschlossen: Die Deutsche Gesellschaft für Allgemeinmedizin (DEGAM), der Berufsverband der Frauenärzte (BVF), der Ärztinnenbund, der Verband der demokratischen Ärztinnen und Ärzte sowie die Delegiertenversammlungen der Landesärztekammern Berlin und Hessen.
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