Ärzte werden stärker in Kinder- und Jugendschutz eingebunden

Berlin – Kinder sollen künftig besser vor Übergriffen und Misshandlungen geschützt werden. Das Bundeskabinett beschloss heute das Gesetz zur Stärkung von Kindern und Jugendlichen, das unter anderem die Rolle der Ärzte im Kinderschutz ausweitet. „Der Mitverantwortung des Gesundheitswesens für einen wirksamen Kinderschutz wird durch eine Hervorhebung der spezifischen Belange von Kindern und Jugendlichen im SGB V Nachdruck verliehen und mit einer expliziten Regelung zur Zusammenarbeit von Ärztinnen und Ärzten mit dem Jugendamt konkretisiert“, heißt es im Gesetzentwurf. Ärztinnen und Ärzte seien „unverzichtbare Partner in der Verantwortungsgemeinschaft für den präventiven und intervenierenden Kinderschutz“.
Kassenärztliche Vereinigungen sollen demnach mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Landesebene eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Vertragsärzten mit den Jugendämtern schließen, um die medizinische Versorgung von Kindern und Jugendlichen zu verbessern, bei denen Vertragsärzte im Rahmen von speziellen Früherkennungsuntersuchungen (nach § 26 SGB V) oder im Rahmen ihrer oder der ärztlichen Behandlung ihrer Familienangehörigen (nach § 28 SGB V) Anhaltspunkte für eine Gefährdung ihre Wohls feststellen, heißt es.
Gegenstand der Vereinbarungen solle der Ablauf für eine enge Kooperation in Fällen sein, in denen Vertragsärzte eine Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen feststellten, sagte eine Sprecherin des Bundesfamilienministeriums auf Nachfrage des Deutschen Ärzteblattes. Damit werde „zur Entlastung“ der Vertragsärze das praktische Vorgehen in möglichen Kinderschutzfällen geregelt, zu dem insbesondere auch der Informationsaustausch mit dem Jugendamt gehöre, erklärte sie weiter. „Dabei geht es auch um eine enge Abstimmung von therapeutischen Maßnahmen und der Hilfeplanung und -prozesse der Kinder- und Jugendhilfe“, erklärte die Sprecherin.
Lockerung von der Schweigepflicht präzisiert
Damit korrespondierend wird die Schweigepflicht für Ärzte präziser geregelt, damit Mediziner künftig nicht mehr davon absehen, die Gefährdung für ein Kind zu melden. Ärzte, Psychologen, Hebammen und Entbindungspfleger und Angehörige eines Heilberufes dürfen laut Gesetzentwurf künftig ausdrücklich das Jugendamt informieren und diesem „die zur Abwendung der Gefährdung erforderlichen Daten“ mitteilen.
Ärzte, die das Jugendamt bei Anhaltspunkten für eine Kindeswohlgefährdung eingeschaltet haben, sollen nach erfolgter Meldung ans Jugendamt darüber hinaus am weiteren Prozess beteiligt und künftig besser über die weitere Entwicklung informiert werden. Das ist bislang nicht der Fall.
Der Berufsverband der Kinder- und Jugendärzte (bvkj) hatte bereits im Juni 2016 eine bessere Kooperation zwischen Kinderärzten und der Kinder- und Jugendhilfe gefordert, um Misshandlungen von Kindern und Jugendlichen nachzugehen. „Es kann nicht sein, dass Ärzte nur als Melder für die Jugendhilfe fungieren und dann keine Rückmeldung erhalten, was aus den Fällen geworden ist“, betonte der Präsident des bvkj, Thomas Fischbach, damals auf dem 16. Forum für Gesundheits- und Sozialpolitik des Verbandes.
Neuregelung zu unbegleiteten Flüchtlingen
Neben der Kooperation zwischen Jugendämtern und Ärzten sieht der Gesetzentwurf vor, die Zusammenarbeit der Ämter mit Ermittlungsbehörden und Justiz zu verbessern. Geplant ist auch eine bessere Beratung von Kindern und Jugendlichen. Praxistauglicher geregelt werden soll zum Beispiel auch, inwieweit Führungszeugnisse von ehrenamtlichen Betreuern eingesehen werden können. Vorgesehen ist zudem eine wirkungsvollere Heimaufsicht. Darüber hinaus sollen Familiengerichte in die Lage versetzt werden, den dauerhaften Verbleib eines Kindes in einer Pflegefamilie anzuordnen.
Mit dem Beschluss wird außerdem eine Regelung zum Schutz von Kindern und Frauen in Flüchtlingsunterkünften auf den Weg gebracht. Um sie besser vor Übergriffen zu schützen, werden die Träger von Aufnahmeeinrichtungen verpflichtet, Gewaltschutzkonzepte zu erarbeiten. Mit dem neuen Gesetz soll außerdem die Finanzierung von Einrichtungen für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge neu geregelt werden. Die Länder sollen mehr Einfluss auf die zumeist kommunalen Einrichtungen bekommen. Dazu wird die Möglichkeit eröffnet, Landesrahmenverträge mit den kommunalen Spitzenverbänden und den Leistungserbringern abzuschließen.
Kritik von der Union
Sozial- und Hilfsorganisationen wie Paritätischer Gesamtverband, Deutscher Kinderschutzbund und Pro Asyl sehen in dem Gesetzentwurf eine „Diskriminierung unbegleiteter minderjähriger Flüchtlinge“. Das Bundesministerium wies diesen Vorwurf zurück.
Die Union warf Schwesig vor, das Gesetzesvorhaben zu lange hinter verschlossenen Türen beraten zu haben, und es jetzt im Eiltempo zu beraten. „Erste Entwürfe wurden von der Fachwelt zerrissen“, kritisierte die stellvertretende Vorsitzende der Unionsfraktion, Nadine Schön. „Um nun wenigstens pro forma eine Vereinbarung des Koalitionsvertrages umzusetzen, wurde eine abgespeckte Version der Reform auf den Weg gebracht und in kürzester Zeit durch die Ressortabstimmung und parallel auch die Verbände- und Länderanhörung gedrückt.“
Eine Reform, die tief in die Grundrechte von Eltern und Kindern eingreift, benötige aber ausreichend Zeit und intensive Diskussionen. „Diese Zeit werden wir uns im Interesse der Kinder und Jugendlichen und ihrer Familien nehmen“, erklärte Schön weiter.
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