Ärzte sind beim Kinder- und Jugendschutz in der Verantwortung

Berlin – Der Bundestag hat kurz vor der Sommerpause noch die Reform des Jugendschutzgesetzes abgesegnet. Die Zusammenarbeit von Jugendämtern und Ärzten soll mit der Novelle ausgeweitet werden – etwa beim Verdacht auf Missbrauch.
„Das Gesetz stärkt Kinder und Jugendliche durch einen wirksameren Kinderschutz, vor allem durch eine bessere Zusammenarbeit zwischen Jugendamt und Ärztinnen und Ärzten“, erklärte Bundesfamilienministerin Katarina Barley (SPD) heute. Ärzte dürften nicht – mit Blick auf ihre Schweigepflicht – von Zweifeln daran gehindert werden, einen Missbrauchsverdacht dem Jugendamt zu melden. „Hier schafft das Gesetz Klarheit“, sagte Barley.
Die Ministerin bezieht sich dabei auf eine Lockerung der Schweigepflicht, die für diverse Berufe präziser geregelt wird. Ärzte, Psychologen, Hebammen und Entbindungspfleger und Angehörige eines Heilberufes mit staatlichem Abschluss dürfen laut Gesetzentwurf künftig ausdrücklich das Jugendamt informieren und diesem „die zur Abwendung der Gefährdung erforderlichen Daten“ mitteilen.
Ärzte erhalten zeitnah Rückmeldung vom Jugendamt
Neu ist auch: Ärzte, die dem Jugendamt einen Verdachtsfall gemeldet haben, erhalten künftig zeitnah eine Rückmeldung, wie es mit dem Kind und der Familie weitergeht, und werden verstärkt in die Einschätzung der Gefährdungssituation einbezogen. Das war bisher nicht der Fall. Die Rückmeldung an den Arzt ist aus Sicht der Bundesärztekammer (BÄK) wichtig, damit der behandelnde Arzt in seinem Kontakt mit dem Kind beziehungsweise dem Erziehungsberechtigten nach erfolgter Meldung nicht im Ungewissen belassen wird, und er die nachfolgenden Patienten-Kontakte entsprechend gestalten kann.
Nachbesserungsbedarf gesehen hatte die BÄK schon beim Gesetzentwurf bei der Frage, was die vorgesehene „geeignete Beteiligung an der Gefährdungseinschätzung“ durch das Jugendamt im Einzelfall für den Arzt umfassen kann. Die BÄK wies schon damals darauf hin, dass der Einbezug in die Gefährdungseinschätzung verhältnismäßig erfolgen muss. Insbesondere sollte es zu keinen Störungen des Praxisablaufs führen und das Vertrauensverhältnis zwischen Arzt und Patient gerade auch im Falle einer negativ verlaufenden Gefährdungseinschätzung nicht belastet werden, hieß es.
KVen sollen Verträge schließen
Neben der Kooperation zwischen Jugendämtern und Ärzten nimmt der Gesetzgeber die Kassenärztlichen Vereinigungen in die Pflicht. Diese sollen künftig mit den kommunalen Spitzenverbänden auf Landesebene eine Vereinbarung über die Zusammenarbeit von Vertragsärzten mit Jugendämtern abschließen. Gegenstand soll der Ablauf für eine enge Kooperation in Fällen sein, in denen Vertragsärzte eine Gefährdung des Wohls des Kindes oder Jugendlichen feststellten.
Das Gesetz sieht auch vor, die Kooperation der Jugendämter mit Ermittlungsbehörden und Justiz zu verbessern. Familiengerichte sollen in die Lage versetzt werden, den dauerhaften Verbleib eines Kindes in einer Pflegefamilie anzuordnen. Geplant ist zudem eine wirkungsvollere Heimaufsicht. Insbesondere werden die Kontrollmöglichkeiten der Aufsichtsbehörden und die Voraussetzungen für die Betriebserlaubnis erweitert.
Neue Anlaufstelle für alle Kinder und Jugendlichen
Das Gesetz erweitert auch die Beratungs- und Beschwerdemöglichkeiten für alle Kinder und Jugendlichen. So wird die Errichtung von Ombudsstellen als externe und unabhängige Anlaufstellen gesetzlich verankert. Kinder und Jugendliche erhalten mit dem Gesetz auch einen uneingeschränkten Anspruch auf Beratung der Kinder- und Jugendhilfe – auch ohne Kenntnis ihrer Eltern.
„Die Beratungsstelle oder das Jugendamt muss nicht wie bisher zuerst prüfen, ob eine Notlage vorliegt, bevor es dem Kind oder dem Jugendlichen unabhängig von den Eltern hilft. Das erweitert den Beratungszugang für Kinder und Jugendliche, stärkt ihre Rechte und baut Hürden ab“, sagte Katarina Barley.
Schutz für Flüchtlingskinder
Neu geschaffen wird eine Regelung zum Schutz von Kindern, Jugendlichen und Frauen in Flüchtlingsunterkünften. Schutz ist danach gegen alle Formen der Gewalt durch geeignete Maßnahmen der Länder sicherzustellen, aber auch unmittelbar durch die Träger vor allem mittels der Anwendung von Schutzkonzepten.
„Bereits seit Sommer 2015 habe ich wiederholt gesetzliche Mindeststandards gefordert“, sagte Johannes-Wilhelm Rörig, Unabhängiger Beauftragter für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs. Tausende geflüchtete Mädchen und Jungen seien täglich der Gefahr von sexuellen Übergriffen ausgesetzt. Rörig zeigte sich „sehr froh“, dass Flüchtlingskinder den Schutz erhielten, der ihnen zustehe, und es nicht länger vom Zufall oder Engagement Einzelner abhänge, ob sie geschützt aufwachsen könnten.
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