Integrierte Notfallzentren könnten Kapazitäten in der ambulanten Versorgung verknappen

Berlin – Die geplante Reform der Notfallversorgung mit dem Aufbau flächendeckender Integrierter Notfallzentren (INZ) könnte die Kapazitäten in der Regelversorgung deutlich verknappen. Das hat das Zentralinstitut für die kassenärztliche Versorgung in Deutschland (Zi) errechnet.
Hintergrund der Analyse sind die im Februar von der „Regierungskommission für eine moderne und bedarfsgerechte Krankenhausversorgung“ vorgelegten Empfehlungen zur Reform der Notfall- und Akutversorgung.
Darin schlägt die Kommission vor, die Notfallversorgung möglichst an größeren, gut ausgestatteten Krankenhäusern zu konzentrieren. Zur Entlastung dieser Notaufnahmen sollen die Kassenärztlichen Vereinigungen (KVen) Bereitschaftspraxen an jenen Notaufnahmen einrichten. Dies wird Integriertes Notfallzentrum (INZ) genannt.
Nach dem Konzept der Regierungskommission soll die Bereitschaftspraxis an allen Kliniken der Notfallstufe 3 rund um die Uhr besetzt sein. An allen Krankenhäusern der Notfallstufe 2 empfiehlt die Kommission eine Besetzung der Bereitschaftspraxis montags bis freitags von 14 Uhr bis 22 Uhr sowie samstags, sonntags und feiertags von 9 Uhr bis 21 Uhr.
Darüber hinaus sollen, wo regional erforderlich, auch an Kliniken der Notfallstufe 1 Bereitschaftspraxen oder Medizinische Versorgungszentren (MVZ) im 24/7-Betrieb eingerichtet werden. Zusätzlich empfiehlt die Regierungskommission, den fahrenden ärztlichen Bereitschaftsdienst auch zu Praxisöffnungszeiten, also rund um die Uhr, anzubieten.
Bei einer Umsetzung des Modells macht das Zi erhebliche Auswirkungen für die ambulante Versorgung aus. Der Vorschlag führt dem Zi zufolge dazu, dass die Zahl der Bereitschaftspraxen von heute rund 865 reduziert wird, da die Kommission von 160 Krankenhäusern der Notfallstufe 3 und von 260 Krankenhäusern der Notfallstufe 2 ausgeht.
Um die erweiterten Präsenzzeiten in rund 420 INZ durch niedergelassene Allgemeinmediziner, Internisten oder Chirurgen bereitstellen zu können, müssten rund 600 Vertragsarztpraxen täglich geschlossen werden.
Grund sei, dass niedergelassene Ärztinnen und Ärzte zum Dienst in den Bereitschaftspraxen verpflichtet wären oder Ruhezeiten einzuhalten hätten und nicht zur medizinischen Versorgung ihrer Patienten in den Praxen zur Verfügung stehen könnten, schreibt das Zi.
Würde zusätzlich der fahrende Bereitschaftsdienst auf die Praxisöffnungszeiten erweitert, würden laut Zi-Berechnung weitere rund 850 Praxen täglich geschlossen werden müssen.
Die Folge wären weitere Engpässe in der ambulanten Versorgung. Das Zi errechnet, dass rund vier Millionen Patientenkontakte in der vertragsärztlichen Regelversorgung nicht wie üblich stattfinden könnten. Ein gewisser Anteil der betroffenen Patienten würde sich voraussichtlich an die Notfallversorgung wenden, so das Zi.
An den INZ würden aber üblicherweise weniger Patienten pro Stunde behandelt als im regulären Praxisbetrieb. Gehe man davon aus, dass an künftigen INZ in etwa die gleichen Fallzahlen pro Stunde ambulant behandelt würden wie heute, wäre dort mit rund einer Million zusätzlichen Patientenkontakten zu rechnen.
Rechnerisch bleiben dem Zi zufolge rund drei Millionen Patientenkontakte, die entweder in anderen Praxen versorgt werden müssten oder zusätzlich in die Notfallversorgung drängten und dort wieder eine Überlastung hervorrufen würden.
Der Zi-Vorstandsvorsitzende Dominik von Stillfried mahnte, die Personalengpässe in der medizinischen Versorgung zu berücksichtigen. Er warnte, wenn Patienten lernten, dass der Zugang zu ärztlicher Versorgung über die Angebote der Notfallversorgung einfacher sei, entstehe ein Sogeffekt weg von der Regelversorgung hin zur Notfallversorgung. „Die zwangsläufige Folge wäre, dass die Notfallversorgung wieder überlastet wird“, so von Stillfried.
Die Regierungskommission muss laut Zi das Konzept überarbeiten. Die anstehende Reform dürfe den Zugang zur Notfallversorgung nicht so regeln, dass Patienten die Notfall- gegenüber der Regelversorgung vorzögen. „Die medizinische Notfallbehandlung muss vielmehr etwas Besonderes für echte Notfälle bleiben“, machte von Stillfried deutlich.
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