Politik

SVR-Gutachten: Strukturelle Probleme angehen und Ressourcen effizienter einsetzen

  • Donnerstag, 25. April 2024
Der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege hat heute nicht nur ein neues Gutachten „Fachkräfte im Gesundheitswesen. Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource“ vorgelegt, sondern das Ereignis auch in einem Selfie festgehalten. /picture alliance, Flashpic, Jens Krick
Der Sachverständigenrat Gesundheit und Pflege hat heute nicht nur ein neues Gutachten „Fachkräfte im Gesundheitswesen. Nachhaltiger Einsatz einer knappen Ressource“ vorgelegt, sondern das Ereignis auch in einem Selfie festgehalten. /picture alliance, Flashpic, Jens Krick

Berlin – Der „ineffiziente Einsatz“ von Ressourcen im Gesundheitswesen muss gestoppt werden. Dies betonte heute Michael Hallek, Vorsitzender des Sachverständigenrats Gesundheit und Pflege (SVR), im Rahmen der Vorstellung des SVR-Gutachtens „Fachkräfte im Gesundheitswesen. Nachhaltiger Einsatz einer knappen Res­source“.

Die derzeitigen „strukturellen Probleme“ würden Druck auf die ohnehin zunehmend kritische Fachkräftesitu­ation in der pflegerischen und medizinischen Versorgung bewirken, so Hallek.

Ein Mehr an Fachkräften sei angesichts des demografischen Wandels nicht zu erwarten – deshalb müsse die Arbeit effizienter und intelligenter organisiert werden. Vor diesem Hintergrund empfehle der SVR ein Maß­nahmenbündel, um künftig die Ressource der Fachkräfte gezielter im Sinne des Patientenwohls einzusetzen.

Der stellvertretende SVR-Vorsitzende, Jonas Schreyögg, betonte, die Versorgungslandschaft, „wie sie sich in den letzten Jahrzehnten entwickelt hat, bindet zu viel Personal und bringt für das, was wir investieren, nicht die Qualität, die wir uns für den Krankheitsfall wünschen“. Nötig sei ein „Paradigmenwechsel“ hin zu besserer Koordination und mehr Ambulantisierung – so lasse sich der Fachkräftebedarf reduzieren.

Hierzu gehöre eine Reform der Notfallversorgung und eine wirksame Krankenhausreform, die Fachkräfte und Kompetenzen in funktionstüchtigen Zentren zusammenfasse, so Schreyögg. Ein Ziel müsse es sein, die Bele­gungstage in den Krankenhäusern deutlich zu senken. Das dies möglich sei, zeigten diverse internationale Vorbilder.

Zum Bereich der Pflege äußerte sich die stellvertretende SVR-Vorsitzende Melanie Messer. Hier herrschten bereits seit Jahren Personalengpässe – eine weitere Verschärfung sei zu befürchten. Auch in diesem Bereich gelte es, „große Reformschritte“ zu wagen.

So sollten bei Pflegefachpersonen vorhandene Kompetenzen besser genutzt und Aufgaben- und Verantwor­tungsprofile modernisiert werden. Bei entsprechender Qualifikation sollten Pflegekräfte auch eigenverant­wortlich heilkundlich tätig werden dürfen.

Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) nannte das vorgelegte Gutachten heute ein „sehr wich­tiges“. Der Sachverständigenrat beleuchte mit dem schon jetzt erheblichen Fachkräftemangel ein Kernprob­lem des Gesundheitswesens. Der Bedarf an Ärztinnen, Ärzten und Pflegekräften sei in den bestehenden Struk­turen nicht zu decken. „Im Großen und Ganzen“ begreife er das SVR-Gutachten als Bestätigung der aktuellen Gesetzesvorhaben.

Der SPD-Politiker verwies beispielhaft auf die geplante Krankenhausreform, das Gesundheitsversorgungsstär­kungsgesetz (GVSG) sowie eine Reform der Notfallversorgung. Insgesamt sieht er das Gesundheitswesen vor einer „Generalüberholung“. Nun komme es darauf an, die Reformen „unverwässert“ umzusetzen – „Bagatellre­formen“ reichten angesichts der Lage nicht. „Gute Reformen oder keine Reformen“, so Lauterbachs Credo.

Die SVR-Empfehlungen im Kurzüberblick

Der Rat spricht eine Reihe von Empfehlungen zu Reformen aus, die das primäre Ziel verfolgen, die Zahl der stationären Belegungstage durch verbesserte Koordination und Ambulantisierung in erheblichem Umfang zu reduzieren. Dies werde Personalkapazitäten im stationären Sektor freisetzen.

Zudem empfehlen die Experten eine bedarfsgerechte und ressourcenschonende ambulante Versorgung, die verstärkt primärärztlich erfolgt und in dezentralen, untereinander sowie mit dem stationären Bereich ver­netz­ten und über alle Schnittstellen entlang des Patientenpfades hinweg koordinierten Strukturen organisiert sein soll.

Besonders hohes Potenzial zur Reduktion von Belegungstagen biete die Einrichtung Integrierter Leitstellen (ILS) und Integrierter Notfallzentren (INZ). Auch sollten Einsätze des Rettungsdienstes zukünftig als eigen­ständige, präklinische notfallmedizinische Leistung abgerechnet werden, um die Notaufnahmen und damit die personellen Ressourcen in den Krankenhäusern zu entlasten.

In Bezug auf die sektorengleiche Vergütung empfiehlt der SVR die zügige Weiterentwicklung und Erweiterung der Hybrid-DRG-Verordnung auf weitere Leistungsbereiche. Im stationären Bereich solle neben der Einfüh­rung von nach Leistungsbereichen differenzierten Vorhaltepauschalen eine Reform der DRG-Vergütung durch­geführt werden.

Der Rat empfiehlt zudem, eine sektorenübergreifende Bedarfsplanung ambulanter Leistungen zu etablieren. Potenziell substitutive Leistungen des ambulanten und stationären Sektors sollen gemeinsam auf Grundlage von alters- und morbiditätsgewichteten Schätzungen und Prognosen des Bedarfs geplant werden.

Ebenfalls empfohlen wird die flächendeckende Registrierung von Versicherten bei hausärztlichen beziehungs­weise kinderärztlichen Praxen sowie die Ausweitung eines Primärarztsystems. Die Vergütung soll „für den haus­ärztlichen Bereich und für ausgewählte Patientengruppen von Fachspezialisten“ von einer Quartalspau­schale zu einer Jahrespauschale mit Entkopplung der Vergütung von der persönlichen Leistungserbringung durch Ärzte weiterentwickelt werden.

Das Gutachten enthält darüber hinaus die Empfehlung, die fachärztliche Weiterbildung stärker zu steuern. Dies könne „Fehlverteilungen innerhalb der Berufsgruppe“ entgegenwirken. Diese Steuerung soll über eine Quotierung der Weiterbildungsplätze erfolgen. Um die Ambulantisierung der medizinischen Versorgung erfolgreich voranzutreiben, empfiehlt der SVR zudem, Weiterbildungsabschnitte für bestimmte Arztgruppen verpflichtend im ambulanten Sektor durchzuführen. In einer ersten Reaktion kritisierte der Präsident der Bundesärztekammer, Klaus Reinhardt, diesen Vorschlag. „Die Berufsentscheidung sollte allen Menschen selbst überlassen werden, da darf es keine Beschränkungen geben."

aha

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