Bundesgesundheitsministerium will Hitzeschutzplan nach französischem Vorbild erarbeiten

Berlin – Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) will einen nationalen Hitzeschutzplan erarbeiten. Der Plan soll gemeinsam mit Beteiligten aus dem Gesundheitsbereich, darunter die Ärzteschaft und die Pflege aber auch Krankenkassen, Kommunen und Bundesländern erstellt werden.
„Die Einladung zu Gesprächen geht nächste Woche heraus“, kündigte Lauterbach vor der Bundespressekonferenz an. Noch in diesem Jahr soll der gemeinsam entworfene Plan fertig werden, so der Minister. „Wir sind in Deutschland nicht gut gegen den Hitzetod aufgestellt“, gestand Lauterbach ein. Andere Länder, insbesondere Frankreich, seien hier deutlich weiter und schützten durch nationale Hitzepläne insbesondere die ältere Bevölkerung sowie die Stadtbevölkerung.
Nach der großen Hitzewelle im Jahr 2003, in dem es auch viele Hitzetote in Deutschland oder Frankreich gab, habe Frankreich einen erfolgreichen Hitzeplan aufgelegt. Dieser Plan solle nun für Deutschland adaptiert werden, betonte Lauterbach.
Der französische Plan sieht etwa konkrete Warnstufen vor, die die Bevölkerung bei Hitzewellen warnen und informieren, wie sie sich zu verhalten haben. Außerdem rufen Sozialdienste in Frankreich bei höheren Warnstufen ältere Menschen regelmäßig an, um sich nach ihnen zu erkundigen und sie an eine ausreichende Flüssigkeitszufuhr zu erinnern.
Wichtige Erkenntnisse zum Thema ausreichende Flüssigkeitszufuhr oder auch Symptome bei möglichen Hitzschlägen sollten der Bevölkerung künftig etwa über eine Webseite zur Verfügung gestellt werden, so Lauterbach. Aber auch konkrete Maßnahmen wie etwa die Bereitstellung von kostenlosem Trinkwasser oder die Einrichtung von Kälteschutzräumen werde geprüft. Weiter sollen App-basierte Lösungen geprüft werden, wie etwa die Bevölkerung besser gewarnt und informiert werden könne, erklärte der Minister.
Dabei wird Lauterbach unter anderem auf die Forderungen der Ärzteschaft nach einem nationalen Hitzeschutzplan tätig. Bereits vergangenes Jahr forderten unter anderem die Bundesärztekammer (BÄK) sowie der Marburger Bund den Bund auf, entsprechende Maßnahmen anzugehen.
Bessere Vorbereitung für Hitzewellen notwendig
Der Präsident der BÄK, Klaus Reinhardt, betonte heute vor der Bundespressekonferenz, es sei notwendig, dass sich Deutschland besser auf zukünftige Hitzeperiode vorbereite. „Wir kennen die gravierenden gesundheitlichen Folgen. Die Hitze gefährdet die Gesundheit etwa durch Hitzestress“, sagte Reinhardt. Dies könne auch zu lebensbedrohlichen Situationen führen.
Bei Hitzewellen werde zudem eine deutliche Übersterblichkeit verzeichnet. „Wir schätzen, dass vergangenes Jahr 4.500 Menschen hitzebedingt gestorben sind“, sagte Reinhardt. Insbesondere ältere Menschen und solche mit Herz-Kreislauf- und Atemwegserkrankungen, aber auch Säuglinge, Kinder und Schwangere, obdachlose Menschen und solche, die im Freien arbeiten sind gefährdet.
„Nicht nur körperliche sondern auch psychische Erkrankungen nehmen bei Hitzewellen zu“, so Reinhardt weiter. Dazu gehörten etwa Depressionen und Psychosen. Deshalb werde das Gesundheitssystem durch die hitzebedingte Krankheitslast verstärkt in Anspruch genommen. Im Arbeitsbereich und auf der gesamtgesellschaftlichen Ebene werden Hitzewellen etwa durch Produktivitätsverlust ebenfalls spürbar, erklärte Reinhardt.
Er kritisierte, dass zu wenig Kommunen bereits Hitzeaktionspläne auch unter Einbeziehung des Gesundheitsbereichs umgesetzt hätten. Auf diesen Missstand wolle der morgige Hitzeaktionstag der BÄK ebenfalls aufmerksam machen.
Lauterbach ergänzte, es sei nicht akzeptabel, dass jährlich zwischen 5.000 und 20.000 Menschen aufgrund von Hitze sterben. „Der Hitzetod ist im Großen und Ganzen vermeidbar“, so Lauterbach. Dieser sei zudem nur die Spitze des Eisbergs. Viele Herzinfarkte oder Schlaganfälle und daraus folgende Demenzfälle entstünden durch Hitzewellen.
Dadurch gebe es auch deutlich mehr Pflegefälle, so Lauterbach. Für ältere Menschen werde es insbesondere ab 35 Grad Celsius Lufttemperatur und einer Luftfeuchtigkeit von 70 Grad Celsius lebensgefährlich. Diese Werte könne man sich durch die Formel „Zweimal 35 gleich 70“ merken, so Lauterbach.
Klarer gesetzlicher Rahmen gefordert
Reinhardt forderte den Bund gemeinsam mit Jana Luntz, Präsidiumsmitglied im Deutschen Pflegerat und Martin Herrmann, Vorstandsvorsitzender von Deutsche Allianz Klimawandel und Gesundheit (KLUG) auf, einen klaren gesetzlichen Rahmen für gesundheitlichen Hitzeschutz zu schaffen. In diesem sollte die Entwicklung, Umsetzung und Anpassung von Hitzeaktionsplänen zum Schutz der menschlichen Gesundheit für Kommunen als Pflichtaufgabe gesetzlich verankert werden. Auch institutionelle Hitzeaktionspläne für Gesundheits- und Pflegeeinrichtungen müssten gesetzlich verankert werden.
Darüber hinaus müsse auch der öffentliche Gesundheitsdienst und Gesundheitsämter in die Aktionspläne eingebunden werden. Nicht zuletzt sollte Hitzeschutz ressortübergreifend geplant, umgesetzt und fortentwickelt werden, forderten die Vertreterinnen und Vertreter der Gesundheitsberufe.
Flächendeckende Hitzewellen können sich zudem zu Katastrophen entwickeln. Um damit umzugehen, braucht es künftig Strukturen und klare Zuständigkeiten in den Gesundheitsministerien von Bund und Ländern, um den gesundheitlichen Hitzenotstand gemeinsam mit dem Katastrophen- und Bevölkerungsschutz festzustellen und entsprechend reagieren zu können.
Zudem werde ein staatlich finanziertes und unabhängig agierendes Kompetenzzentrum für gesundheitlichen Hitzeschutz auf Bundesebene benötigt. Dieses soll Wissen aus Wissenschaft und Praxis sammeln, die verschiedenen Ebenen (Bund, Länder, Kommunen) beraten sowie den Austausch von Akteurinnen und Akteure fördern.
Ärzteschaft könne gezielt informieren
Ärztinnen und Ärzte könnten zudem in ihren Praxen verstärkt Patientinnen und Patienten über hitzebedinge Gesundheitsrisiken aufklären, erklärte Reinhardt. Auch die Kliniken könnten hier verstärkt informieren. Auch Pflegedienste könnten vulnerable Personen verstärkt informieren und daran erinnern, ausreichend Flüssigkeit zu sich zu nehmen. Dies müsste auch entsprechend mit den Kostenträgern vereinbart werden, so Reinhardt.
Im vergangenen Sommer hatte die Bundesregierung noch erklärt, dass das Thema Hitzeschutz und Hitzevorsorge vor allem eine Aufgabe der Kommunen sei. Jetzt scheint die Notwendigkeit aber in der Regierung angekommen zu sein. Lauterbach wolle sich auch bei den anderen Ressorts für das Thema stark machen, erklärte er heute. Im vergangenen Sommer galt es zudem noch ein anderes Thema, sprich die Coronapandemie zu lösen, erklärte Lauterbach.
Die Deutsche Krankenhausgesellschaft (DKG) bekräftigte heute erneut ihre Forderung nach zügigen Maßnahmen, um Krankenhäuser in Deutschland auf zunehmende Hitzewellen vorzubereiten. Hierfür braucht es insbesondere Investitionsmittel für bauliche Veränderungen, forderte die stellvertretende Vorstandsvorsitzende der DKG, Henriette Neumeyer.
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