Politik

Bundestag billigt Selbstverwaltungs­gesetz

  • Freitag, 27. Januar 2017

Berlin – Am späten Donnerstagabend haben die Abgeordneten von Union und SPD im Bundestag das viel diskutierte GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz beschlossen. Bei der formalen Abstimmung enthielten sich beide Oppositionsfraktionen. Die vorgesehene Plenardebatte entfiel, fünf Reden der jeweiligen Berichterstatter der Fraktionen wurden zu Protokoll gegeben.

Vor der Debatte hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erklärt: „Mit dem Gesetz sorgen wir dafür, dass die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen künftig noch besser ihrer großen Verantwortung für eine gute Patientenversorgung gerecht werden kann und vor Selbstblockaden geschützt ist.“

Vertreter von Selbstverwaltungsorganisationen und -körperschaften wie der Kassen­ärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband hatten eindringlich vor dem Gesetz und einer Beschneidung der Rechte gewarnt. Mit dem Gesetz werden unter anderem Kontrollrechte der Mitglieder von Vertreterversammlungen und Verwal­tungsräten gestärkt, die Möglichkeiten zum Einsatz eines „kleinen Staatskommissars“ präzisiert sowie die externe Kontrolle über die Organisationen erweitert. 

Laut Debattenprotokoll hält der CSU-Abgeordnete Reiner Meier die Selbstverwaltung in ihrer jetzigen Form für „quicklebendig“ und fordert in der Zukunft mehr Transparenz und Verantwortung der beteiligten Akteure. „Entsprechend haben wir die Informations- und Kontrollrechte der Vertreterversammlungen und der Verwaltungsreche im Sinne der ‚checks and balances‘ deutlich gestärkt“, sagte Meier.

Dabei lobte er die Selbst­verwal­tung als hohes Gut: „Die Selbstverwaltung ist ein einzig­artiges und bewährtes System, das umsichtig und mit großem Sachverstand zu einer hervorragenden Versorgung unserer Patientinnen und Patienten beiträgt.“ Die scharfe und oft harsche Kritik der Mitglieder der Selbstverwaltung können alle vier Redner nicht nachvollziehen. „Mit dem Gesetz setzen wir ein klares Zeichen in Richtung einer stärke­ren Selbstverwaltung und einer Aufsicht mit Augenmaß im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungs­gerichts“, schreibt Dietrich Monstadt von der CDU in seiner Rede. 

Für Bärbel Bas, Berichterstatterin des Gesetzes für die SPD-Fraktion, steht vor allem die Sicherung der Sozialwahlen 2017, die am 31. Mai stattfinden, im Mittelpunkt. Hier be­fürch­tet ihre Partei, dass die Mitbestimmung zwischen den Arbeitnehmern und Arbeit­ge­bern in Krankenkassen durch das Gesetz beeinträchtigt werden könnte. „Weil die SPD auch in Zukunft für eine starke Selbstverwaltung steht, haben wir dieses Selbst­verwal­tungsstärkungsgesetz immer kritisch gesehen“, so Bas. „Wir hatten von Anfang an ge­sagt, dass wir diesen Eingriff in die Satzungsautonomie der Selbstverwaltung nicht mit­tragen.“

Die SPD hatte in den vergangenen zwei Wochen seit der Anhörung zum Gesetz das Vor­haben mehrfach hinterfragt, dem Vernehmen nach soll es zeitweilig auf der Kippe ge­stan­den haben. Mit elf Änderungsanträgen, die am Mittwoch im Gesund­heits­ausschuss beschlossen wurden, konnte die SPD-Fraktion dem Gesetz dann aller­dings zustimmen.

Für die Opposition, die sich geschlossen bei der Abstimmung im Gesundheitsausschuss wie im Plenarsaal enthalten hatte, ist das Gesetz keine Lösung für die Probleme im Ge­sundheitswesen. „Das Grundproblem der Selbstverwaltung in einem sich immer stärker in Richtung Wettbewerb bewegenden Gesundheitssystem“ könne nicht durch neue Ge­setze verändert werden, so Harald Weinberg von der Fraktion Die Linke. „Es bedarf in einem wettbewerblich ausgerichteten System aus unserer Sicht zumindest einer Stär­kung der Patientenvertretung als Korrektiv“, so Weinberg. Er fordert mehr Stimm­rech­te für Patientenvertreter beispielsweise beim Gemeinsamen Bundesaus­schuss sowie beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen.

Für die Grünen können Probleme mit der Aufsicht über die Selbstverwaltung nicht über ein Gesetz gelöst werden. Auch das Bundesgesundheitsministerium müsse tätig wer­den und die aufsichtsrechtlichen Befugnisse „konsequent“ gegenüber den Organi­satio­nen anwenden. „Das ist keine Gefährdung des Prinzips der Selbstverwaltung, wie oft zu hören war. Im Gegenteil, es erhöht die Legitimation der Selbstverwaltung“, so Harald Ter­pe von den Grünen. Er forderte einen Kulturwandel : „Ein wie auch immer geartetes Selbst­verwaltungsstärkungsgesetz wird wenig Veränderung bringen, wenn nicht auch in den Institutionen und im Ministerium selbst ein Kulturwandel stattfindet.“

Positiv bewerteten daher alle Abgeordneten in ihrer Rede, dass künftig das Bundes­gesundheitsministerium selbst dem Parlament einen Bericht über seine aufsichts­recht­liche Tätigkeit übermitteln muss.

Das Gesetz kann in den kommenden Wochen in Kraft treten und gilt bereits für die Wahl des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 3. März. Dann muss die KBV einen dreiköpfigen Vorstand wählen, die Sitzung muss öffentlich sein sowie die Stimmabgabe bei der Wahl muss nach der paritätischen Stimmverteilung zwischen Haus- und Fachärzten gewertet werden.

bee

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