Bundestag billigt Selbstverwaltungsgesetz
Berlin – Am späten Donnerstagabend haben die Abgeordneten von Union und SPD im Bundestag das viel diskutierte GKV-Selbstverwaltungsstärkungsgesetz beschlossen. Bei der formalen Abstimmung enthielten sich beide Oppositionsfraktionen. Die vorgesehene Plenardebatte entfiel, fünf Reden der jeweiligen Berichterstatter der Fraktionen wurden zu Protokoll gegeben.
Vor der Debatte hatte Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) erklärt: „Mit dem Gesetz sorgen wir dafür, dass die Selbstverwaltung im Gesundheitswesen künftig noch besser ihrer großen Verantwortung für eine gute Patientenversorgung gerecht werden kann und vor Selbstblockaden geschützt ist.“
Vertreter von Selbstverwaltungsorganisationen und -körperschaften wie der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV) und dem GKV-Spitzenverband hatten eindringlich vor dem Gesetz und einer Beschneidung der Rechte gewarnt. Mit dem Gesetz werden unter anderem Kontrollrechte der Mitglieder von Vertreterversammlungen und Verwaltungsräten gestärkt, die Möglichkeiten zum Einsatz eines „kleinen Staatskommissars“ präzisiert sowie die externe Kontrolle über die Organisationen erweitert.
Laut Debattenprotokoll hält der CSU-Abgeordnete Reiner Meier die Selbstverwaltung in ihrer jetzigen Form für „quicklebendig“ und fordert in der Zukunft mehr Transparenz und Verantwortung der beteiligten Akteure. „Entsprechend haben wir die Informations- und Kontrollrechte der Vertreterversammlungen und der Verwaltungsreche im Sinne der ‚checks and balances‘ deutlich gestärkt“, sagte Meier.
Dabei lobte er die Selbstverwaltung als hohes Gut: „Die Selbstverwaltung ist ein einzigartiges und bewährtes System, das umsichtig und mit großem Sachverstand zu einer hervorragenden Versorgung unserer Patientinnen und Patienten beiträgt.“ Die scharfe und oft harsche Kritik der Mitglieder der Selbstverwaltung können alle vier Redner nicht nachvollziehen. „Mit dem Gesetz setzen wir ein klares Zeichen in Richtung einer stärkeren Selbstverwaltung und einer Aufsicht mit Augenmaß im Sinne der Rechtsprechung des Bundesverfassungsgerichts“, schreibt Dietrich Monstadt von der CDU in seiner Rede.
Für Bärbel Bas, Berichterstatterin des Gesetzes für die SPD-Fraktion, steht vor allem die Sicherung der Sozialwahlen 2017, die am 31. Mai stattfinden, im Mittelpunkt. Hier befürchtet ihre Partei, dass die Mitbestimmung zwischen den Arbeitnehmern und Arbeitgebern in Krankenkassen durch das Gesetz beeinträchtigt werden könnte. „Weil die SPD auch in Zukunft für eine starke Selbstverwaltung steht, haben wir dieses Selbstverwaltungsstärkungsgesetz immer kritisch gesehen“, so Bas. „Wir hatten von Anfang an gesagt, dass wir diesen Eingriff in die Satzungsautonomie der Selbstverwaltung nicht mittragen.“
Die SPD hatte in den vergangenen zwei Wochen seit der Anhörung zum Gesetz das Vorhaben mehrfach hinterfragt, dem Vernehmen nach soll es zeitweilig auf der Kippe gestanden haben. Mit elf Änderungsanträgen, die am Mittwoch im Gesundheitsausschuss beschlossen wurden, konnte die SPD-Fraktion dem Gesetz dann allerdings zustimmen.
Für die Opposition, die sich geschlossen bei der Abstimmung im Gesundheitsausschuss wie im Plenarsaal enthalten hatte, ist das Gesetz keine Lösung für die Probleme im Gesundheitswesen. „Das Grundproblem der Selbstverwaltung in einem sich immer stärker in Richtung Wettbewerb bewegenden Gesundheitssystem“ könne nicht durch neue Gesetze verändert werden, so Harald Weinberg von der Fraktion Die Linke. „Es bedarf in einem wettbewerblich ausgerichteten System aus unserer Sicht zumindest einer Stärkung der Patientenvertretung als Korrektiv“, so Weinberg. Er fordert mehr Stimmrechte für Patientenvertreter beispielsweise beim Gemeinsamen Bundesausschuss sowie beim Medizinischen Dienst der Krankenkassen.
Für die Grünen können Probleme mit der Aufsicht über die Selbstverwaltung nicht über ein Gesetz gelöst werden. Auch das Bundesgesundheitsministerium müsse tätig werden und die aufsichtsrechtlichen Befugnisse „konsequent“ gegenüber den Organisationen anwenden. „Das ist keine Gefährdung des Prinzips der Selbstverwaltung, wie oft zu hören war. Im Gegenteil, es erhöht die Legitimation der Selbstverwaltung“, so Harald Terpe von den Grünen. Er forderte einen Kulturwandel : „Ein wie auch immer geartetes Selbstverwaltungsstärkungsgesetz wird wenig Veränderung bringen, wenn nicht auch in den Institutionen und im Ministerium selbst ein Kulturwandel stattfindet.“
Positiv bewerteten daher alle Abgeordneten in ihrer Rede, dass künftig das Bundesgesundheitsministerium selbst dem Parlament einen Bericht über seine aufsichtsrechtliche Tätigkeit übermitteln muss.
Das Gesetz kann in den kommenden Wochen in Kraft treten und gilt bereits für die Wahl des Vorstandes der Kassenärztlichen Bundesvereinigung am 3. März. Dann muss die KBV einen dreiköpfigen Vorstand wählen, die Sitzung muss öffentlich sein sowie die Stimmabgabe bei der Wahl muss nach der paritätischen Stimmverteilung zwischen Haus- und Fachärzten gewertet werden.
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