Gesundheitsökonomen schlagen alternative Vorhaltevergütung vor

Essen – Die geplante Ausgestaltung der Vorhaltevergütung, die im Rahmen der Krankenhausreform eingeführt werden soll, bietet deutliche Fehlanreize. Das erklärt die Deutsche Gesellschaft für Gesundheitsökonomie (dggö) in ihrer Stellungnahme zum Referentenentwurf des Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetzes (KHVVG).
Die Stellungnahmefrist für das KHVVG läuft noch bis morgen. Heute ist eine Verbändeanhörung im Bundesgesundheitsministerium (BMG) angesetzt. In drei Stunden sollen 126 Gesundheitsverbände zu ihrer Ansicht zur Krankenhausreform angehört werden.
Aus gesundheitsökonomischer Sicht sei nicht nachvollziehbar, warum Vorhaltevergütungen pauschal für alle Leistungsbereiche der Krankenhäuser erforderlich sein sollten, schreibt die dggö. Viel mehr würden etwa mengenorientierte Vorhaltevergütungen bei gut planbaren, ambulantisierbaren Leistungen nicht bedarfsgerechte stationäre Strukturen zementieren und einen Ambulantisierungsprozess verzögern, heißt es in der Stellungnahme.
Die Vorhaltevergütung soll die Finanzierung der Betriebskosten der Krankenhäuser künftig zu 60 Prozent übernehmen. Ziel ist, dass Krankenhäuser ausreichend finanzielle Mittel zur Verfügung haben, um die Versorgung sicherzustellen. Die restlichen 40 Prozent sollen weiter über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) finanziert werden.
„Die Krankenhäuser sehen sich durch die Reformankündigung bereits heute einem Anreiz ausgesetzt, Ambulantisierungsbemühungen zurückzufahren und zu versuchen, einen möglichst günstigen Ausgangswert für die Erstberechnung der Vorhaltevergütung zu erreichen“, kritisieren die Gesundheitsökonomen weiter.
Besser wäre es aus Sicht der dggö eine mengenunabhängige Vergütung der Vorhaltekosten für die Versorgung des ersten Patienten einzuführen. Gemeint ist damit eine Minimalausstattung, die vorgehalten werden muss, um Leistungen zumindest an einem Patienten erbringen zu können. Dies wäre kurzfristig umsetzbar und könnte die Krankenhäuser motivieren, die benötigten Grundkapazitäten vorzuhalten.
Mengenunabhängige Vergütungselemente sollten sich insbesondere auf Bereiche mit schwer planbarem Fallaufkommen wie die Notfallversorgung und Pädiatrie konzentrieren. Sollte die Fallmenge miteinbezogen werden, müsste ein Indexjahr in der Vergangenheit gewählt werden, um Anpassungsreaktionen der Krankenhäuser wie verzögerte Ambulantisierungsbemühungen oder kurzfristige Fallzahlmaximierungen zu vermeiden.
Krankenhäuser könnten Leistungen reduzieren
Auch der geplante Fallzahlenkorridor von +/- 20 Prozent birgt das Risiko von Fehlanreizen, heißt es weiter. Vorgesehen ist, dass die Krankenhäuser bei Schwankungen von bis zu plus zehn oder minus zehn Prozent die gleiche Vorhaltevergütung erhalten. Erst außerhalb dieses Korridors wird die Vorhaltefinanzierung angepasst.
„Hierdurch entsteht ein massiver Anreiz, das Leistungsangebot um bis zu -20 Prozent zu reduzieren, wobei kurzfristig sogar größere Abweichungen möglich sind“, kritisiert die dggö. Denn in Kliniken gebe es kaum echte Fixkosten, da etwa die Kosten für Gebäude bereits durch die Investitionskostenfinanzierung der Länder gedeckt sein sollte.
Kliniken, die ihre Fallzahlen ausdehnen, etwa aufgrund höheren Bedarfs, würden zudem einen geringeren Erlös erzielen und „für ein versorgungsseitig möglicherweise wünschenswertes Verhalten wirtschaftlich sanktioniert“.
„Das Ziel der Vorhaltevergütung ist gut, die Umsetzung aber schlecht. So besteht weiterhin ein direkter Zusammenhang zwischen der Leistungsmenge eines Krankenhauses und der Höhe der Vorhaltevergütung. Eine grundlegende Überarbeitung ist dringend erforderlich“, sagte dggö-Vorstandsmitglied Jürgen Wasem dem Deutschen Ärzteblatt.
Weiter befürchten die Gesundheitsökonomen eine verstärkte Bürokratisierung des Systems. Außer der Abschaffung des Fixkostendegressionsabschlags sehe die Krankenhausreform keine entbürokratisierenden Maßnahmen vor, schreibt die dggö. Zudem sei nicht ersichtlich, wie das im KHVVG beschriebene Einsparpotenzial von einer Milliarde Euro pro Jahr erzielt werden könnte.
Auch der geplante Rückgriff auf den Gesundheitsfonds zur Finanzierung des vorgesehenen Transformationsfonds kritisiert die Gesellschaft. „Gesamtgesellschaftliche Aufgaben sind grundsätzlich durch Steuermittel zu finanzieren“, fordern sie. Wenn Beitragszahler der gesetzlichen Krankenversicherung (GKV) dies bezahlten, müssten auch entsprechende Mitspracherechte bei der Planung und Verwendung eingeräumt werden, fordern die Gesundheitsökonomen.
Das geplante Konzept der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen hingegen begrüßt die dggö – diese müssten allerdings weiterentwickelt werden und dürften keinen unnötigen „Overhead“ erhalten, um auch in dünn besiedelten Regionen einfach betreibbar zu sein.
Diskutieren Sie mit
Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.
Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.
Diskutieren Sie mit: