Politik

Krankenhausreform: Erste Analyse zeigt Standortdefizite in der Kindermedizin

  • Freitag, 19. April 2024
/Kadmy, stock.adobe.com
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Berlin – Ein Simulationsmodell soll künftig die Auswirkungen der geplanten Krankenhausreform aufzeigen. Erste vorläufige Ergebnisse berichtete Tom Bschor, Leiter der Regierungskommission Krankenhäuser, dem Deutschen Ärzteblatt. Neben einer bekannten Überver­sorgung in einigen Bereichen, gibt es auch Hinweise auf mögliche Problemfälle.

„Hinsichtlich der Leistungsgruppen wird vor allem ein Mangel an Standorten von Kinder- und Jugendmedizin sowie -chirurgie ersichtlich“, sagte Bschor. Auch bei der Schlaganfallversorgung gebe es Lücken in der Erreichbarkeit. Bei elektiven Eingriffen des Bewe­gungsapparates oder an der Wirbelsäule werde hingegen eine Konzentration benötigt. Bschor betonte aber zugleich, dass es sich um vorläufige Ergebnisse der Simulation handele.

Diese zeige etwa auch den Status Quo, dass es in Nordrhein-Westfalen für etliche Leistungsgruppen zu viele Standorte gebe. In den ostdeutschen Bundesländern seien darüber hinaus nach dem bisherigen Stand deutlich weniger Um­strukturierungen nötig – und im Westen Baden-Württembergs sei für viele Leistungsgruppen die Versorgung bereits gut eingestellt.

Mögliche Probleme könnte es in den Grenzregionen geben. „Vor allem in den Grenzregionen Deutsch­lands zu Nachbarländern wie Polen, Tschechien oder Österreich, aber auch an der Küste, gibt es zwar viele kleine Krankenhäuser. Diese haben aber eine hohe Bedarfsnotwendig­keit“, erklärte Bschor weiter. Diese Standorte dürften nicht wegfallen, sondern müssten eher zusätzlich unter­stützt werden.

Das zugrundeliegende Analyseinstrument soll zu einer bedarfsgerechten und wohnortnahen stationären Ver­sorgung beitragen. Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach (SPD) hatte dieses Analysetool vergangene Woche angekündigt.

Die Bundesländer sollen es ab Herbst 2024 für ihre Krankenhausplanung nutzen können. Mitglieder der Regierungskommission Krankenhäuser sowie drei Vertreter des GKV-Spitzenverbands haben das Instrument erarbeitet.

„Geplant ist eine Webanwendung, die derzeit noch programmiert wird“, so Bschor. Es handelt sich um ein Simulationsmodell, basierend auf GKV-Abrechnungsdaten von 2021, das die Erreichbarkeit von Klinikstand­orten sowie deren Bedarfsnotwendigkeit ermittelt. Alle rund 16,5 Millionen somatischen Fälle werden den 60 Leistungsgruppen aus Nordrhein-Westfalen zugeordnet.

Die fünf zusätzlichen Leistungsgruppen, die im Zuge der Reform eingeführt werden sollen, sind noch nicht Teil des Modells. „Die Abrechnungsdaten der GKV sind der einzige Datensatz, bei dem jeder Behandlungsfall einzeln erfasst wird. Deshalb sind sie besser geeignet als Daten aus den Qualitätsberichten der Kliniken, in denen lediglich Mittelwerte aggregiert werden“, betonte Bschor.

Das Tool stützt sich auf eine Gliederung von 84.000 Zellen à 1.000 Einwohnerinnen und Einwohner in Deutschland. In jeder dieser Zellen soll deutlich werden, welche Bedeutung die Krankenhausstandorte je nach Leistungsgruppe für die Patientenversorgung vor Ort haben.

„Diese Transparenz hätten wir seit Jahren benötigt“, hatte Lauterbach vergangene Woche betont. Man sei bis­lang im stationären Bereich im „Blindflug“ gewesen. Die Länder hätten keine wirksame Krankenhausplanung in der Vergangenheit gehabt. Dies werde sich nun unter anderem mit diesem Instrument ändern.

Modell kann noch nicht genau die Krankenhausreform abbilden

Das Modell sei vorläufig und könne noch nicht zu 100 Prozent die Rahmenbedingungen der geplanten Kran­kenhausreform abbilden, so Bschor weiter.

„Da es noch keinen offiziellen Grouper gibt, der für die Zuordnung der Fälle zu den geplanten Leistungsgrup­pen benötigt wird, haben wir einen eigenen Grouper verwendet. Entsprechend kann es im Detail noch Ab­weichungen geben. Der eigentliche Grouper wird derzeit vom Institut für das Entgeltsystem im Krankenhaus (InEK) erarbeitet und soll im Mai vorgestellt werden“, kündigte er an.

Zudem seien die Strukturqualitätsmerkmale, die Krankenhäuser für die Erbringung einer Leistungsgruppe erfüllen müssen, noch nicht für jede Klinik genau bekannt, erklärte der Kommissionsleiter weiter. Wichtigstes Merkmal sei dafür die Anzahl der Ärztinnen und Ärzte.

„Wir wissen aber noch nicht, wie viele Fachärztinnen und Fachärzte an den jeweiligen Kliniken arbeiten. Diese Zahlen werden mithilfe des Krankenhaustransparenzgesetzes jetzt erst erhoben. Ersatzweise haben wir mit Perzentilen gerechnet“, erklärte Bschor. Das bedeutet, die Kliniken, die nur gelegentlich Leistungen erbringen, werden bis zu einer gewissen Grenze nicht berücksichtigt.

„Hier gehen wir davon aus, dass sie die Qualitätskriterien nicht erfüllen würden. Wir haben in unserem Modell zunächst Perzentile von 7,5 Prozent beziehungsweise 20 Prozent angewandt.“

Bschor nennt zur Erklärung ein Beispiel: „Wenn zehn Krankenhäuser insgesamt 1.000 Fälle erbringen und vier Standorte nur jeweils 30, 20, 15 und zehn Fälle haben, würde man diese vier Standorte bei einem 7,5 Prozent Perzentil (75 Fälle) von der Versorgung ausschließen.“ Die Perzentile sollen in der Anwendung ab Herbst flexibel eingegeben werden können.

„Bei Transplantationen ist dieses Prinzip nicht sinnvoll. Es gibt beispielsweise sechs Darmtransplantationen pro Jahr in Deutschland. Das bedeutet, entsprechende Krankenhausstandorte übernehmen nur ein oder zwei der Transplantationen jährlich“, sagte Bschor.

Die Perzentile dürfen zudem nicht mit den geplanten Mindestvorhaltezahlen verwechselt werden. Diese sollen unter anderem an die Auszahlung der vorgesehenen Vorhaltevergütung geknüpft werden.

Offen ist, ob dieses Instrument tatsächlich die vom Bund versprochene und von den Bundesländern wieder­holt geforderte Auswirkungsanalyse der Krankenhausreform leisten kann. Eigentlich hatte das Bundesgesund­heitsministerium (BMG) im Mai vergangenen Jahres für entsprechende Auswirkungsanalysen die Unterneh­mens­beratung Oberender und den Softwareentwickler BinDoc beauftragt.

Diese Beauftragung läuft weiter, vermutlich werden die Unternehmen andere Aspekte der Krankenhausreform analysieren. Die Länder hatten diese Woche auch eine Auswirkungsanalyse der geplanten Finanzierungs­reform gefordert.

cmk

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