Bundesärztekammer sorgt sich um ärztliche Weiterbildung

Berlin – Die ärztliche Weiterbildung und Fragen der ärztlichen Personalausstattung werden bei der geplanten Krankenhausreform nicht ausreichend berücksichtigt. Das moniert die Bundesärztekammer (BÄK) in ihrer Stellungnahme zum Krankenhausversorgungsverbesserungsgesetz (KHVVG). Kritik kam auch von weiteren Verbänden und Organisationen.
Heute lief die Stellungnahmefrist zur Krankenhausreform aus, die unter anderem eine Einführung von 65 Leistungsgruppen vorsieht. Bundeseinheitliche Kriterien sollen darüber hinaus festlegen, für welche Leistungen die Krankenhäuser entsprechende personelle und technische Ausstattung vorhalten müssen. Damit soll die Qualität der Patientenversorgung verbessert werden.
Zudem ist eine Vorhaltefinanzierung geplant. Damit sollen die Kliniken 60 Prozent der Betriebskosten als Pauschale erhalten, noch bevor sie Leistungen erbringen. Die restliche Finanzierung soll nach wie vor über diagnosebezogene Fallpauschalen (DRG) abgerechnet werden.
Gestern fand eine entsprechende Anhörung zu der Reform im Bundesgesundheitsministerium (BMG) statt. Das Bundeskabinett soll den KHVVG-Entwurf am 8. Mai verabschieden, danach folgt das parlamentarische Verfahren.
Die Bundesärztekammer nutzte die Stellungnahme, um erneut mit Nachdruck auf die Sorgen, unter anderem zur Weiterbildung, hinzuweisen. Sie spricht von „absehbaren“ und „komplexen“ möglichen Auswirkungen der Krankenhausreform auf die ärztliche Weiterbildung. Je nach Ausgestaltung könne die Reform diese stärken, aber auch „empfindlich“ schwächen.
Die BÄK rät daher an, dass sich die geplanten Leistungsgruppen so weit als möglich an der Systematik der ärztlichen Weiterbildungsordnung orientieren sollten, wie dies bei den 60 Leistungsgruppen aus dem Krankenhausplan in Nordrhein-Westfalen überwiegend der Fall ist.
Im Gesetz sollte explizit vorgesehen werden, dass der „Leistungsgruppenausschuss“ bei der Erstellung seiner Empfehlungen die Auswirkungen auf die ärztliche Weiterbildung zu berücksichtigen haben sollte, heißt es weiter.
Und wenn die Leistungsgruppenplanung zu einer stärkeren Zentralisierung weiterbildungsrelevanter Versorgungsinhalte führe, müsse auf eine verstärkte Kooperation von Krankenhäusern und weiteren Einrichtungen der Patientenversorgung in der ärztlichen Weiterbildung hingewirkt werden.
Die BÄK mahnt an, dabei auch arbeits- und steuerrechtliche Fragen wie die Arbeitnehmerüberlassung in den Blick zu nehmen. „Die ärztliche Weiterbildung muss außerdem künftig im stationären wie im ambulanten Bereich ausreichend und angemessen finanziert werden.“
Augenmerk auf ärztliches Personal legen
Bei der Bestimmung einer aufgaben- und patientengerechten ärztlichen Personalausstattung auf Ebene von Abteilungen oder Leistungsgruppen hat die Bundesärztekammer ein ärztliches Personalbemessungsinstrument (ÄPS-BÄK) entwickelt. Dieses ist zwar in der Gesetzesbegründung erwähnt. Die BÄK mahnt aber an, das Instrument in den Gesetzestext selbst aufzunehmen.
Denn für die Weiterentwicklung der Leistungsgruppen, für krankenhausplanerische Auswahlentscheidungen und auch als Basis für eine verlässliche Refinanzierung der aufgaben- und patientengerechten ärztlichen Personalausstattung sei „ein verbindlicher Maßstab erforderlich“.
Kritisch sieht die BÄK, dass bei der weiteren Ausgestaltung und bei der Planung der sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen (ehemals Level-1-i-Krankenhäuser) keine Beteiligung der Bundesärztekammer und auch keine Einbeziehung der Landesärztekammern bei den konkreten Standortentscheidungen vorgesehen ist. Diese sieht die BÄK als erforderlich an.
Fraglich ist für die BÄK in Gänze, wie die sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen angesichts der begrenzten Personalressourcen der Krankenhäuser die ihnen neu zugedachte Rolle in der hausärztlichen Versorgung wahrnehmen sollen. Die BÄK bewertet diesen Ansatz als „kaum realistisch“. Vielmehr sei eine substanzielle Stärkung der originären haus- und fachärztlichen ambulanten Versorgung erforderlich.
Hinzu kommt aus Sicht der Bundesärztekammer, dass der Gesetzentwurf in der Begründung den sogenannten sektorenübergreifenden Versorgungseinrichtungen eine besondere Rolle für die allgemeinmedizinische Weiterbildung zuweise. „Dieser umfassenden Rolle können die sektorenübergreifenden Einrichtungen nicht gerecht werden“, urteilt die BÄK.
Diese zeigt sich auch nicht von den Regelungen zur Vorhaltevergütung überzeugt. Es sei „nicht erkennbar“, wie diese die Fehlanreize der bisherigen Vergütung der diagnosebezogenen Fallpauschalen korrigieren sollten. Mit dem vorliegenden Entwurf könne weder das Ziel der fallzahlunabhängigen Betriebsmittelfinanzierung noch eine weitgehende Ablösung der Fallpauschalensystematik erreicht werden. Die Gestaltung der Vorhaltevergütung sei noch einmal grundlegend neu zu fassen.
Leitend muss aus Sicht der BÄK dabei der Gedanke sein, dass für die Vorhaltung in der Krankenhausversorgung die Personalausstattung von zentraler Bedeutung ist. Die Vorhaltevergütung müsse eine für den krankenhausplanerisch zugewiesenen Versorgungsauftrag des Krankenhauses patienten- und aufgabengerechte Personalausstattung sichern. Für den ärztlichen Bereich sei dabei das ärztliche Personalbemessungsinstrument der Bundesärztekammer zugrunde zu legen.
Schnellere Weiterbildungsermächtigung nötig
Der Deutsche Evangelische Krankenhausverband (DEKV) regte heute an, die Weiterbildungsermächtigung bei neuen Krankenhausversorgungsaufträgen zu beschleunigen. Demnach sollten die Landesärztekammern beschleunigte Verfahren einführen, um die Bearbeitungszeit für Weiterbildungsermächtigungen auf drei Monate zu verkürzen. Alternativ wäre eine flexible Regelung zu erwägen, etwa indem vorläufige Weiterbildungsermächtigungen ermöglicht werden.
„Nur so können Krankenhäuser bei Veränderungen in den bestehenden oder neu zugeteilten Leistungsgruppen das ärztliche Personal zeitnah und bedarfsgerecht anpassen“, sagte der DEKV-Vorsitzende Christoph Radbruch. Er betonte, für die Krankenhäuser sei die Weiterbildungsermächtigung eine Voraussetzung, um Stellen für Assistenzärztinnen und -ärzte zeitnah zu besetzen.
Daher müssten Veränderungen in den Leistungsgruppen und die Zuteilung neuer Leistungsgruppen mit einer zeitnahen darauf abgestimmten Weiterbildungsermächtigung durch die Landesärztekammern einhergehen. Der aktuelle Zulassungsprozess als Weiterbildungsstätte sei jedoch sehr aufwendig und dauert mehr als zwölf Monate.
In dieser Zeit könnte Assistenzärzten die geleisteten Dienste nicht für die zu erbringende Ausbildungszeit angerechnet werden. „Die Forderung des DEKV zielt darauf ab, diese Folge der Krankenhausreform zu entschärfen“, so Radbruch.
Der Verband leitender Krankenhausärztinnen und-ärzte (vlk) wies darauf hin, dass sich mehr als 80 Prozent der Krankenhäuser in einer finanziellen Schieflage bis hin zur Insolvenzgefahr befinden, weil ihre erhöhten Betriebskosten durch Inflation und Tarifsteigerungen nicht durch Steigerung des Landesbasisfallwerts ausgeglichen würden.
Durch bundesrechtliche Regelungen müsse „eine Anpassung des Landesbasisfallwerts ermöglicht werden, die noch rückwirkend im Jahr 2024 wirksam wird und die Kostensteigerungen vollständig berücksichtigt“, schreibt der Verband.
Kritisch bewertet der VLK die Mindestvorhaltezahlen für Leistungen und auch die Vorhaltefinanzierung. Die Mindestvorhaltezahlen sollten nach Ansicht des Verbandes wegen möglicher Fehlanreize, die gesetzt werden, ganz entfallen. Anderenfalls bedürfe es der Festlegung von Korridoren, die sowohl krankenhausspezifische Fallzahlschwankungen als auch systematische Benachteiligungen von Regionen mit bevölkerungsbedingt niedrigen Fallzahlen ausschließen und den Fehlanreiz der Leistungssteigerung im Grenzbereich der Menge abschwächen würden.
Die geplante Vorhaltefinanzierung, die dafür sorgen soll, den ökonomischen Druck auf medizinische Entscheidungen zu reduzieren, wird aus Sicht des Verbandes weder für kleine Krankenhäuser noch für große Kliniken funtionieren. „Insgesamt führen die Vorschläge zu einer systematischen Unterfinanzierung von Krankenhausleistungen.“
Besorgt zeigt sich der Verband auch um das Thema Weiterbildung. So seien die Auswirkungen auf die Weiterbildung und Ausbildung von ärztlichem und pflegerischem Personal durch den Wegfall von Weiterbildungsstätten „besonders im ländlichen Raum erheblich“.
Der Verband der Universitätsklinika Deutschlands (VUD) betonte, erstmals werde mit der Vorhaltefinanzierung eine enge Verknüpfung der Betriebskostenfinanzierung mit der Krankenhausplanung eingeführt. Dies sei richtig, erfordere aber eine einheitliche Umsetzung in den Ländern. Daher seien Ausnahmen von den Qualitätsanforderungen bundeseinheitlich vorzugeben und auf ein Mindestmaß zu beschränken.
Der VUD betone, die Reform erzeuge mit den Bausteinen der Leistungsgruppen und Vorhaltefinanzierung zusätzlichen bürokratischen Aufwand. Das sei „nur zu rechtfertigen, wenn im gleichen Zuge Regulierungen zurückgefahren werden, die einen Bürokratieabbau zur Entlastung der Mitarbeitenden bedeuten“.
Der Gemeinsame Bundesausschuss (G-BA) stellte sich zwar hinter die Ziele einer höheren Behandlungsqualität, einer flächendeckenden medizinischen Versorgung und weniger Bürokratie. Er äußerte aber auch „erhebliche Bedenken“, ob das mit den Regelungen erreicht werden könnte. Kritik übt der G-BA vor allem an Änderungen der Qualitätssicherung.
„In der Gesamtschau muss konstatiert werden, dass der G-BA seiner Funktion zur Sicherung des ,Wie‘ der Qualität der Leistungserbringung nicht mehr nachkommen kann und damit als Korrektiv in Hinblick auf die durch den Entwurf bewirkte Absenkung des bisherigen Qualitätsniveaus ausfällt“, heißt es in der Stellungnahme.
Der G-BA beklagt unter anderem, dass die im Entwurf enthaltenen zahlreichen Abweichungsmöglichkeiten zur Absenkung des bisherigen Qualitätsniveaus führen könnten. Das gelte etwa für die Leistungsgruppen, bei denen Bund und Länder Abweichungsmöglichkeiten hätten.
So könnten die Länder die Zuweisung von Leistungsgruppen als Voraussetzung für die Leistungserbringung auch ohne Erfüllung der Qualitätskriterien vornehmen, soweit dies für die Sicherstellung einer flächendeckenden Versorgung der Bevölkerung zwingend erforderlich sei.
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