Vermischtes

Charité: Erneut Streit um Situation in der Pflege

  • Montag, 18. September 2017
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Berlin – An der Berliner Universitätsklinik Charité hat heute ein mehrtägiger Streik des Pflegepersonals begonnen. Die Situation sei allerdings schwierig gewesen, weil die Arbeitgeberseite das normale Programm voll habe weiterlaufen lassen, sagte Verdi-Sprecher Andreas Splanemann. So seien etwa nur wenige der planbaren Operationen abgesagt worden. Viele Streikwillige hätten sich nicht beteiligen können. Der Streik dauere an, bis die Charité-Leitung Angebote mache.

Verdi warf der Klinikleitung vor, dass keine Notdienstvereinbarung abgeschlossen worden sei, wie sonst im Fall solcher Ausstände üblich. Sie versuche auf diese Weise, den Streik zu behindern. Die Gewerkschaft forderte den Arbeitgeber auf, die Situation nicht eskalieren zu lassen. Der Ärztliche Direktor der Charité, Ulrich Frei, hatte zunächst angekündigt, wegen des Streiks geplante Operationen zu verschieben. Betroffen seien alle Standorte des Klinikums. Die Stationen sollten dünner besetzt sein, müssten aber nicht geschlossen werden, hieß es.

Ärzteverband sieht riskante Strategie

Der Verein Demokratischer Ärztinnen und Ärzte hält die Weigerung der Charité mit ver.di eine Notdienstvereinbarung zu treffen, für „eine riskante Konfrontations­strategie“. Diese nehme „eine Gefährdung“ der Sicherheit der Patienten in Kauf, um das Streikrecht der Beschäftigten einzuschränken, hieß es. Der vdää forderte Arbeitgeber und Senat „dringend“ auf, Verantwortungsbewusstsein zu zeigen.

Hintergrund des Streiks ist der 2016 abgeschlossene Tarifvertrag, der einen Personal­zuwachs und Mindestbesetzungen auf Stationen vorsah – ein Unikum in Deutschland. Beobachter hatten den Abschluss als modellhaft gewertet, da Pfleger an Kliniken bundesweit über Überlastung und Personalmangel klagen. Verdi hat den Vertrag jedoch wegen Mängeln bei der Umsetzung auslaufen lassen und drängt auf eine Weiterentwicklung.

Streit um Praktikabilität

Die Charité schließt Frei zufolge aus festzuschreiben, dass Mindestbesetzungen pro Schicht auch eingeklagt werden können. Diese Verdi-Forderung zielt darauf ab, dass die Klinik bei bekannter Unterbesetzung zum Beispiel weniger Betten belegen darf.
Die Patientenzahlen stiegen zuletzt, weil die Charité schwarze Zahlen schreiben soll.

Die Klinik hält die Verdi-Forderung für nicht praktikabel – auch weil dafür ein Puffer von 300 Pflegern extra vorgehalten werden müsse. Frei betonte vielmehr, die Weichen in die richtige Richtung gestellt zu haben. Man habe deutlich Personal aufgebaut und arbeite kontinuierlich daran, offene Stellen zu besetzen. In gut 270 Fällen sei das seit Juli 2014 bereits gelungen. Auf Normalstationen fehlten noch 80 Kräfte, im Intensiv­bereich 50. Inzwischen ist den Angaben zufolge etwa bei Nachtschichten aber kein Pfleger mehr allein für eine Station zuständig.

Die Pflegedirektorin Judith Heepe betonte, es seien mehrere Maßnahmen zur Rekrutierung von Personal auf den Weg gebracht worden. Man versuche auch, Kräfte aus dem Ausland anzuwerben. Ebenso sollen Geflüchtete für den Beruf gewonnen werden und Krankenpflegehelfer im Alltag für Entlastung sorgen. Selbst bei der Wohnungssuche leiste die Klinik Unterstützung.

Berlins Regierender Bürgermeister Michael Müller (SPD) erklärte, es seien „in den vergangenen Jahren auch zahlreiche Verbesserungen vorgenommen worden und natürlich wollen wir gemeinsam mit der Charité die Situation der Pflegekräfte weiter verbessern“. Einzelne Länder könnten aber wenig ausrichten. „Deshalb muss die Stärkung der Pflege endlich auch im Bund zur Priorität erklärt werden.“ Müller warf Bundesgesundheitsminister Hermann Gröhe (CDU) diesbezüglich Untätigkeit vor.

Die Patientenbeauftragte der Bundesregierung, Ingrid Fischbach (CDU), forderte im RBB-Inforadio hingegen einen Paradigmenwechsel. Pflegekräfte müssten genauso wertgeschätzt werden wie etwa Ärzte. Für den Streik zeigte sie Verständnis. „Wir haben schon beim ersten Streik im Jahr 2015 gemerkt, dass es Defizite im Bereich der Pflege gibt und dass wir dringend etwas tun müssen. Wenn die Umsetzung der Maßnahmen noch nicht so erfolgt ist, wie sie erfolgen sollte, dann kann ich verstehen, dass das Pflegepersonal ungeduldig ist.“

dpa/may

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