Vermischtes

Kopfschmerzen: Tablettenkonsum schon im Kindesalter besorgniserregend

  • Montag, 20. Februar 2017
Kopfschmerzen, Migräne, Tabletten Uploaded: 20.02.2017 14:59:56 by gießelmann
Über alle Alterklassen hinweg gab es laut Arztreport 2017 der Barmer einen Anstieg der Verordnungsrate von Migränemitteln von 9,9 Prozent. /dpa

Berlin – Die Zahl junger Menschen in Deutschland mit ärztlich diagnostizierten Kopf­schmerzen ist in den letzten Jahren deutlich gestiegen, teilte die Krankenkasse Barmer heute in Berlin bei der Vorstellung ihres Arztreports 2017 mit. Eine repräsentative Um­frage mit 500 Kindern belegt zudem einen bedenklichen Tablettenkonsum, der bereits bei den Kleinsten beginnt. Die Techniker Krankenkasse stellte ihre Daten zum Thema Schmerz nur zwei Tage später vor. „Den hier beobachteten Trend können wir bestätigen“, sagte Jens Baas, Vorstandsvorsitzender der Techniker Krankenkasse.

Besonders alarmierend seien die Fallzahlen unter den 18- bis 27-Jährigen, sagte Christoph Straub, Vorstandschef der Barmer. Hier haben sich die Fälle zwischen 2005 und 2015 um 42 Prozent erhöht. Etwa 1,3 Millionen Menschen leiden in dieser Alters­gruppe an Kopfschmerzen. Hinzu komme eine wahrscheinlich nicht unbeträchtliche Dunkelziffer, weil längst nicht alle Betroffenen mit heftigeren Kopfschmerzen zum Arzt gingen. Die Ergebnisse des Ärztereports 2017 der Barmer basieren auf den Daten von acht Millionen Versicherten.

Migränemittel werden häufiger verordnet

Im Rahmen des Reports führte die Barmer auch eine Online-Befragung von 6- bis 19-Jährigen durch. Demnach leiden 13 Prozent der Kinder und Jugendlichen selten oder nie unter Kopfschmerzen. Etwa ein Viertel der Altersgruppe leidet einmal pro Woche unter Kopfschmerzen, vier Prozent sogar täglich. Etwa 40 Prozent der Betroffenen nehmen Medikamente ein. Davon gibt wiederum fast die Hälfte an, meistens oder jedes Mal Medikamente gegen die Schmerzen zu nehmen. Auch bei den 18- bis 27-Jährigen nehmen die Verordnungszahlen von Migränemitteln zu. In der Zeit von 2005 bis 2015 sind sie um 58 Prozent gestiegen.

Diesen Trend stuften beide Referenten als „bedenklich“ ein. „Wer Kopfschmerz­tabletten regelmäßig oder gar über­mä­ßig einnimmt, riskiert seine Gesundheit“, sagte Joachim Szecsenyi, Autor des Arztreports und Geschäftsführer des AQUA-Instituts für angewandte Quali­tätsförderung und Forschung im Ge­sundheitswesen in Göttingen.

Mit Ab­stand am häufigsten wurde 2015 als Migränemittel mit einer Verordnungs­rate von rund 0,6 Prozent Sumatriptan ver­ordnet, heißt es im Arztreport der Bar­mer. Triptane eignen sich zwar bei der Therapie akuter Migräneattacken, sagte Straub. Allerdings bestünde – wie bei ande­ren Arzneimitteln auch – bei häufi­ger Anwendung die Gefahr eines medikamenteninduzierten Kopfschmerzes (Medika­men­tenübergebrauchs-Kopfschmerz [MÜK]). Problematisch schätzt Szecsenyi auch die regelmäßige Einnahme von nicht rezeptpflichtigen Mischpräparaten ein, die etwa Para­cetamol und Acetylsalicylsäure zugleich enthalten.

Prävention statt Medikation

Ähnlich wie die TK setzten auch Straub und Szecsenyi auf eine Prävention der Kopfschmerzen, bei­spiels­weise mit digitalen Angeboten. Die App m-Sense ist auf dem deutschen Markt als Medizinprodukt zertifiziert. Sie erkennt Ursachen und analysiert den Verlauf von Migräne und Spannungskopfschmerzen. Die Wirksamkeit ist zum jetzigen Zeitpunkt jedoch noch nicht erwiesen. In Kürze startet ein Pilotprojekt, bei dem Telekommitarbeiter neue Funktionen der App testen werden. Hingegen sei die Wirksamkeit der Migräne-App der TK bereits erwiesen, berichtete Hartmut Göbel, Neuorologe an der Schmerzklinik Kiel. Nach Angaben der Patienten konnte die Anzahl der Arbeitsunfähigkeitstage gesenkt werden.

An Schulen habe sich zudem die „Aktion Mütze – Kindheit ohne Kopfzerbrechen“ bewährt, berichtete Straub über das Präventionsprogramm der Barmer, das kostenlose Unterrichtsmaterialien zur Ver­fügung stellt. „In der Pilotphase haben wir bereits eine Senkung der Kopfschmerzen um 70 Prozent erreicht.“ Ein ähnliches Projekt namens „Kopf hoch“ will die Barmer daher auch an Universitäten testen.

afp/gie

Diskutieren Sie mit:

Diskutieren Sie mit

Werden Sie Teil der Community des Deutschen Ärzteblattes und tauschen Sie sich mit unseren Autoren und anderen Lesern aus. Unser Kommentarbereich ist ausschließlich Ärztinnen und Ärzten vorbehalten.

Anmelden und Kommentar schreiben
Bitte beachten Sie unsere Richtlinien. Der Kommentarbereich wird von uns moderiert.

Es gibt noch keine Kommentare zu diesem Artikel.

Newsletter-Anmeldung

Informieren Sie sich täglich (montags bis freitags) per E-Mail über das aktuelle Geschehen aus der Gesundheitspolitik und der Medizin. Bestellen Sie den kostenfreien Newsletter des Deutschen Ärzteblattes.

Immer auf dem Laufenden sein, ohne Informationen hinterherzurennen: Newsletter Tagesaktuelle Nachrichten

Zur Anmeldung