Fachgesellschaften sehen Qualität der Medizin durch Ökonomisierung bedroht

Berlin – Die Arbeitsgemeinschaft der Wissenschaftlichen Medizinischen Fachgesellschaften (AWMF) sieht die Qualität in der Medizin durch die zunehmende Ökonomisierung bedroht. Um dem einen Riegel vorzuschieben, mahnt sie verschiedene Ansatzpunkte an, die in einer aktuellen Stellungnahme zu „Medizin und Ökonomie“ zusammengefasst wurden. Der Fokus liegt laut AWMF vornehmlich im ersten Schritt auf dem Krankenhaussektor. Man sei sich aber bewusst, dass Lösungen über alle Sektorengrenzen hinweg notwendig seien.
Weil zeitlicher Aufwand für die Kommunikation mit Patienten derzeit kaum im System der diagnosebezogenen Fallpauschalen (DRG) berücksichtigt werden, muss dieser aus Sicht der AWMF angepasst werden. „Künftig müssen zeitliche Aufwände für das Arzt-Patienten-Gespräch, aber auch die Abstimmung mit anderen Fachkollegen in die Berechnung deutlich mehr einfließen“, forderte AWMF-Präsident Rolf Kreienberg. Dies werde immer wichtiger, da Patienten zunehmend mehrfach und chronisch erkrankt seien und eine ganzheitliche Betreuung durch verschiedene Experten benötigten.
Als wichtigen Punkt nennt die AWMF beispielsweise auch, die Entscheidungsbefugnisse der Ärzte und Pflegekräfte im Krankenhaus auszuweiten. So sei eine gemeinsame Krankenhausführung notwendig, in der Ärzte und Pflegende mit kaufmännischen Direktoren auf Augenhöhe Entscheidungen treffen, so die AWMF.
Nicht nur die Zahlen sehen
Basis dafür sollte ein Wertemanagement im Krankenhaus sein, das nicht nur an betriebswirtschaftlichen Zielen ausgerichtet sei, sondern medizinische Überlegungen und Patientenorientierung integriere. „Notwendig sind dafür auch Arbeitsbedingungen, die eine qualitativ hochwertige Versorgung gewährleisten“, betonte Manfred Gogol, AWMF-Präsidiumsmitglied.
Ursache für die teils schwierige Arbeitssituation in den Kliniken ist aus Sicht der AWMF nicht zuletzt der betriebswirtschaftliche Erfolgsdruck und die dadurch bedingte Mengenausweitung der vergangenen Jahre. Trotz kürzerer Liegezeiten der Patienten sei die Zahl der Krankenhausbetten nur geringfügig gesunken, die Zahl der Behandlungsfälle hingegen deutlich gestiegen.
„Die Zahl der Krankenhausbetten in Deutschland liegt weit über dem Durchschnitt in anderen EU-Ländern oder der OECD – ebenso die Anzahl der Behandlungsfälle“, so Kreienberg. Diese seien jedoch sehr unterschiedlich auf die verschiedenen Fächer verteilt. Eine hohe Bettendichte in einem Fach sei ein Treiber dafür, dass jedes einzelne Krankenhaus immer mehr Fälle durchschleuse.
Außerdem gehe diese Entwicklung zulasten der Qualität. „Kleinere Krankenhäuser führen Eingriffe durch, für die sie weder ausgestattet sind noch die notwendige Erfahrung haben“, warnte Kreienberg.
Die AWMF fordert daher von der Politik auf Bundes- und Landesebene, die Aktivitäten der Fachgesellschaften zur qualifizierten Zentrenbildung zu unterstützen. Durch diese Spezialisierung in meist interdisziplinären, sektorenübergreifenden Teams ließe sich bei zahlreichen Krankheitsbildern die Versorgungsqualität nachweislich steigern, so die AWMF.
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