Änderungen bei Wahlrecht für Behinderte erwartet

Berlin – Parteien und Verbände rechnen in der kommenden Legislaturperiode mit Änderungen beim Wahlrecht für Behinderte. Dafür bestehe bei den im Bundestag vertretenen Parteien eine „grundsätzliche Bereitschaft“, sagte die Behindertenbeauftragte der Bundesregierung Verena Bentele heute.
Bei der bevorstehenden Bundestagswahl am 24. September sind rund 85.000 Frauen und Männer von der Wahl ausgeschlossen. Es handelt sich dabei mehrheitlich um Menschen mit einer geistigen Behinderung, die in einer „dauerhaften Vollbetreuung“ leben. Hinzu kommen rund 3.300 schuldunfähige Straftäter, die in psychiatrischen Krankenhäusern untergebracht sind.
Schwarze-Peter-Spiel
Pauschale Wahlrechtsausschlüsse sind laut der von Deutschland unterzeichneten UN-Behindertenrechtskonvention von 2007 nicht zulässig. Stetig wiederkehrende Debatten über eine Änderung des Paragraphs 13 im Bundeswahlgesetz gibt es seit Inkrafttreten der Konvention 2009. Die große Koalition wollte sich des Themas in der jetzt zu Ende gehenden Legislaturperiode annehmen.
Laut Darstellung des behindertenpolitischen Sprechers der Unions-Bundestagsfraktion, Uwe Schummer (CDU), sollte die Änderung im Rahmen einer großen Wahlrechtsreform erfolgen, bei der beispielsweise auch geplant war, die Zahl der Abgeordneten auf 630 zu begrenzen. Die Verhandlungen über dieses „Gesamtpaket“ seien jedoch im Frühjahr am Widerstand der SPD gescheitert. Er gehe nach diesen Erfahrungen davon aus, dass in der kommenden Legislaturperiode die angestrebten Reformen einzeln verhandelt würden, sagte Schummer. Darauf habe man sich innerhalb der CDU bereits verständigt.
Schummers Kollegin von der SPD, Kerstin Tack, gab dagegen der Union die Schuld am Scheitern. Trotz „wiederholter Gesprächsanläufe“ ihrer Partei habe die Union eine Änderung des Wahlrechts zur Abschaffung der Ausschlüsse nicht mittragen wollen und das Vorhaben „stetig blockiert“. Tacke verwies auf ein Positionspapier vom Januar, in dem sich die SPD-Fraktion für Änderungen beim Bundeswahl- und beim Europawahlgesetz stark machte. Auf Ebene der Bundesländer hatten Schleswig-Holstein und Nordrhein-Westfalen im vergangenen Jahr pauschale Ausschlüsse in ihren Landeswahlgesetzen gestrichen.
Derzeit liegen dem Bundesverfassungsgericht Wahlprüfungsbeschwerden von Betroffenen vor, die 2013 nicht an der Bundestagswahl teilnehmen durften. Unterstützt werden sie von der Bundesvereinigung Lebenshilfe und der Caritas Behindertenhilfe und Psychiatrie (CBP). Der Zweite Senat hatte angekündigt, nach Möglichkeit in diesem Jahr entscheiden zu wollen. Federführender Richter ist Peter Müller, der frühere saarländische Ministerpräsident. Auch wegen der Ferienzeit scheint es recht unwahrscheinlich, dass der Fall noch vor der Wahl geklärt wird.
CBP-Geschäftsführer Thorsten Hinz sagte, er hoffe, dass in der kommenden Legislaturperiode Bewegung in die Debatte komme. Zugleich sprach er sich gegen den in einer im vergangenen Sommer vorgelegten Studie des Bundesarbeitsministeriums vorgeschlagenen Lösungsweg aus, einen pauschalen Ausschluss durch eine Einzelfallprüfung zu ersetzen. „Wahlfähigkeitsprüfungen aufgrund von einer Behinderung und/oder einer psychischen Erkrankung sind mit dem Grundrecht nicht vereinbar“, so Hinz.
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