Politik

Wahlrecht für zehntausende Behinderte gefordert

  • Montag, 24. April 2017
Uploaded: 24.04.2017 14:28:09 by maybaum
/MaxWo, stock.adobe.com

Berlin – Die Bundestagsvizepräsidentin und Lebenshilfe-Vorsitzende Ulla Schmidt (SPD) hat ein Wahlrecht für zehntausende Menschen mit Behinderungen bei der Bundestags­wahl gefordert. Im Bundeswahlgesetz müssten Ausschlüsse vom Wahlrecht „schnellst­mög­lich“ gestrichen werden, sagte Schmidt im Hinblick auf die Bundestagswahl im Sep­tember. Die Grünen unterstützen die Forderungen, warfen der großen Koalition aus SPD und Union aber Untätigkeit vor.

„Das Grundrecht zu wählen muss endlich für alle volljährigen Bürger unseres Landes gel­ten und die Diskriminierung von Menschen mit geistiger Behinderung, psychischen Krankheiten und Demenzerkrankung ein Ende haben“, sagte Schmidt. Die Vorsitzende der Behindertenorganisation Lebenshilfe verwies auf eine Studie des Bundessozial­mi­nis­t­­eriums, nach der mehr als 80.000 Menschen in Deutschland eine Betreuung in allen An­gelegenheiten haben und deshalb von der Wahl ausgeschlossen sind.

„Darüber hinaus dürfen auch über 3.000 Menschen, die in der Psychiatrie untergebracht sind, weil sie im Zustand der Schuldunfähigkeit eine Straftat begangen haben, nicht wäh­len“, fügte die SPD-Politikerin hinzu. „Aus meiner Sicht ist es nicht hinnehmbar, so vielen Menschen pauschal ein elementares Bürgerrecht vorzuenthalten, obwohl gar nicht klar ist, ob sie nicht mit entsprechender Hilfestellung eine Wahlentscheidung treffen könnten.“

Verstoß gegen UN-Behindertenrechtskonvention

„Wahlrechtsausschlüsse aufgrund einer Behinderung verstoßen außerdem gegen die men­schenrechtlichen Vorgaben der UN-Behindertenrechtskonvention“, kritisierte die Vi­ze­präsidentin des Bundestags. Schmidt bemängelte  die unterschiedlichen Bedingungen in den Bundesländern. Die Studie des Bundessozialministeriums habe gezeigt, dass sich die Wahrscheinlichkeit, eine Betreuung in allen Angelegenheiten zu erhalten, stark unter­scheide – in Bayern sei sie etwa 26-mal so hoch wie in Bremen.

Zufrieden zeigte sich Schmidt mit der Situation in den Bundesländern Nordrhein-Westfa­len und Schleswig-Holstein, wo im Mai Landtagswahlen stattfinden und alle Menschen den Landtag wählen dürfen. „Die entsprechenden Ausschlüsse wurden dort in den Landeswahlgesetzen gestrichen“, sagte sie.

Die Grünen unterstützten Schmidts Forderungen, warfen der großen Koalition aber vor, nichts gegen den Ausschluss zehntausender Behinderter in Deutschland vom Wahlrecht getan zu haben. „Der Ausschluss von Menschen mit Behinderung beim Wahlrecht ist stig­matisierend und diskriminierend“, sagte Grünen-Parlamentsgeschäftsführerin Britta Haßelmann. Das Recht zu wählen sei „ein politisches Grundrecht“. Eine weitere Diskrimi­nierung und Ausgrenzung sei inakzeptabel. „Union und SPD hatten jetzt vier Jahre Zeit, diese Diskriminierung im Wahlrecht endlich zu beenden“, sagte Haßelmann. Das sei aber offensichtlich nicht gewollt gewesen.

Die SPD warf der Union in dem Zusammenhang eine Blockadehaltung vor. Die SPD-Bun­destagsfraktion habe die Diskriminierung in dieser Wahlperiode abschaffen wollen und schon vor Monaten den Koalitionspartner aufgefordert, sich an der Wahl­rechts­änderung zu beteiligen, erklärte die Abgeordnete Kerstin Tack, Beauftragte für die Belange von Men­schen mit Behinderungen. „Noch können wir eine Wahlrechtsänderung in dieser Le­gislatur schaffen, aber CDU und CSU blockieren seit Wochen dieses Vorhaben.“

afp

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