Politik

Ärzte sollen sich vermehrt in Substitutions­therapie einbringen

  • Dienstag, 12. März 2019
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Frankfurt am Main/Berlin – Zehntausende Suchtkranke profitieren von einer Ersatzthera­pie mit Medikamenten. Aber immer weniger Ärzte sind offenbar bereit, diese Patienten zu betreu­en. Die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Marlene Mortler, appellierte daher jetzt an die Ärzteschaft: „Substituieren Sie, denn das kann Leben retten!“

Bundesweit ist die Zahl der Patienten, die substituiert werden, in Deutschland seit rund zehn Jahren weitgehend konstant geblieben. Wie aus dem aktuellen Bericht zum Substitutionsregister der Bundesopiumstelle hervorgeht, nahmen 2018 bundesweit 79.400 Patienten an einer Drogenersatztherapie teil. Ganz anders die Lage bei den Substitu­tionsärzten. Ihre Zahl sinkt dem Bericht zufolge seit Jahren: 2.585 waren es bundesweit 2018 – 150 Mediziner weniger als 2012.

Viele dürften substituieren, tun das aber nicht: Laut Bundesopiumstelle betreuen 14 Prozent der substituierenden Ärzte die Hälfte aller Drogenpatienten. In Hessen sind beispielsweise 216 Ärzte für diese Art der Therapie zugelassen. Sie betreuen laut Bundesopiumstelle 7.616 Patienten. In Nordrhein-Westfalen gibt es mehr als 700 Mediziner, die substituieren, in Brandenburg nur 14.

„Es wird zunehmend schwerer, Ärzte für die Substitution zu finden“, sagte Oliver Müller-Maar, Experte für Substitution im Frankfurter Drogenreferat. Über die Gründe könne man nur spekulieren: In normalen Arztpraxen seien Drogenab­hängige „wahrscheinlich nicht die Wunschpatienten“, schätzt Müller-Maar. Und in den Spezialambulanzen fehlten die Überzeugungstäter von früher.

Mancherorts müssten Patienten schon heute weite Wege zur Praxis oder Ambulanz fahren, heißt es in einem Thesenpapier der Deutschen Gesellschaft für Suchtmedizin. In mehreren Regionen gebe es bereits „weiße Flecken in der Substitutionslandschaft“. Nach Schätzung verschiedener Kassenärztlicher Vereinigungen „könnte Anfang der 2020er-Jahre ein Drittel der jetzt Substituierten ohne ärztliche Behandlung dastehen“.

Ende 2017 waren die Regeln für die Ersatztherapie geändert worden. Dank einer neuen Richtlinie dürfen Ärzte seither Ersatzstoffe für bis zu 30 Tage zur Einnahme zu Hause verschreiben. Zuvor war das nur für maximal sieben Tage möglich. Mit der Reform habe die Bundesregierung „einen wichtigen Beitrag für eine funktionie­rende, flächendeckende Substitutionsversorgung im ganzen Land geleistet“, sagte die Drogenbeauftragte Mortler. Sie sieht nun die Ärzte im Land gefragt.

Die Bundesärztekammer (BÄK) wies auf Anfrage ebenfalls auf die seit 2017 verbesserten Rahmen­be­dingungen hin. Dazu beigetragen habe eine neue Betäubungsmittel-Verschrei­bungsver­ord­nung (BtMVV), mit der ärztlich-therapeutische Belange in die Richtlinien­kom­petenz der BÄK übertragen worden sei. Im Oktober 2017 sei die neue Substitutions-Richtlinie der BÄK zur Behandlung von Opioidabhängigen in Kraft getreten.

„Die Therapie unterliegt damit nicht mehr starren gesetzlichen Regelungen, die bislang immer auch die Gefahr von Strafverfahren für die behandelnden Ärzte nach sich zogen“, erklärte ein Sprecher der BÄK. Sie könne jetzt auch besser als bisher an den aktuellen Stand der medizinischen Wissenschaft und den Erfordernissen des konkreten Einzelfalls angepasst werden.

Die durch die damaligen Strafandrohungen entstandene Verunsicherung bei Ärzten wirkt aus Sicht der BÄK aber heute möglicherweise noch nach. „Umso wichtiger ist die weitere Aufklärung und Information über die geänderten Rahmenbedingungen bei der Substi­tu­tionstherapie“, erklärte der BÄK-Sprecher. Eine angemessenere Honorierung der anspruchs­vollen Arbeit der Substitutionsärzte wäre eine zusätzliche Motivation für Ärzte, sich in diesem wichtigen Bereich zu engagieren, sagte er.

dpa/may

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