Ärzteschaft

Ärzte sollten Patienten zu klimafreundlichem Lebensstil beraten

  • Mittwoch, 16. November 2022
/Liudmila Dutko, stock.adobe.com
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Berlin – Ärzte sollten ihre Patienten zu einem klimafreundlichen – und damit gleichzeitig gesunden – Le­bens­stil beraten. Das haben die Delegierten des Hartmannbund kürzlich auf ihrer Hauptversammlung in Berlin angeregt.

„Schutz und Erhalt der natürlichen Lebensgrundlagen, damit also die Bewohnbarkeit der Erde, sind unbeding­te Voraussetzungen für menschliche Gesundheit und Wohlergehen“, heißt es in dem Beschluss. „Wenn die Menschheit daran scheitern sollte, den Klimawandel abzuschwächen, berauben wir uns unser aller Lebens­grundlage.“

„Im Genfer Gelöbnis geloben Ärztinnen und Ärzte feierlich, Gesundheit und Wohlergehen ihrer Patientinnen und Patienten zu ihrem obersten Anliegen zu machen und ihr medizinisches Wissen zu deren Wohl und zur Verbesserung der Gesundheitsversorgung zu teilen“, betont der Hartmannbund.

„Damit verpflichten sich Ärztinnen und Ärzte nicht nur ihrer Rolle als ‚Heiler‘, sondern auch der Aufgabe der Aufklärung, wenn diese der Gesunderhaltung der ihnen anvertrauten Menschen dient.“ Angesichts des unbe­strittenen Zusammenhanges zwischen der Gesundheit des Menschen und des Zustandes des Planeten, auf dem er lebt, sei eine konstruktive Integration von Planetary-Heath-relevanten Aspekten in das ärztliche Ethos unverzichtbar.

Klimaschutz als Dauer-TOP auf den Ärztetagen

Vor diesem Hintergrund solle die Ärzteschaft sich verstärkt und eigeninitiativ mit dem Klimawandel und seinen Auswirkungen auf die Gesundheit der Menschen auseinandersetzen. In Zusammenarbeit mit ihren Pa­tienten könnten Ärzte demnach zum Beispiel Medikationspläne an Hitzewellen anpassen, Apps zu Pollen­flug, Luftqualität und Hitze empfehlen oder umweltschädliche Aktivitäten reduzieren, zum Beispiel durch eine energetische Sanierung der Praxen, den Einsatz klimafreundlicher Anästhesiegase und die Vermeidung von Müll.

Die ärztliche Standespolitik forderten die Delegierten auf, die gesundheitlichen Auswirkungen der Klima- und Umweltkrisen verstärkt auf die Forschungs- und Lehragenda zu bringen. Dafür solle die Bundesärztekammer Anreize durch einen Forschungspreis für besonders verdiente Projekte schaffen, der jährlich verliehen wird. Zudem solle der Klimaschutz zu einem Dauer-TOP auf den Deutschen Ärztetagen werden.

Papierlose Dokumentation bis 2030

Zudem sollen dem Hartmannbund zufolge gesundheitliche Auswirkungen der Klima- und Umweltkrisen an Vertreter anderer Sektoren kommuniziert und in interdisziplinären Projekten repräsentiert werden, zum Bei­spiel bei der Städteplanung, bei der Ernährung, bei der Bildung oder im Verkehr.

„Um dies zuverlässig sicherstellen zu können, sollten Projekte der medizinischen Versorgung, in die öffentli­che Gelder einfließen, immer einer Überprüfung ihrer Klimaschädlichkeit bedürfen“, forderten die Delegierten. „Dies sollte noch in der 20. Legislaturperiode beschlossen werden.“

Darüber hinaus forderten die Delegierten Praxen, Krankenhäuser und andere Akteure des Gesundheitswesens auf, bis zum Jahr 2030 papierlos zu arbeiten. „Durch eine papierlose Dokumentation sowohl im stationären als auch ambulanten Bereich wird es langfristig zu Einsparung von Ressourcen kommen und damit verbunden ein großer Beitrag zum Klima- und Umweltschutz geleistet werden“, heißt es zur Begründung.

Zudem werde es zu finanziellen Einsparungen kommen sowie zu einer Erhöhung der Patientensicherheit, da jegliche Befunde und Daten vereint in der elektronischen Patientenakte verfügbar seien.

Pflanzenbasierte Ernährung fördern

Die Hauptversammlung des Hartmannbundes forderte die Ärzteschaft dazu auf, die Verbreitung einer pflan­zen­­basierten Ernährungsweise zu fördern, um dadurch dazu beizutragen, den Konsum tierischer Lebensmittel deutlich zu reduzieren. Die Ärzteschaft könne und solle innerhalb der Gesellschaft eine entsprechende Vor­reiterrolle einnehmen – und gleichzeitig als Multiplikator in die Gesellschaft hineinwirken.

Denn „gesunde Ernährung ist ein zentraler Baustein für die menschliche Gesundheit“. Pflanzenbasierte Nah­rungsmittel wie Obst, Gemüse, Vollkornprodukte und Hülsenfrüchte seien für ihre gesundheitlichen Vorteile bekannt. Menschen, die sich entsprechend ernährten, hätten ein verringertes Risiko für verschiedene Zivili­sationskrankheiten wie Herzerkrankungen, bestimmte Krebsarten, Typ-II-Diabetes oder Gicht.

Mindestens genauso wichtig seien aber die Umweltvorteile einer pflanzenbasierten Ernährung. Der hohe Fleischkonsum gerade in den Ländern des globalen Nordens trage zur weltweiten Treibhausgasemission bei, belaste den Planeten durch den hohen Landbedarf der Tierhaltung, führe zu einem massiven Verbrauch von Kunstdüngern und Pestiziden und zu einem Verlust der Biodiversität.

Patientenzugang zum System steuern

Der Hartmannbund forderte den Gesetzgeber dazu auf, mit Blick auf die effektive Nutzung der begrenzten finan­ziellen und personellen Ressourcen des Gesundheitssystems den unkoordinierten Zugang von Versi­cherten zu den Versorgungsstrukturen des Systems durch Steuerungsinstrumente, wie zum Beispiel eine sozial ausgewogene Selbstbeteiligung, zu verhindern. Dabei müsse bei den zu ergreifenden Maßnahmen ausgeschlossen werden, dass medizinisch notwendige Behandlungen aus finanziellen Gründen unterbleiben oder verzögert werden.

„Mit Blick auf internationale Erfahrungen erscheinen Selbstbeteiligungen geeignet, in ausgewählten Berei­chen positive Steuerungseffekte in der Versorgung zu erzielen“, heißt es zur Begründung.

„Der in Deutschland existierende nahezu unbeschränkte Zugang zu einer umfassenden und qualitativ hoch­wertigen medizinischen Versorgung führt nicht zuletzt durch eine immer weiter steigende Nachfrage nach Gesundheitsangeboten und mit Blick auf begrenzte finanzielle und personelle Ressourcen zu einem Mangel an Behandlungskapazitäten – häufig vor allem zu Lasten derjenigen, die aufgrund ihres Gesundheitszustandes besonders kurzfristigen Zugang zum System benötigen.“

Zudem forderten die Delegierten des Hartmannbundes die Krankenhäuser dazu auf, das ärztliche Personal durch gezielte Delegationsstrukturen zu entlasten, um mehr wertvolle Arztzeit für Patienten zu generieren. Durch die Umlagerung von vornehmlich bürokratischen und der Dokumentation dienenden Aufgaben auf nichtärztliches Personal könne mehr Zeit für die ärztliche Patientenversorgung zur Verfügung stehen.

Der Hartmannbund schlägt dabei zum Beispiel vor, Rehaanträge zu delegieren, das Qualitätsmanagement, Sozialdienstanträge, vorbereitende Anamnesen und das Vorbereiten von Arztbriefen.

fos

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