Ärzteschaft

Ärzte und Apotheker warnen vor Gesundheitskollaps

  • Mittwoch, 8. November 2023
/picture alliance, dpa, Bernd Wüstneck
/picture alliance, dpa, Bernd Wüstneck

Schwerin – Mediziner und Apotheker in Mecklenburg-Vorpommern sorgen sich um die ambulante Gesund­heitsversorgung. Nach Einschätzung von Verbandsvertretern läuft der Nordosten auf einen Gesundheitskol­laps zu. Zunehmende Bürokratie, Fachkräftemangel und ungeeignete politische Rahmenbedingungen er­schwerten die Versorgung in immer größerem Maße.

„Das ist jetzt der Zeitpunkt, wo wir einfach aufwachen müssen“, sagte Angelika von Schütz, Vorsitzende der Kassenärztlichen Vereinigung in Mecklenburg-Vorpommern, gestern in Schwerin. Unter dem Motto „fünf vor zwölf“ wollten Mediziner und Apotheker heute zu Beginn der Landtagssitzung auf ihre Anliegen aufmerksam machen.

Frust durch Bürokratie und Digitalisierung

Für besonders viel Frust sorgt nach Schilderungen der Verbandsvertreter die „stumpfsinnige Bürokratie“. Bis zu 60 Arbeitstage im Jahr gingen in einer Arztpraxis durchschnittlich für die Bewältigung von Formularen drauf, sagte von Schütz.

Die verschiedenen Krankenkassen etwa hätten ihre Formulare bislang nicht vereinheitlicht. Teils müssten Daten sogar noch händisch eingetragen werden, da die Dokumente mit den EDV-Systemen in den Praxen nicht kompatibel seien.

Doch auch die Digitalisierung bringt nach Einschätzung der Verbandsvor­sitzenden bislang keine Erleichte­rung – im Gegenteil. In der Praxis seien die Produkte oft nicht tauglich. Ärzte sollten an der Entwicklung solcher Anwendungen beteiligt werden, forderte von Schütz. Zudem dürften Praxen, die nicht an digitale Systeme angeschlossen sind, nicht weiter durch Honorarabzug sanktioniert werden.

Ein aktuell großes Problem für die Apotheken sei die immer länger werdende Liste nicht lieferbarer Medika­mente, sagte Axel Pudimat, Vorsitzender des Apothekerverbandes in Mecklenburg-Vorpommern. Vergü­tet wer­de der Mehraufwand für die Beschaffung mit 50 Cent pro Fall. „Das ist Geringschätzung für das Management von Engpässen“, kritisierte Pudimat.

Der Apothekerverband hat für heute zu Apothekenschließungen in Mecklenburg-Vorpommern, Niedersachsen, Bremen, Hamburg und Schleswig-Holstein aufgerufen. Ein Notdienst stehe zur Verfügung.

Praxisschließungen seien hingegen für den Protesttag nicht geplant, sagte von Schütz. Heute sei ohnehin ein kurzer Tag in den meisten Praxen. Sie wies allerdings darauf hin, dass die Demonstration in Schwerin „wahr­schein­­lich nur der Beginn weiterer Maßnahmen“ sei.

Verbände warnen vor Schließungen

Zunehmende finanzielle Probleme entstünden den Praxen durch massive Kostensteigerungen, die durch die vom Gesetzgeber gedeckelten Vergü­tungs­anhebungen nicht ausgeglichen würden, berichtete Jens Palluch, stellvertretender Vorsitzender der Kassenzahnärztlichen Vereinigung.

Das gehe zulasten der Löhne für das Personal. Viele Mitarbeiter wander­ten mittlerweile in besser bezahlte Branchen ab, Praxen fänden keine Nachfolger. „Das wird gerade in unserem überwiegend ländlich geprägten Flächenland zunehmend mehr ins Gewicht fallen als in anderen Regionen“, betonte Palluch.

Vor Schließungen warnte auch der Apothekerverbandsvorsitzende Pudimat. „Das Sterben der Apotheken geht gerade erst so richtig los“, sagte er. Deutschlandweit stünden in diesem Jahr 600 Apotheken vor dem Aus.

Unterstützung der Landesregierung gefordert

Die Verbände forderten die Landesregierung und Bundestagsabgeordneten aus dem Land auf, sich stärker für die Vertreter der Gesundheitsberufe einzusetzen.

„Wir erwarten ganz einfach, dass man uns miteinbezieht – gar nicht unbedingt als Entscheider, aber als Bera­ter“, sagte von Schütz. Weder auf Bundes- noch auf Landesebene gebe es ein offenes Ohr für drohende Ver­sorgungsdefizite, beklagte Palluch.

Die Verbände machten zurecht auf die zunehmend schwierige Lage der Gesundheitsberufe aufmerksam, er­klärte Torsten Koplin, gesundheits­politischer Sprecher der Linksfraktion im Landtag.

„Zwei wesentliche Ursachen für die Misere sind aus meiner Sicht die strikte Marktorientierung auch im am­bulanten Bereich und das Sparen am falschen Ende. Hinzu kommen eine nicht bedarfsgerechte Versorgungs­planung und falsche Anreize“, sagte er. Die rot-rote Landesregierung arbeite an Verbesserungen der Rahmen­bedingungen.

Schon im Januar hatte sie angekündigt, die Kommunen unter anderem bei der Ansiedlung von Ärzten im ländlichen Raum zu unterstützen.

dpa

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