Ärzte wehren sich gegen Korruptionsvorwürfe

Berlin – Die Ärzte lassen den Vorwurf der Bestechlichkeit nicht auf sich sitzen und starten einen Gegenangriff. „Während Krankenkassen und manche Politiker schlagzeilenträchtig schärfere Gesetze gegen korrupte Ärzte fordern, arbeiten wir längst mit Bund und Ländern an wirksamen Lösungen“, sagte der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Frank Ulrich Montgomery. Dabei könne es aber nicht um ein Gesetz allein gegen Ärzte gehen. Wer Betrug und Fehlverhalten im gesamten Gesundheitswesen wirksam bekämpfen wolle, der müsse auch alle anderen Berufsgruppen mit einbeziehen.
„Und auch das Fehlverhalten der Krankenkassen muss auf den Prüfstand, sei es bei fragwürdigen Rabattverträgen, bei sogenannten Abrechnungsoptimierungen oder auch wie jüngst, wenn Schwerkranke aus ihrer Krankenkasse gemobbt werden“, sagte der BÄK-Präsident und warf den Krankenkassen „schieren Populismus“ vor. Deren Spitzenverband hatte eine Haftstrafe von bis zu drei Jahren für korrupte Mediziner gefordert. „Es wird ja immer nur mit Dunkelziffern, mit Vermutungen, mit Schätzungen argumentiert“, kritisierte der Kammerpräsident. Die allerwenigsten Fälle würden einen Strafrahmen von drei Jahren Gefängnis rechtfertigen.
Mehr Ermittlungskompetenzen für Ärzte
Montgomery forderte für die Ärzteschaft mehr Ermittlungskompetenzen, um selbst gegen schwarze Schafe vorgehen und relevante Dokumente und Beweise sicherstellen zu können. „Eine weitere Möglichkeit wäre, in Korruptionsfällen schneller die Aberkennung der Kassenzulassung zu ermöglichen. Das hätte im Zweifel mehr Wirkung, als Änderungen im Strafrecht“, so der BÄK-Präsident.
„Wenn die ärztliche Selbstverwaltung weitere Instrumente benötigt, diese Missbrauchsfälle aufzudecken, dann soll sie diese jetzt benennen und fordern“, sagte auch der Vorsitzende des NAV-Virchowbundes, Dirk Heinrich. Ein „effektiver, vor allem transparenter und öffentlicher Selbstreinigungsprozess ist längst überfällig“, so Heinrich, zu lange habe die Ärzteschaft „die wenigen schwarzen Schafe unter der Decke gehalten“.
Lauterbach kritisiert FDP
Kritik an der derzeitigen Rechtslage übte der gesundheitspolitische Sprecher der SPD-Bundestagsfraktion, Karl Lauterbach: „Wir wissen, dass eine kleine Gruppe von Ärzten leider korrupt ist. Und die haben derzeit Straffreiheit. Das kann nicht gehen, wir sind ja nicht in einer Bananenrepublik. Und die FDP hat sich schützend vor diese Ärzte gestellt“, sagte er in der ARD. Eine öffentliche Ächtung korrupter Ärzte verlangte der CDU-Gesundheitsexperte Jens Spahn. Die Zahl der schwarzen Schafe unter den Medizinern sei schwer zu schätzen, sagte er der ARD. Es werde sicherlich „tausendfach“ Miete dafür gezahlt, dass jemand Orthopädie- oder Zahntechnik in der Praxis ausstellen dürfe und er dann Patienten zugewiesen bekomme, so Spahn.
Antikorruptionsgesetz auch für andere Berufsgruppen
Bereit zu Gesprächen über ein Antikorruptionsgesetz zeigte sich der Hartmannbund (HB). „Über ein Gesetz, das Bestechlichkeit bei niedergelassenen Ärzten unter Strafe stellt, kann man sicher nachdenken“, sagte deren Vorsitzender Klaus Reinhardt der Rheinischen Post. Ein solches Gesetz müsse aber nicht nur für Ärzte gelten, sondern auch für andere Freiberufler wie Rechtsanwälte, Notare oder Architekten. Reinhardt räumte ein: „Korruption im Gesundheitswesen kommt sicher vor, das sehen wir ja jetzt wieder am Organspendeskandal in Leipzig.“
Bundesjustizministerin Sabine Leutheusser-Schnarrenberger (FDP) erwägt unterdessen, Korruption von Ärzten gesetzlich zu bekämpfen. „Es geht bei der Gesundheit von Menschen um einen hochsensiblen ethischen Gefahrenbereich”, sagte die Ministerin der Passauer Neuen Presse vom Freitag. „Die Ärzte sind nun in der Pflicht, das Vertrauen der Patienten wieder herzustellen."
Leutheusser-Schnarrenberger forderte von der ärztlichen Selbstverwaltung, bei Fehlverhalten von Medizinern von den bestehenden Sanktionsmöglichkeiten des Standesrechtes energisch Gebrauch zu machen. Das ärztliche Standesrecht gebe die Möglichkeit, harte berufs- und kassenrechtliche Sanktionen auszusprechen. „Wenn sich aber Hinweise auf ein erhebliches Vollzugsdefizit des verpflichtenden Standesrechts verdichten, wird die Bundesregierung über gesetzliche Regelungen zur Korruption von Ärzten nachdenken müssen", sagte sie.
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