Ärztekammer Nordrhein mahnt zur Solidarität bei der Pandemiebewältigung

Düsseldorf – Die Kammerversammlung der Ärztekammer Nordrhein (ÄKNo) mahnt mit Blick auf die weiterhin hohen Zahlen an Neuinfektionen zur Solidarität bei der Bewältigung der Coronaviruspandemie.
„Jede und jeder von uns bewertet die Pandemie auch vor dem Hintergrund ihrer oder seiner persönlichen und beruflichen Erfahrungen, und die sind eben sehr unterschiedlich“, betonte Rudolf Henke. „Machen wir uns diese Tatsache immer wieder bewusst“, forderte der Präsident der ÄKNo in der jüngsten Sitzung der Kammerversammlung, die als Videokonferenz über das Internet stattgefunden hat.
Nach Ansicht des Kammerpräsidenten können die Unterschiede in der Wahrnehmung der SARS-CoV-2-Pandemie zum Problem werden. „Wir erleben, wie sie Spaltungstendenzen in unserer Gesellschaft und auch, und ich hoffe, dass das nur vorübergehend ist, in der Ärzteschaft begünstigt. Hüten wir uns davor“, mahnte Henke.
Mit ihrem Gelöbnis hätten die Ärzte ihr Leben in den Dienst der Menschlichkeit gestellt und die Gesundheit und das Wohlergehen der Menschen zu ihrem obersten Anliegen gemacht. „Aus diesem Selbstverständnis heraus ist es für uns als Ärztinnen und Ärzte keine Option, erst dann zum Handeln aufzurufen, wenn die Überforderung des Gesundheitssystems mit all ihren Folgen bereits eingetreten ist.“
Es immer auch um gesellschaftlichen Werte und deren Verbindlichkeit
Studien zufolge müssten vor allem ältere Menschen mit einer erhöhten Sterblichkeit rechnen, wenn sie an COVID-19 erkrankten, betonte der ÄKNo-Präsident. Weitere Studien belegten, dass die COVID-19-Erkrankung bei Menschen mit chronischen Krankheiten wie Diabetes, COPD und Herz-Kreislauf-Erkrankungen schwerer verlaufe als bei ansonsten gesunden Menschen.
„Aus diesem Grund geht es bei allen Strategiediskussionen im Kern auch immer um die Frage unserer gesellschaftlichen Werte und deren Verbindlichkeit. Es geht um die Frage, wie wichtig uns verletzliche Bevölkerungsgruppen sind“, erläuterte der Kammerpräsident.
Henke forderte alle Ärzte im Kammergebiet auf, die Bevölkerung weiterhin zur Einhaltung der geltenden Infektionsschutzregeln und zur Nutzung der Corona-Warn-App zu motivieren und ihr „ein Signal der Zuversicht und des Vertrauens“ zu geben.
Kammer appelliert Infektionsschutzregeln einzuhalten
Keinerlei Verständnis habe er für Menschen, die diesen Ärzten Hass-Mails schicken oder Gewalt androhen. Die Kammerversammlung verabschiedete bei einer Gegenstimme und einer Enthaltung einen Antrag, mit dem sie noch mal eindringlich an die Menschen im Rheinland appelliert, die geltenden Infektionsschutzregeln einzuhalten und so zur Eindämmung der Pandemie beizutragen.
Außerdem forderte die ÄKNo die Entwicklung von Strategien für die Pandemiebewältigung im Herbst und Winter, um eine Überlastung der Kapazitäten auf Intensivstationen abzuwenden. Dazu sollten die Regeln des Infektionsschutzes konsequent umgesetzt, validiert und weiterentwickelt sowie Risikogruppen besonders geschützt werden.
Weiterentwickelt werden sollten auch die Maßnahmen zum frühzeitigen Erkennen von Infektionen und zur Nachverfolgung von Kontaktpersonen. Schrittweise wiedereröffnet werden sollen die Testzentren. Erforderlich seien zudem eine Impfstrategie sowie gestufte Behandlungskriterien und -strukturen und eine landesweite Beratungs- und Kommunikationsstruktur.
Die ÄKNo forderte erneut eine nachhaltige Stärkung des öffentlichen Gesundheitsdienstes (ÖGD). Der inzwischen vereinbarte „Pakt für den ÖGD“ müsse „konsequent, zügig und bundesweit“ von Bund, Ländern und Kommunen umgesetzt werden.
Sie begrüßte die Entscheidung der NRW-Landesregierung, den Gesundheitsämtern im nächsten halben Jahr 1.000 zusätzliche Stellen für die Verfolgung von Kontaktpersonen durch die Abordnung von Landesbediensteten und durch zusätzliche Mittel in Höhe von 25 Millionen Euro zur Verfügung zu stellen. Aber auch dieses Vorhaben müsse schnellstmöglich umgesetzt werden.
Ärzte in Gesundheitsämtern besser bezahlen
Durch den Pakt nicht gelöst wird nach Ansicht des Ärzteparlaments das Problem des Ärztemangels in den Gesundheitsämtern. Hinzu komme, dass der jüngst getroffene Tarifabschluss den Amtsärzten keine Verbesserungen bringe. Sie seien weiterhin gegenüber Ärzten in anderen Versorgungsbereichen finanziell schlechter gestellt.
Die Kammerversammlung appellierte daher an die Oberbürgermeister und Landräte in Nordrhein, in den Gesundheitsämtern einen arztspezifischen und arbeitsmarktadäquaten Tarifvertrag einzuführen.
Ute Teichert, Vorsitzende des Bundesverbandes der Ärztinnen und Ärzte des Öffentlichen Gesundheitsdienstes (BVÖGD), begrüßte den Appell der Ärztekammerdelegierten. Auch die Politik habe die Notwendigkeit erkannt, die Gesundheitsämter besser auszustatten – personell und technisch.
Bund und Länder hätten daher im Pakt zur Stärkung des ÖGD bis zum Jahr 2026 vier Milliarden Euro zur Verfügung gestellt. Die Mittel seien also vorhanden, es fehle offenbar der politische Wille bei den öffentlichen Arbeitgebern, die Ämter für ihre Aufgaben besser auszustatten.
„Dies ist aus unserer Sicht fahrlässig, weil es in Kauf nimmt, dass die Gesundheitsämter jetzt und langfristig ihre Aufgaben aus Personalmangel nicht so wahrnehmen können, wie es für den Gesundheitsschutz der Bevölkerung wichtig wäre“, so Teichert. Sie forderte daher die Vereinigung der kommunalen Arbeitgeberverbände (VKA) auf, an den Verhandlungstisch zurückzukehren und mit der Ärztegewerkschaft Marburger Bund einen arztspezifischen Tarifvertrag abzuschließen.
Die ÄKNo forderte mit einer Entschließung auch, die Modellversuche zur Grippeimpfung in Apotheken im Rheinland sofort auszusetzen. Anlass ist die derzeitige Knappheit an Grippeimpfstoff. Nach Ansicht der Kammerversammlung fehlen durch die Modellprojekte in den Apotheken Impfdosen in den Praxen der niedergelassenen Ärzte.
Außerdem könne eine neunstündige Impfschulung, wie sie Apotheker im Rheinland absolvierten, kein sechsjähriges Medizinstudium ersetzen. Daher würden Impfungen in Apotheken das hohe Vertrauen der Bevölkerung in die Sicherheit von Impfungen gefährden.
„Nur Ärztinnen und Ärzte sind qualifiziert für die Impfanamnese, den Ausschluss akuter Erkrankungen und die Aufklärung zur Impfung“, betonte Henke.
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