Ärztemangel im ländlichen Raum bedroht medizinische Versorgung
Hannover – Die medizinische Versorgung im ländlichen Raum steht heute bereits vor Herausforderungen. Die Situation könnte sich künftig aufgrund des demografischen Wandels und Fachkräftemangels noch weiter verschärfen. Das war Konsens einer gemeinsamen Veranstaltung der Apobank, des Verbands der privaten Krankenversicherung (PKV) und der privatärztlichen Verrechnungsstelle (PVS).
In den Städten sei die medizinische Versorgung in der Summe gesichert, sagte dazu gestern der Präsident der Bundesärztekammer (BÄK), Klaus Reinhardt. Allerdings gebe es diametrale Verhältnisse zwischen der Versorgung in der Stadt und auf dem Land.
Er unterschied dabei zwei verschiedene Situationen auf dem Land. Einerseits gebe es Randgebiete um Ballungszentren – wie Berlin, Hamburg oder München – in der die Infrastruktur an sich ländlich sei. Allerdings siedelten sich dort weiterhin auch junge Familien an, weil sie die Nähe zur Stadt wertschätzten. Probleme in der medizinischen Versorgung sieht Reinhardt nicht.
Auf der anderen Seite gebe es grundsätzliche Veränderungen der Lebensbedingungen im wirklich ländlichen Raum, so Reinhardt. In Regionen, weit entfernt von größeren Städten, erlebe man das verstärkte Abwandern von ärztlichen Fachrichtungen, aber auch anderen Berufen. Hier müsse man sich überlegen, wie diese Herausforderungen gelöst werden können.
Außerdem gebe es derzeit deutlich weniger Schülerzahlen als etwa zur Wendezeit und damit könnten weniger Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden, so Reinhardt. Trotzdem wollen viele junge Menschen Medizin studieren, aber es mangele an Möglichkeiten den Beruf zu erlernen, mahnte Reinhardt.
Er pochte deshalb auf eine deutliche Studienplatzerhöhung. „Wir haben hierzulande gerade die höchste jemals gemeldete Zahl von Ärztinnen und Ärzten“, sagte Reinhardt. Dies werde oft als Argument verwendet, um die Forderung nach mehr Studienplätzen abzuschmettern.
Aufgrund von arbeitszeitrechtlichen Regelungen, insbesondere im stationären Sektor, könne aber heute auch weniger Arbeitszeit pro Ärztin oder Arzt abgebildet werden wie noch vor 15 oder 20 Jahren, so Reinhardt.
„Wir wollen ausgeruhte Ärzte und nicht jemand, der bereits 18 Stunden Dienst im Krankenhaus hinter sich hat.“ Auch weil der demografische Wandel bei der Ärzteschaft deutlich zu sehen sei und viele bald in den Ruhestand gehen würden, müssten mehr Ärztinnen und Ärzte ausgebildet werden, forderte Reinhardt.
Gesundheitszentren oder -regionen könnten in Zusammenarbeit mit anderen Gesundheitsberufen Reinhardt zufolge deshalb wichtig sein, um künftig die Versorgung auf dem Land sicherzustellen. Hier sei aber zu beachten, dass diese privatrechtlich organisiert und von Ärzten mitverantwortet werden, so Reinhardt. Außerdem könnten Eigeneinrichtungen der Kassenärztlichen Vereinigungen (KV) eine weitere Möglichkeit bilden, die Versorgung sicherzustellen.
Reinhardt warnte allerdings davor, eine gemeinsame Lösung für die Probleme der Ausdünnung der fachärztlichen und hausärztlichen Versorgung auf dem Land und der Überkapazität der stationären Einrichtungen zu suchen. Hier werde eine differenzierte Debatte benötigt, so Reinhardt.
Auch der Direktor des Verbands der Privaten Krankenversicherung (PKV), Florian Reuther, prognostizierte, dass der medizinische Bedarf auf dem Land weiter steigen wird. Dort würden die Menschen älter und damit auch kränker werden. Zudem sei der Fachkräftemangel auf dem Land stärker zu spüren.
Telemedizin als Lösung für Probleme auf dem Land
Um diese Probleme anzugehen, sei Technik und Innovation Reuther zufolge der Schlüssel. Gerade die Telemedizin sei in der PKV eine „absolute Zukunftsleistung“. Durch die Coronaviruspandemie habe sich der Bedarf und das Angebot nach telemedizinischen Sprechstunden erweitert, jetzt liefen diese Entwicklungen auch über die Pandemie hinaus verstärkt weiter.
So könne beispielsweise die Lösung „Mona“, ein flächendeckendes Assistenzsystem im Bereich der Intensivmedizin, auch in ländlichen Regionen helfen, in denen hochspezialisierte Intensivbereiche und entsprechende Fachärztinnen und Fachärzte nicht flächendeckend vorhanden sind, so Reuther.
„Mona“ steht für Medical-On-Site-Assistant und soll direkt neben dem Patientenbett dem Personal im Krankenhaus helfen, eine leitlinienadhärente, evidenzbasierte und kostenkontrollierte Intensivmedizin durchzuführen. Konzepte wie diese würden die Versorgung deutlich verbessern, sagte Reuther.
Die PKV biete entsprechende Vergütungskonzepte für besondere Videokonsultationen. Dies setze einen Anreiz für Krankenhausträger, um verstärkt telemedizinische Lösungen in den Klinikalltag einzubinden. Die privaten Krankenversicherungen würden so eine Finanzierung der Grundlagen bieten und damit die Versorgung auch auf dem Land sicherstellen.
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