Ausland

Al-Schifa-Klinik im Gazastreifen nimmt Betrieb teilweise wieder auf

  • Freitag, 12. Januar 2024
/picture alliance, EPA, HAITHAM IMAD
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Genf – Das größte Krankenhaus im Gazastreifen nimmt nach Angaben der Weltgesundheitsorganisation (WHO) den Betrieb teilweise wieder auf. Ein Team der WHO und Partner hätten die Al-Schifa-Klinik im Norden des Küstenstreifens erreicht und 9.300 Liter Kraftstoff sowie medizinische Hilfsgüter für 1.000 Trauma- und 100 Dialysepatienten liefern können, erklärte die UN-Organisation heute.

Das WHO-Team habe festgestellt, dass das Krankenhaus mit rund 60 medizinischen Mitarbeitern wieder eine Versorgung gewährleisten könne, teilte WHO-Chef Tedros Adhanom Ghebreyesus mit. Die Al-Schifa-Klinik ver­füge wieder über 40 Betten für die Chirurgie und Allgemeinmedizin, eine Notaufnahme und vier Operationssäle. Der WHO-Chef erklärte außerdem, das Krankenhaus habe wieder eine Grundversorgung in den Bereichen Gynäkologie und Geburtshilfe sowie Radiologie.

Die WHO hatte das Al-Schifa-Krankenhaus als „Todeszone“ bezeichnet, nachdem es seinen Betrieb angesichts israelischer Militäreinsätze und Besetzung im November weitgehend eingestellt hatte. Das israelische Militär wirft der im Gazastreifen herrschenden islamistischen Palästinenserorganisation Hamas vor, Tunnel unter Kran­kenhäusern zu haben und medizinische Einrichtungen als Kommandozentralen zu nutzen. Die Hamas weist das zurück.

Dennoch ist die Lage im Norden schwierig. Nach Angaben des nach Angaben des UN-Not­hilfebüro OCHA konnten in den ersten elf Tagen dieses Jahres nur fünf von 24 geplanten humanitäre Lieferungen durch­geführt werden. Die israelischen Be­hörden hätten mehrere geplante Lieferungen zur Aufstockung des Medikamenten- und Materiallagers in der Stadt Gaza verweigert, berichtete OCHA.

Andere Konvois seien gescheitert, weil sie zu lange an den israelischen Kontrollstellen aufgehalten worden seien oder vereinbarte Routen nicht befahrbar gewesen wären. Die Krankenhäuser im Norden hätten deshalb nicht genügend Material zur Versorgung von Kranken und Verletzten, so OCHA. Andere Konvois sollten den Menschen neben Medikamenten auch Nahrungsmittel, Trinkwasser und andere lebenswichtige Güter liefern.

Nach Schätzungen der WHO leben im Norden noch 300.000 bis 400.000 Men­schen. „Jeder Tag, an dem die Hilfe ausbleibt, führt zu Todesfällen und bedeutet für Hunderttausende von Men­schen im nördlichen Gazastreifen Leid“, teilte OCHA mit.

OCHA warnte auch vor Unruhen im Gazastreifen, wenn die humanitäre Hilfe nicht deutlich aufgestockt wird. Die wenigen UN-Konvois, die es in den Norden schafften, würden direkt hinter dem Kontrollposten gestoppt und ausgeräumt, sagte ein OCHA-Vertreter.

„Der Grad der Verzweiflung der Menschen ist spürbar“, sagte Andrea De Domenico, Leiter des OCHA-Büros für die palästinensischen Gebiete, der regelmäßig im Gazastreifen ist. Er sprach über Video-Verbindung mit Reportern in Genf. De Domenico betonte, dass die Menschen nicht aggressiv seien, sondern ausgehungert und dringend mehr Hilfe benötigten. „Die Spannungen werden steigen, wenn wir die Hilfslieferungen nicht ausweiten können.“

Er betonte, Mitarbeiter hätten nach einer Fahrt in den Norden diese Woche berichtet, dass hinter den israeli­schen Kontroll­posten Leichen auf der Straße lägen, die nicht geborgen worden seien. Im Norden leben nach Schätzungen noch 300.000 bis 400.000 Menschen.

Nach Angaben des UN-Kinderhilfswerks Unicef sind wegen der verheerenden hygienischen Zustände inzwi­schen mindestens 70.000 Kinder an Durchfall erkrankt. Für Kleinkinder kann das ohne Behandlung lebensge­fähr­lich sein. 135.000 Minderjährigen drohe akute Unterernährung, sagte Lucia Elmi, Unicef-Vertreterin in den Palästinensischen Gebieten.

Israel kämpft seit dem Überfall von Terroristen aus dem Gazastreifen auf Israel und den Massakern vom 7. Okto­ber 2023 gegen die Palästinenserorganisation Hamas. Bei Bombardierungen, Raketeneinschlägen und Gefech­ten sind nach palästinensischen Angaben, die sich nicht unabhängig überprüfen lassen, seitdem mehr als 23.000 Menschen ums Leben gekommen.

Nach Ansicht des UN-Menschenrechtsbüros verstößt Israel bei seinen Militäroperationen im Gazastreifen gegen die Grundprinzipien des humanitären Völkerrechts. Dazu gehörten unter anderem Vorsichtsmaßnahmen, um die Zivilbevölkerung zu schützen. Israel widerspricht den Vorwürfen.

dpa

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